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Die zerbrochene Welt
| DIE ZERBROCHENE WELT
Ralf Isau Buch / Fantasy
Piper Verlag
ISBN 9783492701914
496 Seiten, Hardcover
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Mit „Die zerbrochene Welt“ legt Ralf Isau den ersten Band einer Trilogie von sich an ein erwachsenes Publikum wendenden Romanen aus seinem Kosmos von Neschan und Merad vor. Die „Neschan“ Trilogie stand am Anfang von Ralf Isaus professioneller Karriere. Da „Die zerbrochene Welt“ nur den gleichen Kosmos als Hintergrund hat, stellt es keine Schwierigkeit dar, mit dem vorliegenden Band in Ralf Isaus durchaus komplexe, aber niemals wirklich komplizierte Fantasy- Welt einzusteigen.
Die Welt Berith ist von einer unbestimmten Zeit auseinander gebrochen. Inzwischen treiben die Schollen, die einzelnen Bruchstücke durch den Äther. Vergleichbar Karl Schröders allerdings später entstandener Tetralogie sind die einzelnen Schollen belebt, wobei die Evolution per se in unterschiedlichen Geschwindigkeiten verlaufen ist. Während Karl Schroeder in seiner nicht minder faszinierenden Schöpfung in Richtung Steampunk strebt, handelt es sich bei Ralf Isaus Serie um klassische Fantasy. So reisen die Wesen durch das sauerstoffarme ätherische Meer auf dem Rücken von Schwalltieren, die dank ihrer Kiemen von Scholle zu Scholle reisen können. Auch wenn diese Art der Fortbewegung nicht ganz einfach ist, kommt es zu regulären Kontakten zwischen den einzelnen mehr oder minder isolierten Teilwelten. Ralf Isau gibt sich Mühe, einer neuen Lesergeneration diesen phantastischen Hintergrund vorzustellen. Wer sich nicht mit der ersten Trilogie auseinandergesetzt hat, wird den Anfang aus nachvollziehbaren Gründen etwas beschwerlich finden. Anstatt die Welt mit fortschreitender Handlung dem Leser zu erläutern, agiert Ralf Isau ein wenig zu überambitioniert und versucht im nicht ganz flüssigen Auftakt zu viel auf einmal zu bewältigen.
Mit Taramis führt Ralf Isau dann zum Leidwesen der schon holprigen Handlung einen fast klischeehaften Fantasy- Helden ein. Er ist einer der bekanntesten Krieger der Schollen. Er ist einer der jüngsten Krieger und dank des Ez, eines Feuerstabes, im Grunde unbesiegbar. Das „Ez“ überprüft bei einer Berührung jeden Gegner. Sollte die dunkle Seite in ihm überwiegen, wird er mittels eines magischen Feuers verbrannt. Schon alleine die Allmächtigkeit der Waffe negiert jeglichen überzeugenden Spannungsaufbau. Das er über Kiemen und Lungen verfügt, sowie mit seinem Blut – ein Tropfen genügt – andere Lebewesen sofort töten kann, rundet das überdrehte Bild eines im Grunde langweiligen Spielverderbers – man braucht nicht gegen ihn antreten, man hat sowieso keine Chance – ab. Zusätzlich ist Taramis Tempelwächter, was Ralf Isau anfänglich auch geschickt benutzt, um die Treue gegenüber seinem Gott besser herauszuarbeiten, was aber im Verlaufe des Buches zu Gunsten seiner kriegerischen Fähigkeiten verloren geht. Diese ambivalente Vorgehensweise inklusiv der später teilweise ein wenig aufgesetzt wirkenden Charaktereigenschaft hinterlässt im Leser das unbestimmte Gefühl, als sei sich Ralf Isau selbst nicht sicher gewesen, was für eine Art Helden er gerne hätte. Hinzu kommt, das Taramis hinsichtlich seiner schwertttechnischen Fähigkeiten anfänglich von Ralf Isau fast schon in Conanmanier zu einem unbesiegbaren, aber nicht unbedingt sympathischen Überhelden stilisiert worden ist, der gleich zu Beginn zu einer weiter entfernten Scholle gerufen wird, um ein natürlich fürchterliches Monster zu besiegen, das die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt. Kaum hat er das Monster besiegt, muss er erkennen, das es sich nur um ein Ablenkungsmanöver gehandelt hat. In der Zwischenzeit ist – im Grunde in der Theorie schutzlos – Taramis Heimatscholle angegriffen worden. Taramis versucht möglichst schnell zurückzukehren, kommt aber natürlich zu spät. Die siegreichen Dagonister- Antische genannt - versklaven den Helden – bis dahin denkt der Leser mit Graus und nicht zu Unrecht an eine weitere „Conan“ Kopie -, da sie zur Eroberung der ganzen Schollenwelt viele Sklaven benötigen. Vorher muss Taramis durch ein emotionales Trauma schreiten, da sowohl seine Mutter als auch seine Geliebte von den Angreifen umgebracht worden sind. Anstatt diese Szenen emotional überzeugend darzustellen, versucht Ralf Isau noch die richtige Balance zu finden. Taramis wirkt – wie später noch ausführlicher dargestellt – zu überragend, zu sehr jegliche Spannung erdrückend, als das er durch den Verlust der beiden wichtigsten Frauen in seinem Leben – die der Leser noch nicht einmal kennenlernen konnte – wirklich nachhaltig aus der Bann geworfen wird.
Wie es der handlungstechnische Zufall will, zerbricht Taramis nicht die Sklaverei, sondern er entdeckt etwas, was nicht nur seine Verwandten und seine Geliebte retten kann, sondern den Angriff der Antische letzt endlich abwehren wird.
Wie schwer sich Ralf Isau mit dem vorliegenden Roman getan hat, lässt sich nicht nur an der anfänglich schwachen Handlung vor einem faszinierenden Hintergrund erkennen. Mit Taramis hat er einen im Grunde unsympathischen, störrischen, zu starken Helden etabliert, den er über weite Strecken des Mittelteils erst einmal „normalisieren“ und damit auch verletzbar machen muss. Das Taramis im Gegensatz zu den meisten anderen Weltenbewohnern auch noch über vier statt der obligatorischen einen magischen Fähigkeit verfügt, macht den Auftakt nicht besser. Neben den gestelzten Dialogen – ein verzweifelter Versuch, klassische Fantasy zu schreiben, der unnötig wie langweilig zu lesen ist – scheint der Handlungsbogen derartig vorsehbar, das der Leser fast Einsicht mit dem Helden haben muss. Nach den ersten im Grunde enttäuschenden Kapiteln scheint sich das Blatt gänzlich zu wandeln, als habe Ralf Isau die Schwächen der „zerbrochenen Welt“ erkannt. Unwillig einen neuen Roman zu beginnen, relativiert der Autor viele der anfänglichen Absolutismen. Taramis wird zugänglicher, ein wenig sympathischer und schafft es sogar an einigen wichtigen Stellen, eigene Fehler einzugestehen und im nächsten Moment auch zu korrigieren.
Mit der Wandlung der Charakters beginnt dem Schema einer Quest folgend auch der Roman interessanter zu werden. Die anfänglich martialischen, aber angesichts der Allmacht „Ez“s wenig befriedigenden Schlachten werden durch spannend geschriebene Verfolgungsjagden ersetzt. Dabei nutzt der Autor sicherlich positiv, dem Leser die verschiedenen zerbrochenen Schollen mit ihren exotischen Lebewesen nahe zu bringen. Die stringente, aber erst ganz spät in der zweiten Hälfte des Buches interessanter werdende Handlung steht in einem starken Kontrast zu dem wirklich gelungenen Hintergrund. Da Taramis mit jedem Wechseln der Scholle im wahrsten Sinne des Wortes in eine andere Welt tritt, kann Ralf Isau hier positiv gesprochene seiner Phantasie die Sporen geben und den Leser auf eine sehr lesenswerte Reise mitnehmen. Hier gelingen dem Autoren so fremdartige Wesen und Welten, wie man sie bislang in der Fantasy nur selten gesehen hat. Vor allem verliert sich Isau nicht in seinen Schöpfungen, sondern setzt sie plötzlich ausgesprochen zielgerichtet und Plot fördernd effektiv ein. Das Amphibienmenschen – eher aus den „Flash Gordon“ Geschichten bekannt- mit Zwergen mehr als nur ein paar Worte austauschen, soll stellvertretend erwähnt werden. Vielleicht hätte Ralf Isau die magischen Fähigkeiten der einzelnen Bewohner etwas vorsichtiger einsetzen sollen. Da werden Feuer per Gedankenkraft gezündet, Nebel erzeugt oder letzt endliche Knochen gebrochen. Eine nachvollziehbare Gesetzmäßigkeit gibt es nicht, so dass der Leser zwischenzeitlich das unbestimmte Gefühl hat, hier hat der Autor mit der Gießkanne breitflächig verteilt. Obwohl die Nebenfiguren solide bis überzeugend charakterisiert worden sind, irritiert, das sie bis zu fünf unterschiedliche Namen haben können, die zwar aus dem angefügten Glosar ableitbar sind, aber den Lesefluss erheblich hemmen. Vor allem sind sie augenscheinlich unnötig.
Zusammengefasst ist „Die zerbrochene Welt“ kein gänzlich verlorener Auftakt einer sich wahrscheinlich noch qualitativ besser entwickelnden Trilogie. Eine Reihe von Fehler korrigiert Ralf Isau erstaunlicherweise im Textverlauf selbst, so das Überheld und Weltenschöpfungen bis zum Cliffhangar aufeinander zu gehen und wenn sie schon keine Einheit, zumindest harmonisch erscheinen. Vor allem reduziert Ralf Isau die verständliche, aber zu simple gestrickte Rachegeschichte und versucht, ein originelleres Fantasygarn zu stricken. Überzeugend ist alleine der phantastische und mit viel Liebe zum Detail – eine Karte hätte allerdings angesichts der zahlreichen Handlungsorte gut getan – entwickelte Hintergrund der „zerbrochenen Welt“, der alleine besuchenswert ist.
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25. Jun. 2011 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

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