Begraben
Dr. Cyrille Blake hat praktisch alles, was sie sich nur wünschen kann: einen Ehemann, der für seine Forschungen für den Nobel-Preis nominiert wurde, eine eigene Klinik, in der sie traumatisierte Patienten behandelt, ein schönes Haus in Paris und genügend Geldmittel, um ein sorgenfreies Leben führen zu können.
Auf dieses fällt unerwartet ein Schatten: Ein junger Mann, Julien Daumas, bittet sie um Hilfe, da er von furchtbaren Albträumen gequält wird. Er behauptet, sie habe ihn bereits vor zehn Jahren behandelt, als sie an einer anderen Klinik als Assistenzärztin tätig war. Seltsamerweise kann sich Cyrille überhaupt nicht an ihn erinnern – und sie entdeckt noch mehr Lücken in ihrer Vergangenheit.
Um sich Klarheit zu verschaffen, was mit ihr nicht stimmt, lässt sie sich untersuchen: negativ. Sicher ist nur, dass bestimmte Erinnerungen unterdrückt werden und sie die Hilfe eines Experten benötigt, um wieder Zugriff zu erhalten. Gegen den Willen ihres Mannes Benoît fliegt sie nach Bangkok, um sich mit einem Spezialisten zu treffen.
Zu ihrer großen Enttäuschung sagt Sanouk Arom den Termin kurzfristig ab. Inzwischen weiß Cyrille, dass Benoît seine Finger im Spiel hat, doch wie tief er in eine Angelegenheit verstrickt ist, die weit über das hinausgeht, was ihr und auch Julien einst widerfuhr, ahnt sie noch immer nicht – bis sie in tödliche Gefahr gerät …
Die Inhaltsangabe wird dem Buch nicht gerecht, doch würde man zu viel vorwegnehmen, verriete man mehr.
„Begraben“ fesselt von der ersten Seite an: Man wird kurz in den arbeitsintensiven Alltag der Hauptfigur Cyrille Blake eingeführt, die plötzlich befürchten muss, an einer ähnlichen Störung zu leiden wie ihre Patienten. Ab dem Auftauchen von Julien Daumas gerät ihr Leben immer weiter aus den Fugen. Sie muss nicht nur um ihre geistige Gesundheit fürchten, sondern auch um ihre Ehe und ihre Klinik. Obendrein hat sie Grund zu der Annahme, dass ihr mysteriöser Patient gefährlich ist – und das scheint sich zu bestätigen. In der Hoffnung, kompetente Hilfe zu finden und das Rätsel um ihre Gedächtnislücken zu lösen, begibt sie sich nach Thailand und deckt dort erst das wahre Ausmaß eines Verbrechens auf, an dem sie selber womöglich Anteil hat.
Die Handlung ist voller Details, die sich wie Mosaiksteinchen nach und nach zum Gesamtbild zusammenfügen. Früh spürt man, dass sich etwas Bedrohliches zusammenbraut, für Cyrille und andere, doch wann wird es passieren und wie? Medizinische Fachtermini – die Autorin arbeitet als Wissenschaftsjournalistin für ein französisches Wissenschaftsmagazin und gilt als Expertin auf dem Gebiet der Gehirn- und Emotionsforschung - verleihen der Geschichte Authentizität, ohne den Leser zu überfordern. Fasziniert folgt man den Ausführungen, so wenige, wie möglich, so viele, wie nötig, die gelungen integriert wurden und so das Ärzte- und Forscher-Milieu plastisch und nachvollziehbar beschreiben.
Zahlreiche realistisch aufgebaute Charaktere erfüllen ihre Rollen. Problemlos kann man sich jede Figur vorstellen, mit denen Cyrille auf der Suche nach ihrer Vergangenheit zusammentrifft. Nicht jeder ist der, der er vorgibt zu sein, und so manches Mal schenkt sie dem Falschen ihr Vertrauen mit entsprechenden Konsequenzen. Es gibt einige grausame Szenen, die nicht dem Selbstzweck dienen und verdeutlichen, wie sich die Lage für die Protagonistin und ihre Freunde zuspitzt.
Die Story ist spannend und frei von Längen – ein wahrer Pageturner. Elena Sander schreibt routiniert, flüssig und unterhaltsam und spricht mit „Begraben“ Thriller-Freunde an, die Lektüren mit gehobenem Niveau schätzen. (IS)
29. Okt. 2011 - Irene Salzmann
Der Rezensent
Irene Salzmann

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Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...
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