Das Labyrinth der Engel
Paris im frühen 17. Jahrhundert: Der Tod von Mutter und Kind während der Geburt ist Gang und Gäbe. Das Hôtel-Dieu ist einer der wenigen Orte, an denen Frauen aus den unteren sozialen Schichten Hilfe erhalten von ausgebildeten Hebammen. Estiennette Rimbauld, die sich ins Kloster zurückgezogen hat, ohne Nonne zu werden, leitet als Oberhebamme diese Abteilung. Sie gerät in eine prekäre Situation, als das geheime Aufnahmebuch gestohlen wird, in dem alle Gebärenden und ihre Kinder eingetragen sind.
Estiennette bittet ihre Freundin Louise Bourgeois, die Leibhebamme der Königin, um Hilfe. Diese nutzt ihre Beziehungen, um Informationen zu erhalten, wer die junge Frau ist, die offenbar aus einer angesehenen Familie stammt und unter falschem Namen entbunden hat. Die sich häufenden merkwürdigen Vorkommnisse lassen den Schluss zu, dass die Unbekannte in großer Gefahr schwebt.
Doch auch für diejenigen, die zu neugierig sind, spitzt sich die Lage zu. Auf die beiden Hebammen werden Anschläge verübt, und es gibt Tote. Obendrein scheint jemand den Ruf der Hebammen schädigen und sie als Hexen diffamieren zu wollen. Vielleicht ein Arzt, der den Frauen ihre Kenntnisse, die ihm als Mann verschlossen bleiben, neidet?
„Das Labyrinth der Engel“ ist ein historischer Krimi, der an realen Schauplätzen spielt und sich belegter Persönlichkeiten wie die Hebammen Louise Bourgeois und Estiennette Rimbauld bedient. Durch ihren Beruf leben sie in einer eigenen, vergleichsweise aufgeschlossenen Welt und betreiben eine Gratwanderung zwischen Anerkennung, wenn sie Leben retten, und Verfolgung, wenn sie Patienten verlieren oder sich aus Mitleid zu einer Abtreibung hinreißen lassen. Auf ihrem Gebiet verfügen sie über umfassendes Wissen, wie es kein Arzt oder Bader besitzt.
Während die eine Protagonistin in höchsten Kreisen und in der Nachbarschaft tätig ist, hat sich die andere der Pflege der Ärmsten gewidmet. Zu Estiennettes Patientinnen zählen Mütter mit mehr Kindern, als sie versorgen können, und unverheiratete Frauen, die gezwungen sind, ihre Kinder heimlich zur Welt zu bringen und sie zu verbergen.
Eine solche wird zum Dreh- und Angelpunkt von Geschehnissen, deren Wurzeln einige Jahre zurückreichen und die mit einem großen Geheimnis verbunden sind. Rückblenden unterbrechen regelmäßig die laufende Handlung, um Stück für Stück das Bild zu ergänzen, bis die Zusammenhänge deutlich und am Schluss alle Antworten gegeben werden. Sowohl durch diesen Aufbau als auch durch die Vorkommnisse, die nicht alle unmittelbar miteinander zu tun haben, sowie die persönlichen Kümmernisse der Charaktere wirkt die Geschichte verschachtelt und lädt zum Raten ein.
Daraus bezieht sie auch ihre Spannung, denn die Autorin setzt auf realistische Schilderungen und glaubwürdige Charaktere, statt durch billige Action-Szenen den einfachen Weg zu gehen, um den Leser bei der Stange zu halten.
In Folge wendet sich der Roman an ein Publikum, das einen hieb- und stichfesten historischen Background und nachvollziehbare Protagonisten zu würdigen weiß. Die Handlung ist eher ruhig und mit einer sanften, aber konsequenten Spannungskurve versehen. Auf Action wird verzichtet. Die Romanze mit Hindernissen ist ein wichtiger Bestandteil des Falls, der den Krimi nicht verwässert.
Hat man „Das Labyrinth der Engel“ erst einmal zur Hand genommen, will man das Buch nicht mehr beiseite legen, bevor man die letzte Seite gelesen hat und alle Rätsel gelöst sind. Abbildungen, ein Nachwort der Autorin, ein Personenverzeichnis und ein Glossar runden ab. (IS)
09. Nov. 2011 - Irene Salzmann
Der Rezensent
Irene Salzmann

Total: 1065 Rezensionen
März 2018: keine Rezensionen
Irene Salzmann, Jahrgang 63, verheiratet, drei Kinder, studierte mehrere Semester Südostasienwissenschaften und Völkerkunde an der LMU München.
Schon seit Jahren schreibt sie phantastische und zeitgenössische Erzählungen, die zunächst in den Publikationen der nicht-kommerziellen Presse erschienen sind. In den vergangenen Jahren w...
[Weiterlesen...]
[Zurück zur Übersicht]
|