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Bang Bang stirbt
| BANG BANG STIRBT
Buch / Krimi
Autor: Rob Alef
ISBN 978-3-926126-44-3
Ausstattung Klappenbroschur, 254 Seiten
Erscheinungstermin April 2005
Team Lektorat: Lisa Kuppler
Redaktion: Hannes Riffel
Korrektur: Sara Schade, Anne-Minou Fengler
Satz, Umschlaggestaltung & Herstellung: Ronald Hoppe
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Viele Krimis sind eng mit dem Milieu oder der Stadt verbunden, aus der auch die Autoren kommen. Thomas Ziegler mit seinen skurrilen Geschichten um den Schnüffler Makesch in Köln oder Frank Göhres Kiezgeschichten seien hier beispielhaft erwähnt. Mit dem am 01. April 1965 geborenen Rob Alef betritt im kleinen und auf utopische Literatur spezialisierten Shayol Verlag ein in Nürnberg geborener, aber in Kreuzberg lebender und schreibender nicht mehr ganz junger und doch debütierender Autor die Krimiszene.
Der Klappentext warnt, dass man oder Rob Alef keine despektierlichen Krimis schreiben sollte. Dazu kommt, dass man Pandabären nicht in den Hintern piekst und dazu keine Gabeln benutzt, die in Kaliningrader Klopse getunkt worden sind. Stimmt nicht, kann MAN alles tun, wenn MAN die Stadt Berlin kennt und am besten über Verbindungen entweder zu den Höchsten in der Stadt oder der alternativen Szene in den markanten oder polizeilich markierten Vierteln verfügt.
Die Rote Bete Fraktion hat anscheinend das Wahrzeichen des Westberliner Zoos, den Panda Bang Bang, entführt, um die Befreiung aller Tiere aus dem Ostberliner Zoo zu erzwingen. Der Paluschke, der zuständige Polizist, übernimmt die Ermittlungen gegen die vegetarische Front, die sich mit weiteren Überfällen auf Metzger, Gabelgroßverkäufer und Hutgeschäfte ein Image als Robin Hoods für die entrechteten, aber gut gefütterten Tiere erkämpfen möchte. Soweit die Haupthandlung, die schon vor Absurdität strotzt, die aber den Lesern das Tor zum Berliner Filz öffnet. Nicht umsonst gibt es in dieser geschichtsträchtigen Stadt einen Regierenden Bürgermeister und Geliebten Bausenator in einer Person, Bankdirektoren, die edel, hilfreich und gut eine der größten Banken der Stadt nicht nur in den Ruin getrieben , sondern der Stadt Millionenverpflichtungen geschenkt und Polizisten, die ihre privaten Verhörräume im Keller haben und deren Utensilien aus der letzten Zahnarztpraxis stammten, die der Gesundheitsreform zum Opfer gefallen sind. Die satirischen Seitenhiebe streut Alef zum Teil nur in das laufende und sich überschlagende Geschehen ein, auf der anderen Seite lösen diese Verfilzungen weitere absurde Ereignisse aus. Es gibt einen Selbstmordkult, der mit Vorliebe Baudenkmäler im Zentrum der Stadt mit Flugzeugen abbruchreif "bombt". Auf diesen Plätzen entstehen dann Wellnesshotel.
Diese Anspielungen auf verschiedene Sekten in Kombination mit den Anschlägen vom 11. September wirken weniger respektlos als planlos. Die Begleitumstände dieses Selbstmordkultes hinterlassen einen faden Beigeschmack und das sicherlich satirisch eingeplante Element geht nur in eine Richtung los- nach hinten. Ein intelligenter und auf der Höhe der Zeit schreibender erfahrener Autor hätte für diesen Handlungsstrang bessere Lösungsmöglichkeiten gefunden. Zum Beispiel Herthafrösche ärgern?
Eine weitere, zu Anfang eingefügte, dann vergessene und schließlich ein bisschen unbefriedigt zu Ende gebrachte Nebenhandlung, ist das Murmelwettgeschäft. Der Autor hat so viele Handlungsebenen und Ansätze, dass eine feste Lektorenhand und eine geradlinige Kontinuität dem Buch zu Beginn deutlich besser getan hätten. Zu viele Fäden verlaufen im Sande oder werden unbefriedigend gelöst. Insbesondere Paluschkes Ermittlungen hätten mehr Raum und lustig-traurige Erfolgs- oder Misserfolgserlebnisse verdient. Mit dem Berliner Schnüffler identifiziert sich der Betrachter sehr schnell und kann - da er in diesem absurden Theater einen der wenigen normalen Charaktere darstellt - seinem nicht gerade mit Lichtgeschwindigkeit funktionierenden Gedankenbächchen gut folgen.
Im internationalen Fußball kennt sich Alef zumindest oberflächlich gut aus , über seinen Heimatclub Hertha BSC decken wir lieber den Mantel des Schweigens bzw. weisen darauf hin, dass Hertha und St.Pauli 2001 in der Bundesliga aufeinander getroffen sind, der Bobic aber erst seit 2003 an der Spree sein Glück sucht. Nun, Kritiker sind der Ansicht, bei seiner Dynamik ist er bei Hertha in Ehren ergraut...
Aus dem Objekt der Begierde - dem Pandabären Bang Bang mit dem Faible für Tsui Harks überdrehte Actionkomödie "Peking Opera Blues", vielleicht einem Sinnbild für die Logik dieses Buches - macht der Autor mehr als einen süßen Teppichvorleger. Er scheint intelligent zu sein, zu einer geheimnisvollen Organisation von Pandabären zu gehören, der Wirken insbesondere in China zu spüren ist, die sieben Köstlichkeiten als Leib und Magengericht zu bevorzugen und schließlich das chaotische Berlin gegen die ruhige chinesische Provinz tauschen zu wollen. Die Mischung aus Tier und Bestie ist nicht immer konstant und nachvollziehbar. Für eine Inkarnation des Bösen reagiert er viel zu sehr als das er agiert, für ein Tier ist sein Handeln zu sehr von Intelligenz denn Instinkt getrieben. Der Leser kann auch nicht nachvollziehen, ob diese futuristisch angehauchten Einschübe ironisch oder ernst gemeint sind. Vielleicht wäre es besser gewesen, denn Bären als tumbes Tier zu belassen und ihn so von einer Situation in die andere stolpern zu lassen. Daraus hätte sich einige gute Augenblicke gehobener Situationskomik ableiten und die Ansätze für sarkastisch satirische Bemerkungen hätten die Dialoge farbenprächtiger erscheinen lassen. Dabei liegt hier die Stärke Alefs. Seine Figuren sprechen, wie ihnen die Berliner Schnauze gewachsen ist. Mit prägnanten Charakterzügen, liebevollen Details und einem Hang für schräge Typen entwirft er eine Reihe gut zu unterscheidender Protagonisten. Kaum ist diese Sympathieebene etabliert, wirft der Autor seine Kreaturen in den bunten Reigen politischer Intrigen und menschlicher Irrungen und Wirrungen.
Seine Politiker sind schablonenhafte Idioten, die den Volksauftrag als Einladung zu persönlicher Bereicherung verstehen und jungenhaftes schlechtes Benehmen als schick empfinden. Sie haben alle ihr Schicksal verdient, auch wenn fehlende Briefmarken den dreisten Oberbürgermeister auf der Mission, möglichst in jedem Spiegel gut aus zu sehen und sich doch zu einem politisch intellektuellen Rohrkrepierer zu entwickeln, noch einmal vor dem Gespött der Springerpresse retten. Aber das nächste Fettnäpfchen steht bereit. Hier hält der Autor der Öffentlichkeit den Eulenspiegel mitten ins Gesicht und reduziert die farbenprächtige politische Szene auf einige wenige prägnante Charaktere. Allerdings wirkt sein Berlin seltsam alt und unbewusst schleicht sich das Gefühl einer Vorwendestadt beim Leser ein. Keine Hinweise auf Bundespolitik oder auch nicht und die Jagd nach Anerkennung in der Welt - zumindest bei Mister und Misses Opec - steht in einem krassen Widerspruch zu der hauptstädtischen Arroganz, die jetzt herüberstrahlt. Dieser Anachronismus unterstreicht das besondere Ambiente der ehemals geteilten Stadt und trägt zur gelungenen Atmosphäre des Buches bei, wirkt aber bei näherer Betrachtung für einen Roman mit leicht utopischen Zügen befremdlich
Die "kriminelle Handlung" bzw. die Ermittlungsarbeit wird bei einem so breit und gefächert angelegten Hintergrund im Laufe des Romans ad acta gelegt Fast schon mit einem Hauch Melancholie beendet Alef die Suche nach dem Panda in einem klassischen Showdown zwischen übereifrigen gut ausgebildeten Sondereinheiten und ... dieses Rätsel sollte der Leser selbst lösen. Darum ist "Bang Bang stirbt" auch keine geradlinige Geschichte, keine frisierte "Who done it?" Version einer männlichen Agatha Christie auf Speed, sondern das Portrait einer zu lebendigen Stadt, die der Ansicht ist, vierzig Jahre Mauer im Alter als entgangene Jugend entschuldigen zu müssen und die Jetsetgeneration auf einen Trip zu den anarchistischen Wurzeln freier Hippies mitnehmen zu müssen. Für moderne Krimis gehört es sich, dass die Kulissenschieber weiter im Untergrund, nein im Hintergrund roter Rathäuser arbeiten dürfen, die eigentlichen Täter in Wirklichkeit Opfer in doppelter Hinsicht sind und das "Crime does Pay" King ist. Alef stellt die Regeln klassischer Krimis nicht auf den Kopf, er verfremdet sie abschnittweise, erkennt und honoriert sie allerdings im Gesamtaufbau. Wer in die vielen Handlungsebenen eintaucht, wird ein Verbrechen - mehrere um genau zu sein -, mehrere potentielle Verdächtige und schließlich die Polizei als ermittelndes Element finden. Alles andere ist ein schräges lautes Orchester, das aus einem Blues eine Oper machen möchte. Einige Passagen hören sich fremdartig faszinierend an, andere sind zu improvisiert, als das sie überzeugen können. Im Mittelteil des Romans ist sich der Autor nicht sicher, welche Richtung -ernste Unterhaltung oder komödiantische Zeitkritik - das Buch nehmen soll. Hier hängt die Handlung deutlich durch und einige der falschen Spuren, vom Autoren mit einem boshaften Augenzwinkern gelegt, überladen den Roman. Erst im letzten Drittel findet Alef zu einer gewissen Kontinuität zurück. Ein despektierlicher Krimi muss sich nicht an die Regeln halten, aber er kann nicht immer gegen die Gesetze des Genres angehen. Sonst verliert er seinen Halt.
Als boshafte Gegenwartsliteratur wirkt der Roman sehr unbefangen. Keine erhobenen Zeigefinger, keine belehrende und besser wissende Kritik, sondern eine Reihe von Szenarien, über die der aufmerksame Leser erst schmunzelt und dann nachdenkt. "Bang Bang stirbt" ist kein Buch für klassische Krimifans. Auch Anhänger utopischer Literatur werden wenig Ansätze für Gedankenmodelle finden, es ist kein Roman für die St.Pauli Anhänger in den Wohncontainern oder die alternativen Randgruppen mit linken Wurzeln. Es ist ein freches, frisches Buch, ein bisschen zu lang geraten, ein bisschen zu voll gepackt mit Ansätzen von Ideen, die Alef nicht alle richtig nutzen kann, ein bisschen gewöhnungsbedürftig und ein bisschen zwischen allen Stühlen. Aber das zeichnet auch die "Paria" Reihe des Shayol Verlages, in der es erschienen ist, aus. Anders sein und das ist "Bang Bang stirbt". Die Veröffentlichung im Kleinverlag wird Bang Bang auf seinem Weg zurück in das "freie" China helfen, sein Publikum zu finden und nicht in den kommerziellen Krimireihen ein Schattendasein zu fristen.
Rob Alef: "Bang Bang stirbt"
Roman, Softcover
SHAYOL 2005
ISBN 3-9261-2644-2
13. Jan. 2007 - Thomas Harbach
http://www.sf-radio.net/buchecke/krimi/isbn3-9261-...
Der Rezensent
Thomas Harbach

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