Im Berliner Verlag binooki in Kreuzberg ist in diesem Jahr der Erzählband „junge verlierer“ von Emrah Serbes erschienen. Nach einem inspirierenden Besuch im März am Messestand des Verlages in Leipzig hatte ich nur noch einen Gedanken – ich musste dieses Buch lesen. Und konnte einfach nicht aufhören. Nun ist das Buch nominiert für die Hotlist 2014 und in wenigen Tagen öffnet die Buchmesse in Frankfurt ihre Türen.
Der 1981 geborene Autor lebt in Istanbul und gilt dort als „Schriftsteller und Stimme des Volkes“ – seitdem er im Sommer 2013 aktiv an den Gezi-Protesten gegen den türkischen Premierminister Erdogan teilgenommen hatte. In seinem Erzählband geht es um Jungs aus Istanbul, Ankara und Yalova, die alle die gleichen Sehnsüchte in sich tragen: endlich erwachsen zu werden, Respekt zu bekommen, cool zu sein, sich zu verlieben. Manchmal ergeben sich Situationen, die tragisch und komisch zugleich scheinen. Selten aber klingt einer der Jungs verzweifelt, niemals schwach. Einfühlsam beschreibt Serbes Teenager, die gleichzeitig männlich und stolz sowie kindlich und sensibel sind.
Mir fiel auf, dass die Mädchen/Frauen bei Serbes wie auf einem Foto mit Weichzeichnereffekt wirken. Zart, empfindsam, schüchtern. Die Grundstimmung der Stories ist eine optimistische. Schließlich gibt es immer einen Weg – egal, ob in meiner Lieblingsgeschichte „Omas Tod“, die zwar tragisch beginnt, bei mir aber während des Lesens das eine oder andere Grinsen hervorlockt und schließlich glücklich endet, oder im „Ruf des Meeres“ mit dem 8-jährigen Oman und dem Mädchen Sedef.
Serbes verleiht seinen Figuren so viel pralles Leben und eine solche Fülle an Emotionen, dass ich sie filmisch vor meinem inneren Auge sehen konnte. Erhan, Osman, Nurettin – jeden habe ich tief in mein Herz geschlossen. Manchmal habe ich innegehalten und gedacht, „so ticken Jungs also“.
Manche Situationen in „junge verlierer“ sind echt hart und katapultieren mich in eine Welt archaischer Familienstrukturen. Erziehen heißt leider manchmal auch schlagen. Männer der alten Generation spielen in den Familien oft noch eine dominante Rolle. Doch wird dagegen rebelliert und selten eine Vorschrift akzeptiert. So ist das Buch von Serbes auch eine Kampfansage junger Leute an alte Strukturen. Nicht nur in der Türkei. Es könnte überall spielen. Auch in Berlin, New York, London, Paris.
Gedanklich war ich dennoch mit all meinen Sinnen in der Türkei und im Kopf lief immer eines dieser herzzerreißend schönen Lieder, wie man sie hier in Kreuzberg aus manchem Autofenster hören kann.
Emrah Serbes: junge verlierer. Aus dem Türkischen von Oliver Kontny. binooki 2014, 176 Seiten, 16,90 €. Bei ocelot.de könnt ihr das Buch jetzt sofort und portofrei bestellen oder das eBook für 9,99 € downloaden.
Herzlichen Dank an masuko für diesen Gastbeitrag! Die Rezension ist zuerst auf dem Blog masuko13 erschienen.
Bisherige Rezensionen zur Hotlist 2014:
» Sarah Schmidt: Eine Tonne für Frau Scholz (Verbrecher Verlag)