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Spuk des Alltags

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SPUK DES ALLTAGS


/ Horror-Stories


Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek

Alexander Moritz Frey kannte ich bis zum Eintreffen dieses Buches noch gar nicht; dabei hat Thomas Mann seinen Roman "Solneman der Unsichtbare" gelobt als Ausdruck des "Allerbesten, was die phantastische Literatur hervorgebracht" hat (vgl. das Nachwort von Marco Frenschkowski, S. 233). Und Rein A. Zondergelds "Lexikon der phantastischen Literatur" bemerkt: "F., der 1933 Deutschland verließ, gehört zu den wichtigen, heute aber weitgehend vergessenen Vertretern der großen Blüteperiode der deutschen Phantastik zwischen 1900 und 1930." Der Emigrant Frey, 1957 verarmt in Zürich verstorben, findet sowohl hinsichtlich seiner Sprache als auch in puncto ideologischer Haltung Gnade vor den Augen des bisweilen unerbittlichen Zondergeld - völlig zu Recht, wie dieses Buch beweist, ein kleines Juwel deutscher phantastischer Literatur.

Der Titel ist Programm. In "Spuk des Alltags" kommt kein Grauen aus dem schwarzen Abgründen jenseits der Sterne, lauert kein böses Wesen in der Kanalisation einer Kleinstadt in Maine. Was hier geschieht, ist nicht fremd: eine alte Frau bittet einen jungen Mann, ihr nach Hause zu helfen; ein Friseur plaudert mit einem Kunden über Zeitungsnachrichten; eine Mutter nennt ihren Sohn arbeitsscheu ... so banal nehmen die Katastrophen, die Schrecken und Psychodramen ihren Anfang. Jeder Titel der 11 Erzählungen besteht aus nur einem Wort, das mit "Ver-" beginnt: "Verhexung", "Verneinung", "Verfolgung" etc. - diese Texte bleiben nicht isoliert voneinander, sondern bilden ein Ganzes, eine Studie über das seltsame, vielgesichtige Wesen Mensch. Und keine Geschichte lässt kalt. Wenn sich ein Teil des Schloss-Spuks in "Vermummung" als recht irdisch-fleischlich erweist, schmunzelt man (und auch die Rache, die hier das echte Gespenst nach 200 Jahren nimmt, ist eher komisch). Wenn in "Verwesung" ein Elternmörder Tagebuch schreibt, während nebenan im Schlafzimmer die Leichen liegen, gibt es keinen "Knalleffekt" (Frey setzt auf Stimmungen, nicht auf Pointen); aber man fühlt den sich steigernden Wahnsinn des hilflosen Mörders mit. Gleichermaßen erschüttern der innere Monolog des Verbrechers in "Verfolgung" und der des ehemaligen Frontsoldaten in "Verzweiflung" - der eine versucht, seine Tat zu rechtfertigen, der andere muss sich Schuld und (Selbst-)Verrat eingestehen. (Frey diente im selben Bataillon wie Adolf Hitler, kannte diesen persönlich, zog aber genau entgegengesetzte Schlussfolgerungen aus dem Krieg - und musste daher emigrieren, als sein "alter Kamerad" an die Macht gelangte).

Die Geschichten fesseln jedoch nicht nur durch Thema, Aufbau und Spannungsbogen; Frey ist auch ein Meister expressionistisch gefärbter Sprache, die mit starken Bildern operiert, mit Wortneuschöpfungen, Synästhesien, mit gewohnten Wörtern in unüblichen Kontexten. Und er brilliert mit inneren Monologen; beste Beispiele: die drei zuletzt genannten Erzählungen. Doch auch wo er in der dritten Person erzählt (in "Verneinung" oder dem schwarzsatirischen "Versammlung" etwa), kommen die Gedanken der Hauptfiguren, ihre Ängste und Schwächen deutlich zum Ausdruck. Vor allem Ängste und Schwächen, denn fast jede Erzählung läuft auf die Zerstörung von Rationalität oder Leben (oder beidem zugleich) hinaus. Die bekannte Welt zeigt ihre unheimliche Seite, der gewohnte Alltag gebiert das Grauen, das die alltäglichen - freilich selten schuldlosen - Protagonisten nach und nach verschlingt. (Hier fühlt man sich manchmal an Kafka erinnert.)
Kurz und gut: Dieser dritte Band der Serie "Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek" setzt das Konzept, Besonderes zu bieten, erfolgreich fort.
Zu den Erzählungen treten kongenial die exquisiten Innenillustrationen von Otto Nückel (dem Original von 1920 entnommen), und das ebenso informative wie analytisch fundierte Nachwort von Marco Frenschkowski. Diese Wiederentdeckung Freys für ein heutiges Lesepublikum muss man hoch schätzen.

14. Sep. 2006 - Peter Schünemann
http://www.buchrezicenter.de

Der Rezensent

Peter Schünemann

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