Von Joachim Leitner
Innsbruck – Der Germanist Johannes Holzner beschreibt Karl Schönherr als „Meister der Komprimierung“. Und tatsächlich: Auf das Nötigste reduziert, ja beinahe abstrakt liest sich die Konstellation von Schönherrs bekanntestem Drama „Der Weibsteufel“. Eine Dreiecksgeschichte: zwei Männer, eine Frau. Die ist zunächst willenlose Spielfigur männlicher Intrigen – und wird zur Strippenzieherin. Macht, Lust und Verführung auf engstem Raum. Ein Stoff, wie gemacht für die Oper, die es wie keine andere Kunstform versteht, aus einem konsequent getakteten Uhrwerk ein Kraftwerk der Gefühle zu machen.
Als Kammeroper für Violine, Violoncello, Klarinette, Klavier und Hackbrett hatte „Der Weibsteufel“ am Freitag in den Kammerspielen des Tiroler Landestheaters Premiere. Musikalisch geleitet wurde die Uraufführung vom Ersten Kapellmeister des Tiroler Symphonieorchesters, Seokwon Hong.
Bestechend Florian Bramböcks präzise Partitur. Der Innsbrucker Komponist erarbeitete eine psychologisch mitreißende Studie, die nie eitel in den Vordergrund drängt – und trotzdem mehr leistet, als das Offensichtliche zu illustrieren. Dunkle Vorahnungen sind erahnbar, aufflammender Zorn, Verzweiflung werden punktuell hervorgehoben. Trotzdem: Hier steht die Musik im Dienst der Worte, verweigert sich selbstzweckhafter Verkünstelung. Sie treibt die Handlung an, rhythmisiert, gestaltet aus. In besonders dringlichen Momenten verstummt sie allerdings diskret, Zentrale Sätze glänzen. Landestheater-Intendant Johannes Reitmayr hat das 1914 entstandene Stück zum Libretto verknappt. Seiner urwüchsigen Wucht beraubt hat er es nicht.
Die spiegelt sich auch in Ausstattung und Dekor (Michael D. Zimmermann) wider: Der niedrige Bühnenraum der Kammerspiele wird durch einen schräg nach hinten flüchtenden Boden unterstrichen. Ein Käfig von beklemmendem Blau, in dem sich das „Weib“ (Sophie Mitterhuber) aufzulösen droht. Dem kaum weniger Unheil verheißenden Rot der Außenwelt wird sie sich zögernd angleichen: Ob Freiheit hier tatsächliche Befreiung bedeutet, bleibt freilich fraglich.
In kleinen Gesten verleiht Mitterhuber ihrer Figur Tiefe. Vor allem die von Regisseur Dale Albright feinsinnig choreografierte Interaktion mit Johannes Wimmer, der als „Jäger“ mit mächtigem Bass misstrauisch schmachten darf, überzeugt. Etwas blasser, aber bestechend in seiner brüchigen Bedrohlichkeit Florian Stern als „Mann“.
Der liegt bereits tot auf dem Tisch, als zum Abschluss eines hochkonzentrierten Abends alles in einen letzten Pistolenschuss zu münden droht. Albright verzichtet glücklicherweise darauf: Knalleffekte aus dem Theatermuseum hat dieser „Weibsteufel“ nicht nötig. Langer Applaus und verdiente „Bravos“ aus dem nicht ganz ausverkauftem Publikumsraum.
"Das Weib" (Sophie Mitterhuber hier mit Johannes Wimmer)
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