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Der Middle-Temple-Mord
“Haben Sie sich denn schon einen Plan zurecht gelegt?“ ![]() Zum Inhalt: Frank Spargo macht sich nach einem langen arbeitsreichen Tag, um halb drei in der Frühe auf den Weg nach Hause. Als Junggeselle ist er es gewohnt derart lange in der Redaktion zu bleiben. Als er auf dem Nachhauseweg von der Fleet Street aus, durch die Middle-Temple-Lane schlendert, trifft er dort auf den Polizisten Driscoll, der gerade zu einem Mordfall hinzugerufen wurde. In einem der Hauseingänge wurde ein unbekannter Mann erschlagen aufgefunden. Der einzige Hinweis ist ein Zettel in der Hand des Ermordeten, auf dem der Name eines jungen Rechtsanwalts namens Ronald Breton vermerkt ist. Frank Spargo ist von dem Fall derart fasziniert, dass er seinen Chefredakteur bittet diesen Mord vorrangig bearbeiten zu dürfen und gleichzeitig als Berichterstatter zu fungieren. Mehr noch, Spargo beabsichtigt selbst in dem Fall zu ermitteln, was den behäbigen Scotland Yard-Beamten Detective-Sergeant Rathbury keineswegs zu stören scheint. Im Gegenteil der Polizist scheint über jede Unterstützung erfreut zu sein und bietet dem Journalisten sogar einen Informationsaustausch an. Spargos erster Weg führt ihn logischerweise zu Breton, wo er nicht nur dessen Braut kennenlernt, die der junge Anwalt demnächst zu ehelichen gedenkt, sondern auch deren überaus attraktive Schwester. Auch mit Bretons Ziehvater, dem älteren Anwalt Mr. Elphick, wird Spargo schließlich bekannt gemacht. Breton begleitet Spargo ins Leichenschauhaus, um den Toten zu identifizieren, muss aber zugeben, den Ermordeten noch nie zuvor gesehen zu haben. Er kann sich auch beim besten Willen nicht erklären, wie dieser an seine Adresse gekommen ist. Doch es gibt bereits zwei weitere Spuren, denn zufälligerweise kennt Mr. Elphick jemanden, der in der Middle Temple Lane, unweit des Tatortes, wohnt, und zum anderen hat Scotland Yard herausgefunden, dass die Reisemütze des Toten von einem bestimmten Hutmacher in London stammt, der die Kopfbedeckung zu Händen eines gewissen Mr. Marbury ins Anglo-Orient-Hotel geschickt hat. Damit scheint die Identität des Toten geklärt zu sein, doch noch ist Spargo weit entfernt davon die Lösung des Rätsels in Händen zu halten. Glücklicherweise gibt es aber genügend Hinweise, denen er nachgehen kann und sogar vereinzelte Zeugen, die aufgrund des Artikels, den Spargo im Watchman veröffentlicht hat, sich an Mr. Marbury erinnern können. So gelingt es dem Journalisten nach und nach die letzten Stunden im Leben des Ermordeten zu rekonstruieren. Noch ahnt Frank Spargo nicht, welch schreckliches Drama er im Begriff ist aufzudecken … ![]() Der Autor des Romans heißt J. S. Fletcher, wobei die Initialen für Joseph Smith stehen, einem zu seiner Zeit sehr erfolgreichen Schriftsteller, der jedoch in Amerika weitaus mehr Berühmtheit erlangt hat, als es ihm in England vergönnt gewesen war. Das lag vermutlich mit daran, dass Präsident Wilson den vorliegenden Roman in den Reigen seiner Lieblingsbücher aufgenommen hat. Immerhin wurde dem Schriftsteller mit der Figur der von Angela Lansbury gespielten Hobby-Detektivin J. B. Fletcher, in der TV-Serie „Mord ist ihr Hobby“ ein namentliches Andenken gesetzt; nachzulesen in dem ausführlichen Vorwort von Rob Reef. ![]() Ich hatte das Glück den Roman während eines verlängerten Wochenendes in London, beziehungsweise auf der Reise dorthin, lesen zu dürfen, und war begeistert von der flüssigen Schreibweise und der glasklaren Ermittlungsarbeit. Faszinierend ist vor allen Dingen die stete Konzentration auf den Fall selbst. Fletcher schweifte in keiner Sekunde vom Thema ab, hat es aber auch nicht für nötig erachtet den Leser mit billiger Effekthascherei bei der Stange zu halten. Der Mord ist nicht unnötig brutal geschildert worden und es werden auch keine weiteren Menschen getötet. Natürlich liegt das Hauptaugenmerk des Romans auf den Hinweisen und den Fakten zur Tat, so dass die Figuren, mit Ausnahme des Protagonisten und der unmittelbar betroffenen Personen, recht oberflächlich charakterisiert worden sind. Besonders Detective-Sergeant Rathbury teilt hier das Schicksal vieler Scotland Yard-Ermittler seit Inspektor Lestrade (siehe Sherlock Holmes). Zwar gelingt es ihm den einen oder anderen Hinweis an Land zu ziehen, die Hauptarbeit leistet allerdings der Journalist Frank Spargo. Wer anhand des Klappentextes befürchtet, zugleich mit einer kitschigen Liebesschnulze belästigt zu werden, der darf beruhigt sein, denn die sich anbahnende Romanze mit der Schwester von Bretons Braut ist absolute Nebensache und für den Plot der Geschichte völlig ohne Belang. Der Roman ist an keiner Stelle langweilig und in sich vollkommen schlüssig und nachvollziehbar. Ein kleines Meisterwerk der Kriminalliteratur. ![]() Die Middle-Temple-Lane liegt tatsächlich in der Nähe der Fleet Street, die zu der damaligen Zeit als das Herz der englischen Presse galt, was heute jedoch nicht mehr der Fall ist. Wie der Name es bereits sagt, führt die Middle-Temple Lane mitten durch den sogenannten Temple. Der bekannte Baedeker-Reiseführer schreibt dazu: „Am Temple Bar Memorial auf der Fleet Street führt rechts ein kleiner Torbogen in den Temple, ein liebenswürdig-verträumtes georgianisches Häuser- und Gassengewirr – und Juristenschule“ Den Namen hat der Temple übrigens erhalten, weil dort der 1119 in Jerusalem gegründete Templer-Orden seinen englischen Sitz hatte. Nach der blutigen Zerschlagung des Ordens fiel der Besitz zurück an die Krone und wurde dem Earl of Pembroke vermacht. Nach dessen Tod hat ihn der Johanniterorden übernommen, der den Bezirk schließlich im Jahr 1346 einer Gemeinschaft von Rechtsgelehrten überließ. Seitdem ist der Temple das Quartier der Rechtsanwälte. Noch heute, was man unschwer an den geschäftsmäßig gekleideten, geschäftig wirkenden Männern und Frauen erkennen kann, die dort besonders häufig anzutreffen sind. Im Inner-Temple findet man übrigens auch die berühmte Temple Church, die Templer-Kirche, in der neun Grabfiguren von Tempelrittern, gefertigt aus schwarzem Mamor, zu finden sind (12. bis 13. Jh.) ![]() Es ist jedesmal aufregend für mich, wenn ich die tatsächlichen Schauplätze fiktiver Geschichten besuche und mir vorstelle wie die Protagonisten vor Ort agiert haben sollen oder wie der entsprechende Autor sich vielleicht selbst hat inspirieren lassen. Straßen, Gassen und Schauplätze von Fletchers Roman sind jedenfalls absolut authentisch, obwohl die Geschichte auch ohne diesen Bonus absolut lesenswert und packend ist. Flechter schuf damit schon vor hundert Jahren eine raffinierte Schnitzeljagd, wie man sie heute leider nur noch selten zu lesen bekommt. ![]() LITERRA EMPFIEHLT
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