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Sternwolke und Eiszauber
„So überschreitet die Schwelle und tretet ein in den Traum“ fordert Uschi Zietsch auf ihrer Website die Leser auf, die mutig oder auch neugierig genug sind, sich in ihr Träumendes Universum zu wagen. In meinem Fall war es der Zauberer Kelric, der mich an die Hand nahm und durch einen märchenhaften Roman führte.
Sieben Romane und eine Kurzgeschichte gehören bislang zum Träumenden Universum. „Sternwolke und Eiszauber“ erschien 1986 und liegt nun in einer behutsam überarbeiteten Fassung vor. Der Roman sorgte bei seinem Erscheinen auf dem von englischsprachigen Titeln beherrschten Markt für Furore, stammte er doch von einer deutschsprachigen Autorin, die ein Feuerwerk von Ideen zündete. Heyne nahm sich damals des Romans an, heute erscheint er im Fabylon Verlag.
Ich war vor dem ersten Lesen sehr gespannt, ob der Roman um Kelric, den legendären Zauberer des Träumenden Universums, auch heute noch so fasziniert wie vor über fünfundzwanzig Jahren. Bei manchen Büchern funktioniert es, sie haben nichts von ihrer Ausstrahlung verloren; andere betrachtet man liebevoll wie Verwandte, die in ihrer Jugendzeit festhängen und immer noch Leggings und Jacketts mit Schulterpolstern tragen.
Nun, man merkt „Sternwolke und Eiszauber“ sein Alter nicht an. Die Geschichte ist zeitlos.
Kelric lebt als Ziegenhirt bei seinen Eltern, und da in dem Jungen eine ungeheure Kraft schlummert, bekommt die Familie eines Tages Besuch von einer Gruppe Zauberer. Und obwohl Kelric und seine Eltern den Trennungsschmerz kaum ertragen, macht sich der Junge auf den weiten und gefährlichen Weg in die Zaubererschule. Viele Abenteuer erwarten ihn auf diesem Weg, doch das ist erst der Anfang. Als Kelric mit siebzehn Jahren seine finale Prüfung ablegt und die Entbehrungen erkennt, die ein Leben als Zauberer mit sich bringt, steht er erst am Beginn eines langen und abenteuerlichen Lebens. Hier endet der erste Teil des Romans, und der zweite beginnt knapp vierzig Jahre später. Der Junge von einst ist bereits zu Ruhm und Ehren gekommen, hat seinen Platz als Retter der Menschheit eingenommen. Zauberer haben in ihrem Leben vornehmlich eine Aufgabe: Sie bewahren die Existenz der Menschheit. Und Kelric wird sich bewähren und der Aufgabe, auf die er ein Leben lang vorbereitet wurde, stellen müssen.
Beim ersten Lesen war ich sehr verblüfft über die Lücke von beinahe vierzig Jahren, die Uschi Zietsch zwischen Teil eins und zwei erschafft. Das ist eine ebenso ungewohnte wie geniale Vorgehensweise, und liest man das Buch ein zweites Mal, weiß man, dass es die richtige Entscheidung war. Kelric erlebt in der kurzen Zeit, die geschildert wird, so unglaublich viel, dass unmöglich auch noch die „fehlende“ Zeit in ein Buch von normalem Umfang gepasst hätte! Wie bereits oben gesagt, die Fantasie der Autorin explodiert förmlich auf den 233 Seiten des Romans. Es gibt natürlich die gesamten Charaktere des Genres, die nicht fehlen dürfen, wie beispielsweise einen Drachen, aber viel beeindruckender ist das, was Uschi Zietsch selbst erschafft. Von magiebegabten wilden Tieren über starke und eigensinnige Frauen und recht grausige Rituale (nun, eines zumindest) – bis zu Göttern, die einander bekämpfen, hat jedes Geschöpf im Träumenden Universum seinen von der Schriftstellerin erschaffenen, ich möchte lieber sagen: erträumten Platz.
Die Fülle des Romans und seiner Figuren geht zuweilen etwas zulasten der Plausibilität, manches geschah einfach zu schnell wie beispielsweise das Umschwenken des späteren Freundes von Kelric, Melwin, der dem Jungen zu Beginn recht verächtlich seinen Platz als Ziegenhirt zuweist, dann aber umgehend zu seinem Freund und Mentor wird. Aber das ist Kritteln auf hohem Niveau, es stört den Lesefluss nicht, vor allem, weil man immerzu damit beschäftigt ist, die nächste wundersame Begebenheit zu erleben, den nächsten skurrilen Charakter kennenzulernen.
Beide Teile des Romans haben ihre ganz eigene Stimmung, zu Beginn herrscht eine verspielte, neugierige Atmosphäre, die abrupt mit der oben erwähnten Prüfung und dem grausamen Ritual endet, das Kelric zum Zauberer werden lässt. Im zweiten Teil beherrscht der Kampf „Gut gegen Böse“ das Terrain, es wird düsterer und verzweifelter.
Fazit: Eine Zeitreise zurück in die 80er gibt es nicht, dafür aber einen Ausflug in ein unbekanntes, träumendes Universum.
18. Feb. 2013 - Gunda Plewe
Der Rezensent
Gunda Plewe

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Gunda Plewe wurde 1971 am Niederrhein geboren, und ihr Lebensweg verlief bis zum 3. Semester ihres Germanistikstudiums schnurgerade und zielgerichtet auf eine Tätigkeit im Universitätsbetrieb hin – zu diesem Zeitpunkt war ihre Vorstellung von einem idealen Leben die, in einem Elfenbeinturm zu sitzen und Mörike-Gedichte zu interpre...
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