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Die Geliebte aus dem Totenreich
Mit Die Geliebte aus dem Totenreich geht der Zyklus um die junge Hexe Coco Zamis und die Auseinandersetzung ihrer Wiener Familie mit Asmodi weiter. Die Handlungsfäden werden nach einem Expose von Uwe Voehl von Logan Dee und Catalina Corvo übergangslos aus Der teuflische Derwisch weitergesonnen. Dabei teilt sich der Handlungsbogen innerhalb der beiden Teilromane Die Geliebte aus dem Totenreich und Das Tor zur Nacht wieder in eine Gegenwartshälfte mit Coco Zamis und der Vergangenheitsebene im Jahre 1939 in Wien und Umgebung spielend. Hier verfolgt der Leser die Abenteuer Georg Zamis, der zur Ausbildung/ Weiterbildung vom Vater zu Verwandten abgeschoben wird. Diese sollen versuchen, sein rebellisches Wesen zu zähmen. Ähnliches hat Michael Zamis in den ersten Bänden der Zaubermond- Hardcoverreihe mit der Titelheldin Coco Zamis versucht. Georg Zamis landet schließlich fernab von Wien bei der Gräfin in ihrem prächtigen Schloss. Schon Michael Zamis hat mit ihr bei den schwarzen Künsten zusammengearbeitet. Georg soll dort nicht nur die Augen und Ohren offenhalten, sondern fürs Leben lernen. Im Gegensatz zu den ersten Romanen um Coco Zamis macht Uwe Voehl mit seiner Hauptautorin Catalina Corvo nicht den Fehler, den noch jungen und nur teilweise erfahrenen Georg gleich nach wenigen Seiten intellektuell über die angeblichen Lehrmeister zu stellen. Georg Zamis begegnet einem seltsamen kleinen Jungen, dessen Mutter durch die dunklen Künste entschwunden ist. In einer im Grunde konträr laufenden Haupthandlung im gegenwärtigen Wien findet Coco Zamis ihre entführte Mutter wieder. Allerdings taucht urplötzlich auch ein dämonischer Doppelgänger bei Michael Zamis auf. Dieser erwachsene Wechselbalg beginnt Einfluss auf Michael Zamis zu gewinnen. Für Georg und Coco ist es ein weiterer Schlag Asmodis gegen die Zamis- Sippe, in der Hoffnung, den anscheinend hartnäckigen Widersacher an seiner schwächsten Seite zu treffen. Wie sich dieser Plan weiterentwickelt und welche Überraschungen Catalina Corvo in dem kompakt geschriebenen Teilroman in ihrem Köcher bereit hält, gehört zu den unterhaltsamen Abschnitten des Romans. Im Vergleich zu den vorangegangenen Romanen enthält Die Geliebte aus dem Totenreich sehr viel weniger dunkle Action und die brutalen Szenen bis auf die Foltersequenz an einem Balg und nicht an der attraktiven Hexe halten sich in Grenzen. Diese nur auf den ersten Blick als Manko erscheinende Auslassen wird durch die deutlich pointier geschriebenen Dialoge und das Entwickeln einer unbestimmten, aber überzeugenden Atmosphäre mehr als genug ausgeglichen. Catalina Corvo nimmt sich Zeit, die schon bekannten Charaktere sowohl in der Vergangenheit obwohl das Jahr 1939 ist, spielen historische Fakten in der ersten Hälfte des Romans im Vergleich zu den Vorgängerbänden keine Rolle als auch der Gegenwart konsequent und nachhaltig weiterzuentwickeln. Dabei rückt insbesondere Michael Zamis als arrogantes und sich selbst kontinuierlich überschätzendes, inzwischen auch noch mit Liebesblindheit geschlagenes Familienoberhaupt keinen Millimeter von seinen Prinzipien ab. Der Eltern- Kinderkonflikt verlagert sich weiter. Zwar liefert Coco Zamis zum wiederholten Male entscheidende Fakten, die neutral betrachtet ihre Position in der eigenen Familie weiter festigen sollten, aber im vorliegenden Roman ist die Opposition mehr als einen Schritt schneller gewesen. Die Frustration wie auch die Angst, die eigene Mutter endgültig verloren zu haben, ist förmlich greifbar und wird von der Autorin ohne Pathos oder Kitsch mit kleinen Gesten sehr gut ausgedrückt. Als Figur wirkt Coco Zamis insbesondere im Vergleich zum Zehnerzyklus mit ihrer eigenen Ausbildungsweltreise deutlich gereifter. Sie reagiert bzw. agiert immer noch impulsiv, aber das gehört inzwischen zu ihrer Figur hinzu. Dabei sind ihre Handlungen deutlich zielstrebiger geworden. Die erste Begegnung mit dem Wechselbalg sei hier nur exemplarisch herausgestellt. Sowohl die Leser als auch sie sind von den Ereignissen überrascht worden. Nachdem Coco die Suche nach ihrer Mutter nicht unbedingt erfolgreich einen entscheidenden Schritt weitergetrieben hat, muss sie erkennen, dass ihr Verhältnis zu ihrem Vater um mindestens zwei Stufen abgekühlt ist.
Wie bei den letzten Coco Zamis Bänden nimmt Catalina Corvos nicht nur umfangtechnisch etwas mehr als die Hälfte des Buches ein. Auch plottechnisch hat sie den fleischigeren, besseren Part. Der Unterschied zwischen Corvos und Dees Hälfte ist nicht so dramatisch wie bei dessen langweiliger und mechanischer konstruierter Sylt- Geschichte, aber die qualitativen Unterschiede gegen über das stilistische Niveau hinaus. Georg Zamis wird von der Gräfin einer dramatischen Prüfung sowohl hinsichtlich seiner Treu gegenüber den schwarzen Familien als auch seiner Emotionen, seiner Liebe unterzogen. Dieser Subplot gipfelt schließlich in der obligatorischen Reifeprüfung, die Georg je nach Perspektiv entweder mit Bravur oder nicht besteht. Die grundlegende Idee wird auch durch den exotischen Hintergrund eines von Freaks bevölkerten Zirkus nicht unbedingt origineller. Als Schriftsteller agiert Logan Dee phasenweise noch zu distanziert, zu wenig emotional, um die Chemie zwischen Georg Zamis und dem Nadelmädchen Cofania. Geschickt wird aber dieser intellektuelle Entwicklungsschritt mit einem dunklen Fluch in Verbindung gebracht. Hinsichtlich des ganzen Zyklus ist es lesenswert, Georg in einer frühen Phase seiner Entwicklung zu beobachten. Insbesondere in den ersten Coco Zamis stand er zu sehr im Schatten seiner attraktiveren Schwester. Coco Zamis folgt der Spur ihrer Mutter Thekla erst nach Istanbul und dann nach Syrien. Obwohl beide Städte exotischere Hintergründe bilden und deren individuelle Kultur ausführlicher sowie farbenprächtiger hätte beschrieben werden können, hetzt Logan Dee in seinem zugegebenermaßen nicht einfach zweiten Romanstück durch die Handlung. Plottechnisch erhält Coco Zamis einige vage Informationen. So haben sich die Oppositionsdämonen unter einem geheimnisvollen Führer der Cliffhangar des vorliegenden Bandes ein deutliches Stück von Asmodis Einfluss befreit. Diese Vorgänge werden dem Leser stellvertretend in Person Coco Zamis eher vage vermittelt. Es wäre viel interessanter gewesen, von diesen Ereignissen aus erster Hand zu erfahren. Thekla Zamis dagegen tritt im letzten und wichtigsten Abschnitt des Romans auf. Immer noch bleibt spannungstechnisch sehr geschickt geschrieben im Dunklen, in wie weit ihre Vermittlermission sich noch in dem ihr von Asmodi übertragenem Auftrag bewegt oder ob sie wirklich die Fronten gewechselt hat. Diese Frage wird anscheinend intensiver im folgenden Roman Albtraumnächte in Asmoda behandelt.
Wie schon angedeutet wechseln sich in Logan Dees Das Tor zur Nacht Licht und Schatten in schneller Abfolge ab. Die Figuren selbst sind zufrieden stellend bis gut charakterisiert. Insbesondere auf die Nebenfiguren wie das Nadelmädchen Cofania, aber auch den Werwolf Baykurt sind dreidimensional beschrieben und können bei ihren kurzen Auftritten überzeugen. Coco Zamis als agierendes Element des Romans wirkt deutlich aktiver, dreidimensionaler als in Catalina Corvos erster Hälfte, in welcher der Fokus auf Georg Zamis gelegen hat. Auch Michael Zamis emotional- erotische Beeinflussung bildet einen interessanten Kontrast zu Theklas romantischen Verstrickungen. Beide Autoren arbeiten diese konträren Punkte geschickt heraus, ohne die Authentizität der Protagonisten und die Gesamtkonstellation aus dem Auge zu verlieren. Uwe Voehl legt mit seinen beiden Autoren positiv gesprochen sehr viel Wert, den Fokus radikal zu erweitern und von den schematischen Konstruktionen insbesondere der Lehr- und Wanderjahre einer jungen Hexe abzuschwenken.
Die Hintergründe sind solide beschrieben. Ihnen fehlt aber der letzte Hauch Exotik. Logan Dee bemüht sich zwar, ein wenig auf die islamische Kultur einzugehen, aber im Grunde spielt es keine Rolle, ob die Oppositionsdämonen sich in Wien oder am Bosporus auf die letzte Schlacht vorbereiten. Hier überzeugten Coco Zamis Ausbildungsreisen deutlich mehr. Plottechnisch dient der ganze Roman eher als eine Art Übergang. Die Vergangenheitshandlung wird zufrieden stellend, aber ein wenig vorhersehbar abgeschlossen. Wie schon angesprochen fehlt ihr die politische Würze dieser in erster im Linie im Schlechten außergewöhnlichen Ära. Die Gegenwartshandlung schließt zumindest auf den ersten Blick Coco Zamis Suche nach ihrer Mutter um, um dann subversiv mit der Entlarvung des Antagonisten, der schwarzen Eminenz, die Tür zu einem hoffentlich furiosen Finale zu öffnen. In seinem vielschichtigen Gesamtexpose hat Uwe Voehl ausreichend Ansätze versteckt. Im Vergleich insbesondere zu Biikebrennen dem bisherigen Höhepunkt des laufenden Minizyklus fällt Die Geliebte aus dem Totenreich ein wenig ab, aber im Vergleich zu qualitativ durchwachsenen der teuflische Derwisch befindet sich die Serie wieder im richtigen reißenden Fahrwasser.
28. Jun. 2010 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

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