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Eobal
Mit “Eobal” liegt zumindest was das offene Ende mit gefressenen, aber noch nicht tödlich verdauten irdischen Botschaftern auf Fremdwelten andeutet, der Auftaktband einer Space Opera Reihe mit einem leider eher unterdurchschnittlich entwickelten terranischen Botschafter Casimir Daxxel sowie seiner neuen Assistentin Zant vor. Im Gegensatz zu der Tentakel Military Science Fiction oder der laufenden Alternativweltserie um die Kaiserkrieger des kleinen Kreuzers Saarbrücken orientiert sich Dirk van den Boom an den Space Operas Erik Frank Russells bzw. ohne den fast komödiantischen Humor der Serie um den Diplomaten Retief aus der Feder Keith Laumers.
“Eobal” - der Name des Planeten, auf dem Daxxel Dienst schiebt, beginnt mit einem Mord. Daxxel findet die Leiche des einzigen Freundes - alle anderen Außerirdischen hassen sich untereinander mehr oder weniger, sind sich aber hinsichtlich der Abneigung gegenüber Menschen einig - Dhloma, seines Zeichens turulianischer Botschafter. Da die örtlichen Behörden in erster Linie am Füllen der eigenen Taschen interessiert sind, beginnt Daxxel die Ermittlungen zusammen mit seiner neuen, gerade von der Erde eingetroffenen Assistentin Zant, die einen deutlich aufgeweckteren Eindruck hinterlässt als der junge, im Grunde vom ersten Augenblick wie ein Fischer außerhalb des Wasser agierende Botschafter. Die Ausgangsprämisse wird von Dirk van den Boom wie in einem typischen Krimi stringent und pointiert präsentiert. Die umgehende wie provosorische Ernennung Daxxels zu einem vorläufigen turulianischen Botschafter sollte den Weg zu einem sehr unterhaltsamen exotischen wie farbenprächtigen Abenteuer weisen, in dem wie der Klappentext suggeriert nicht nur korrupte Polizeichefs, sondern Drogendealer, Verschwörer, Raumflotten, professionelle Kartenspieler und schließlich auch die Liebe in sehr unterschiedlichen Variationen einen Rolle spielen. Trotzdem bleibt im Leser das unbestimmte Gefühl zurück, als habe Dirk van den Boom den Roman entweder derartig ambivalent angelegt, um möglichst viele Lager zu befriedigen oder den Plot/ Text ein wenig unter Zeitdruck niedergeschrieben, da viele sehr gute Ansätze je nach Perspektive des Lesers rudimentär oder in eine zu ernste Richtung entwickelt worden sind.
Als Hommage an Keith Laumers ausgesprochen unterhaltsame Retief Romane, in denen der Autor nicht immer konsequent mit der Entwicklungspolitik der ersten Welt bzw. dem Sendungsbewußtsein der Amerikaner im Speziellen kritisch umgegangen worden ist, schöpft Dirk van den Boom sein humorvoll zynisches Potential insbesondere für einen politisch interessanten Menschen zu wenig aus. In der Tradition der Screwballkomödie - alleine die Idee, das Daxxel am Ende zwei Welten vertreten und einem Erben eines durch einen weiteren Mordanschlag verstorbenen Außerirdischen eine wichtige Sache übergeben muss, hätte den Plot zum Klingen bringen müssen - böten sich ungezählte Möglichkeiten. Da reicht der Abstecher in Witze über das Stehvermögen außerirdischer Echsen bzw. Marines nicht aus, um den Plot zu retten. Das Kartenspiel zwischen Zant und einem mehr und mehr verzweifelnden Haufen diverser Außerirdischen wird nicht uninteressant, teilweise sogar spannend erzählt, aber dieser Sequenz fehlt ein bisschen dunkler Humor und die Auflösung mit den elementaren Informationen kommt zu schnell und zu wenig “bemüht”. Anstatt sich ausschließlich auf Daxxels und Zants eher verzweifelt, viel dem Zufall zu verantwortende Suche nach einem Mörder zu konzentrieren, fügt Dirk van den Boom ein wenig übermütig eine zweite bzw. wenn die beiden Menschen getrennt ermitteln sogar dritte Handlungsebene ein, die eher wie eine Karikatur als wirklich eine heiße Spur erscheint. Am Ende werden die üblichen Verdächtigen festgenommen bzw. ausgeschaltet. Zur Ehrenrettung des ansonsten unterhaltsam, aber angesichts Dirk van den Booms Potential zu einfach erzählten Plots, dreht der Autor auf den letzten Seiten noch einmal auf. Er wirft das bisherige Konzept als signifikante Kette von Zufällen, an deren Ende ein Ergebnis steht, das die anfängliche Aufgabe nicht hergibt, einfach über Bord und lässt insbesondere Daxxel in einfacher “Columbo” Manier ermitteln. Auch hier hätte der Autor mit einigen Anspielungen auf bekannte Fernsehdetektive das Geschehen würzen können. Die Schlussfolgerungen sind im Grunde logisch und für den Leser nachvollziehbar, alleine das von Dirk van den Boom aufgebaute Kartenhaus zerfällt vor den Lesern, ohne seine ganze Höhe erreicht zu haben. Das liegt sicherlich auch in der Tatsache begründet, das der Leser die Sitten und Gebräuche der fremden Völker ausschließlich aus dritter, erzählender Perspektive erfährt und das erste Opfer - der MacGuffin des Romans - Dhloma im Mangels Möglichkeiten eher fremd bleibt. Vielleicht hätte sich Dirk van den Boom den Raum nehmen sollen, Dhloma dem Leser ausführlicher vorzustellen. So
Werden die zahlreichen potentiellen Inkarnationen - Karrierediplomat, Drogendealer, Abhörspezialist, Ambivalenz im Privatleben - zwar in erster Linie von einem überraschten wie verstörten Daxxel eruiert, am Ende hat man so viel widersprüchliches über den armen toten Diplomaten erfahren, das man sich kein abschließendes Bild mehr machen kann oder machen möchte.
Während der exotische Hintergrund überzeugend, aber hinsichtlich der “Fremdartigkeit” der Außerirdischen eher den letzten “Rettungskreuzer Ikarus” Romane entsprechend ist, hat sich Dirk van den Boom unterschiedliche Mühe gegeben, seine beiden wichtigsten menschlichen Protagonisten zu charakterisieren. Es lohnt sich, mit der attraktiven Zant zu beginnen. Sie ist deutlich entschlossener, mutiger ohne Dirk van den Booms Hang zu waffenfetischistischer Übertreibung gezeichnet, wobei positiv für den Gesamtroman der Saarbrücker auf jegliche erotische Beziehung zwischen ihr und Daxxel verzichtet. Geschickt umschifft er sämtliche Assistentinnenklischees, steht ihr auch Fehleinschätzungen zu, lässt sie aber auch sehr zielstrebig und entschlossen agieren. Als Marine und offiziell für die Sicherheit der Botschaft zuständig gehört Josefine Zant zu Dirk van den Booms besten weiblichen Protagonisten. Mit ihr hätten die Menschen die Tentakel wahrscheinlich schon im ersten Band der Trilogie wieder zurück zu den Sternen geschickt.
Daxxel ist deutlich weniger gelungen. Sicherlich kein dummer, blauäugiger Junge möchte der Leser ihm mehr als einmal einen kleinen Schubser geben. Im Grunde überwiegend passiv versucht Daxxel für sich das Chaos zu ordnen, das sich mehr und mehr um ihn zusammenzieht. Am Ende findet er dank Deduktion und eher freier Assoziation den Mörder, wobei die finale Konfrontation dialogtechnisch gut, aber handlungstechnisch ein wenig zu distanziert, zu simpel konzipiert worden ist. Daxxel fehlt irgendwie ein wenig Profil, als wenn Dirk van den Boom ihm - nachvollziehbar - keine mit Retief vergleichbaren Züge geben wollte, auf der anderen Seite aber nichts Adäquates gefunden hat. So erscheint sein Protagonisten manchmal wie in einer Art charakterlichen Vakuum, viel Potential wird angedeutet, zu wenig davon gehoben.
Plottechnisch variiert der Autor geschickt ruhige Ermittlungspassagen, einige wenige Actionsequenzen und ausführliche Beschreibungen einer nur auf den ersten Blick wirklich exotischen Welt, die eher aus zahlreichen Vorbildern des reichhaltigen Science Fiction Universums zusammengesetzt worden ist.
Zusammengefasst ist “Eobal” sicherlich kein schlechter Roman. Mit zu wenig für Dirk van den Boom so charakteristischen dunklen Humor unterhält der Plot solide. Mit wenigen Änderungen hätte die Geschichte auch im “Rettungskreuzer Ikarus” Universum spielen können, wobei mit knapp einhundertsiebzig Seiten der Plot ein wenig zu gedrängt und phasenweise mit spitzem Bleistift konstruiert erscheint, während Dirk van den Boom in seiner “Tentakel” Trilogie sowie den ersten beiden Bänden der “Kaiserkrieger” Saga freier und intuitiver erzählt hat. Die beiden Protagonisten - Daxxel müßte eher noch ein wenig ausgearbeitet werden, Josefine Zant wünscht man eine Begegnung mit den Menschenfressenden Außerirdischen -sind reif für weitere Abenteuer.
19. Jul. 2011 - Thomas Harbach
Der Rezensent
Thomas Harbach

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