27 Programme und 0 Zukunft?
Die SRG ist unverzichtbar. Jedenfalls gehört die Unverzichtbarkeit zum Selbstverständnis der SRG und gilt Bundesrat und Parlament als Mass ihrer Medienpolitik. Noch. Was in Granit gemeisselt schien, wurde am 26. September 2014 erschüttert. Das Volk nahm das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen mit der knappsten Mehrheit von 0,2 Prozent an; lediglich in acht Ständen wurde dafür votiert, in 18 dagegen.
Im Nachhall dieses Schusses vor den Bug entscheidet der Souverän am kommenden 4. März über die Initiative „Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren“. Es geht – während Jahrzehnten ein unpatriotischer, ungeheuerlicher und unsittlicher Gedanke – um Sein oder Anderssein der SRG.
Logik der Digitalisierung
Revolutionär ist die Fragestellung nicht. Sie ergibt sich aus der Logik der Digitalisierung. Überraschen kann nur, dass das Schicksal der SRG erst jetzt mit starker Resonanz debattiert wird.
Die SRG ist mit einer Tatsache konfrontiert, die andere Bereiche längst prägt und unerbittlich herausfordert. Die digitale Brandung erfasst unseren Alltag bis in den hintersten Winkel und lässt – unvollständig aufgelistet – bei den Zeitungen, den Banken, der Mobilität, im Detailhandel, im Tourismus, in der Industrie keinen Stein auf dem anderen.
Würde die SRG von den Umwälzungen verschont, wäre es ein Wunder, auf das zu hoffen weder Glaube noch Gebete ausreichen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der traditionellen Form durchläuft seine Endphase. Verlangt sind die Befreiung aus der Schockstarre und ein unbefangenes Nachdenken über den Sinn, der künftig gestiftet werden könnte.
Jedes Medium hat seine Zeit
Diese Notwendigkeit schmerzt und weckt den nostalgischen Traum von der Rückwärtsdrehung des Rades, verliert aber nichts von der überrollenden Kraft. Die Familien, die im trauten Halbkreis vor den Empfangsgeräten sitzen, sind Vergangenheit. Die Jungen zeigen den SRG-Programmen, auch wenn diese sich um Knackiges und Freches bemühen, die kalte Schulter. Die Gemeinde der Zuhörenden und Zuschauenden wird flüchtiger und älter.
Hingegen wächst die Zahl jener enorm, die sich audiovisuell mit dem iPhone, Laptop oder Tablet versorgen, die über Facebook, Twitter und Instagram kommunizieren, die Streaming Media schätzen und sich mit Spielkonsolen unterhalten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und Radio und Fernsehen überhaupt büssen massiv an Faszination, Attraktivität und Akzeptanz ein. Das sind die harten und handlungsbestimmenden Fakten.
Der Rundfunk, der Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Radio begann und nach dem Ersten Weltkrieg ums Fernsehen erweitert wurde, ist heute dort, wo einst die Produzenten von Stummfilmen und analogen Tonträgern waren, die Kinobesitzer, die Verleger von Zeitungen und Büchern: an einem Wendepunkt, der ein Umdenken und eine Neuorientierung erzwang. Jedes Medium hat seine Zeit.
Kampf auf verlorenem Terrain
Ausgerechnet jene politischen Kreise, die der SRG Schutz vor den Unbilden des Wettbewerbs garantieren wollten, manövrierten sie in die Sackgasse. Die SRG fühlte sich ermuntert, sich an ihr strukturelles Gestrüpp aus zentralistischen und föderalistischen, unternehmerischen und basisdemokratischen Komponenten zu klammern, sich mit der Vervielfachung ihrer Programme zu behaupten und auf einem Terrain zu kämpfen, das durch technologische Entwicklung und gesellschaftlichen Wandel auf einen Nebenschauplatz reduziert ist.
Von ihm aus wird es immer vergeblicher, dem Zusammenhalt der Willensnation zu dienen, zwischen den Generationen und den Bevölkerungsschichten Brücken zu schlagen und in der demokratischen Meinungsbildung die Führerschaft zu beanspruchen. In aller Nüchternheit: Tempi passati.
Verhängnisvoller Schutz
Vor diesem Hintergrund war es ein Schildbürgerstreich der Extraklasse, erstens die Konzessionsgebühren in eine Steuer umzuwandeln und zweitens die fiskalische Pflicht auf alle, auch auf Nichtbesitzer von Empfangsgeräten, und zusätzlich auf Unternehmen auszudehnen. Mit der Steuersenkung ab 2019 auf einen Franken pro Tag wird der psychologische Schaden nicht geheilt.
Als noch unglücklicher muss die Weigerung der Politik bezeichnet werden, vor der Abstimmung über das Radio- und Fernsehgesetz eine breite Debatte über Inhalt und Umfang des Service public zu führen. Es bleibt ein Unbehagen zurück, das auch die Abstimmung über die „No-Billag-Initiative“ belastet und wiederum die SRG in Mitleidenschaft zieht, die hätte abgeschirmt werden sollen.
Glaubwürdige Redimensionierung
Um am 4. März vom Regen nicht in die Traufe und von dort in die stürmische See zu geraten, werden die SRG und ihre Befürworter all ihre Kreativität für die Formulierung überzeugend frischer Argumente mobilisieren müssen. Ohne ins Programm geschmuggelte Abstimmungswerbung.
Die mit Klagen untermalte Verteidigung des Status quo genügt keinesfalls. Auch die Beschwörung der staatstragenden Rolle wird als Singsang verpuffen. Die laute Beteuerung, die Programmqualität zu verbessern, dürfte – weil ohnehin eine Daueraufgabe – als Ablenkungstaktik die Wirkung verfehlen.
Aus der alarmierenden Situation könnte sich die SRG befreien mit einem so glaubwürdigen wie raschen Bekenntnis zur Redimensionierung. Das ist die neue Unverzichtbarkeit und hiesse, sich als Alternative zu den kommerziellen Sendern zu profilieren und den Service public präzis und eng zu fassen. Das hiesse auch, die Verwaltung zu straffen, die Kosten und dadurch die Rundfunksteuer namhaft zu senken und unter die Bedrängung der Zeitungsverlage einen Schlussstrich zu ziehen.
Dann hätte die SRG die Zeichen der Zeit verstanden mit der Chance, am 4. März zu gewinnen und frei von finanziellen Sorgen ihre Zukunft zu gestalten. Frei auch vom Irrtum, die Vergangenheit in die Ewigkeit retten zu müssen.
Herr Bänninger hält sich über die Form auf, während es über Inhalte gehen müsste: Die Art des Medienkonsums hat sich stark gewandelt. Doch daraus zu schliessen, dass die SRG darum überholt ist, ist unzulässig. Konkret in meinem Fall: Ich besitze kein TV-Gerät und höre und sehe fast alle Medienprodukte zeitversetzt über Internet - eine technische Möglichkeit, um die ich sehr froh bin. Was ich suche, ist fundierte, möglichest objektive Information. Die ist im Internet nicht so leicht zu finden - man findet alles, wie wir wissen. Da gebe ich gerne 450 oder 400 oder 365 CHF pro Jahr aus für Information, von der ich ausgehen kann, dass sie mit bestem Wissen und Gewissen von Journalisten und Fachleuten recherchiert ist, deren Sendungen ich auch bei einer unabhängigen Stelle beanstanden kann, wenn ich das Gefühl habe, sie seien unsauber oder einseitig. Wie alte Hasen der Schweizer Medienlandschaft wie Roger Schawinski und Dominik Kaiser (die der SRG grundsätzlich kritisch gegenüberstehen) schon sehr früh dargelegt haben, geht es am 4. März eben nicht um "Sein oder Anderssein" der SRG, sondern um "Sein oder Nichtsein". Was ist die Alternative zur SRG? Noch mehr ungesicherte Information aus schwer eruierbaren Quellen von Leuten, denen es egal ist, dass ein Genfer anders tickt als ein Bündner.
"Warten auf Taten" der SRG ist wie "Warten auf Godot"!
Dass es bei der Abstimmung im März um ein Verbot öffentlicher Medienfinanzierung geht und nicht um die Definition des Service Public ist ja klar. Dass man meinem Arbeitgeber digitale Abstinenz unterstellt ist nun aber etwas gar schräg. Es ist der Gesetzgeber, der die SRG im Digitalen zurückbindet. Konsequente Modernisierung des medialen Service Public wäre ja, wenn die SRG mit ihren öffentlich finanzierten Inhalten online das jüngere Publikum erreichen dürfte. Was Verleger nicht wollen. Da liegt die „Schuld“ nicht beim öffentlichen Medienhaus. Klar ist: Man sollte über die notwendigen Inhalte und deren Qualität debattieren, spätestens nach dem 4. März. Am liebsten unabhängig vom Verbreitungskanal aus meiner Sicht.
Brückenzerstörer haben ausgedient, Brückenbauern gehört die Zukunft - danke für dieses Stück!
Auch der schwerste Narzisst hat eine zweite Chance verdient, die Schuld an seinem Unglück nicht immer bei anderen sondern bei sich selbst zu suchen, zu finden und sich zu bessern!
SRF hat noch vier Monate Zeit über USA versus Russland / China neutral zu berichten, sich beim Publikum für ihre Teerung und Ganserung eines Friedensforschers zu entschuldigen mit einer SRF-Arena mit Ganser für den Frieden, zu berichten über die mittlerweile Besetzung aller Machtzentren durch Psychopathen im weiteren Sinn, über deren unserer Gesellschaft kollektiv übergestülpte "Psychopathie" als Neoliberalismus, über imperiale Regime changes und Angriffskriege wider das Völkerrecht, über das Verbergen der Opfer des (Neo)kolonialismus unter einem "Carbon footprint", dessen Abdruckgrösse man durch CO2-Ablasshandel auch noch verkleinern kann, über den Genozid im Jemen mit westlichen Bomben und Cholera, über die selbstverständlich endlich notwendige partielle Rückverteilung von ganz oben in die Mitte und nach unten anstatt immer noch weiteren Sozialabbau, etc. pp. Und Frau BR Leuthard, meines Erachtens keine schwere Narzisstin, hat vier Monate Zeit zu erklären, dass unsere Gebühr für die SRG SSR idée suisse selbstverständlich in Zukunft sozial über die Steuern erhoben wird.
Geschieht dies alles, bin ich der erste, der sein Couvert mit Nein einwirft.
Die SRG brauche ich nicht mehr. Die Unterhaltung bekomme ich überall und die Mainsteam-Meinungen ebenfalls. SRG öffnet sich nicht, ist unkritisch, vor allem gegenüber dem US-Diktat. Kein schweizerischer Widerstand, keine echte, kritische, objektive Auseinandersetzung im geopolitschen Bereich. Tabus werden gepfelgt und verteidigt. Kritische Fragen zu Flüchtlingsursachen, 9/11-, Kennedymord-, Maidan und Ukraine werden als "Verschwörungstheorien" abgetan, Hintergrundsendungen von Kriegsvorbereitungen sind einseitig und manipulativ. Das gleiche gilt übrigens auch für das Radio, obschon dort anteilmässig bessere Sendungen ausgestrahlt werden.
Ganz genau, Sie treffen den Nagel exakt auf den Kopf. Das Ganze Theater kommt mir vor, wie die "too big to fail"- Debatte. Wie blöd muss man denn sein, auch hier - mit dem Geld des kleinen Mannes - wieder eine Firma zu retten, die nicht wirklich für unser Wohl sorgt?
Die Totengräber tarnen sich als Verteidiger: Ideologisch drapiert sich die SVP als schweizerischste aller Schweizer Parteien. Faktisch jedoch zerstört sie mit viel politischer Energie mutwillig die Grundlagen des Erfolgsmodells Schweiz: Privatisierung der Swisscom, der SBB (hier aber nur die Bahnhöfe, weil rentabel!) und der AHV (weil Privatassekuranz Parteien und Politiker besser schmiert). Und natürlich Demontage der SRG. Auch hier dem kleinkarierten privaten Profit wegen.
Wer diesen Leuten Schützenhilfe leistet, und die SRG jetzt auch noch runtermacht, hat wenig begriffen. Insbesondere auch nicht, dass über die direkte Demokratie hinaus auch die Schweizer Wirtschaft ein eminentes Interessen an starken und seriösen Programmen mit guten Reichweiten hat, die ein vernünftiges Publikum erreichen. Die SVP-Alternative zur SRG heisst Berlusconsierung. Wer das will, soll mal nur 1 Abend lang italienisches TV schauen (oder 10 Minuten Tele-Blocher). Wer danach nicht "guet Nacht am Schatte!" sagt, und im Frühling NEIN stimmt, dem ist kaum noch zu helfen. Niklaus Ramseyer, BERN
Genau, diese Pfründe gilt es aufzuheben. Unser Staatsrundfunk entwickelte sich zu einer Art Priesterkaste, zwangsalimentiert wie vor 1521. Zudem ist unsere SRG die teuerste Zwangsalimentierte in West-Europa.
Programme und Total der Gebühreneinnahmen abspecken!
Von 1987 bis 1990 betrugen die SRG-Gebühren Fr. 279.60, 2017 sind es Fr. 451.10, also plus 61,3 Prozent. Der Index der Konsumentenpreise stieg von 1987 bis 2017 aber nur um 43 Prozent. Zudem hat die Bevölkerungszahl von 1987 bis 2016 um 1,87 Mio oder 29 Prozent zugenommen. Die Gebühreneinnahmen der SRG betrugen 2016 1,3 Mia CHF. Das ist rund das Doppelte von 1987. Damit konnte im Laufe der Jahre eine grosse Programmausweitung finanziert werden, obwohl die zusätzlichen Nutzer keine zusätzlichen Kosten für die SRG verursachten! Es ist erstaunlich, dass sich Politikerinnen und Politiker erst jetzt gegen diese enorme Steigerung der Gebühreneinnahmen der SRG und der damit verbundenen Ausweitung des Service public wenden.
Zum Glück hat eine Partei - die SVP - die Diskussion um Programme und Gebührenhöhe lanciert, wohl auch im Eigeninteresse. Die Bedeutung der SRG für den politischen Diskurs ist aber so gross, dass sich auch die andern Parteien schon längst damit hätten auseinandersetzen sollen. Der Service public der SRG muss ein ständiges politisches Thema werden. Nicht einmal der damit beauftragte Bundesrat hat sich in der Vergangenheit sichtbar damit beschäftigt. Und sorry, die Programmkommission und die Mitglieder der SRG-Trägerschaft sind zum grössten Teil Claqueure der SRG. Wie leider bei vielen öffentlichen oder halböffentlichen Unternehmungen kennen die Ausgaben nur eine Richtung: nach oben.
Die SRG soll nicht zerschlagen werden. Viele Programmteile sind in Ordnung. Die No-Billag Initiative ist mir eigentlich viel zu radikal. Wenn sich aber das Parlament, der Bundesrat und die SRG selbst bezüglich Programminhalten und Gebühreneinnahmen weiterhin in Richtung "weiter wie bisher" bewegen, sehe ich mich gezwungen dieser Initiative zuzustimmen.
Schon die Prämisse ist falsch. Es geht heute leider nicht um „Sein oder Anderssein“ der SRG. Sondern um deren totale Abschaffung. Das ist ein nicht unerheblicher Unterschied... Sollte es jedenfalls sein für jemand, dem das Kulturangebot in diesem Land eigentlich am Herzen liegen müsste.
Die weitere Argumentation im Artikel liefe, zweitens, auf eine faktische Halbierung des Unternehmens hinaus. Auf das Postulat der SVP. Die Halbierung ist nur zu haben, wenn man grosse Bereiche abstösst. Und damit auch Publika. Nur: Gebühren für ein Medienunternehmen mit noch zehn Prozent Quote zahlt keiner. Dass die SRG, drittens, nicht begriffen habe, dass das digitale Zeitalter begonnen hat, ist eine törichte Unterstellung. Sie wird noch törichter, wenn der Autor dann die neue Gebührenerhebung als „Schildbürgerstreich der Extraklasse“ bezeichnet. Nachdem er zuvor wortreich erklärt hat, dass man heute die Medienangebote primär über Computer und Handy bezieht, verlangt er implizit, dass man für die Gebühren weiterhin die Anzahl von Rundspruch-Empfängern zählt.
Kritik an der SRG muss sein, die SRG muss sich auch weiter verändern, keine Frage. Aber damit, dass man die Zustände in der SRG bis ins Unkenntliche karikiert, unterstützt man meines Erachtens primär deren Abschaffung.
Richtig ist, dass die Medienlandschaft zur Zeit umgepflügt wird. Wer sich wie in welcher Form behaupten wird, weiss niemand. Dass die SRG nicht alles so lassen kann, wie es jetzt gerade ist, ist auch klar - übrigens haben sich Programmstrukturen und -angebote in den letzten 20 Jahren radikal verändert, hat das niemand bemerkt?
Die Vorschläge an die SRG in diesem Artikel kommen allerdings nicht über nichtssagende Leerformeln hinaus. Was heisst bitteschön "den Service public präzis und eng zu fassen" konkret? Ein Freund des Tennissportes versteht unter "Service public" sehr präzis etwas ganz anderes als beispielsweise in Interessierter an aktueller Wirtschaftspolitik. "Service public" ist halt ein Wundergefäss, in das sich beliebig viele Leerfomeln publizistisch wirksam servieren lassen .
Ein profunder Artikel aus berufenem Munde bzw. aus der Feder eines medienerfahrenen Autors, der sowohl Führungsfunktionen beim Schweizer Fernsehen als auch in der mediennahen Bundesverwaltung ausgeübt hatte. Hoffentlich werden seine Ausführungen auch von zuständiger Warte an der Spitze von SRG, UVEK und jenen politischen Parteien, die der SRG immer noch "Staatsschutz von gestern" zukommen lassen wollen, gebührend zur Kenntnis genommen - vor und nach der "No-Billag"-Volksabstimmung!
@Herr Reimann: Werden Sie sich noch öffentlich äussern bzw. engagieren? Auch wenn Sie meinem Arbeitgeber kritisch gegenüberstehen, ist es gerade von konservativer Seite wichtig zu hören, wie Sie den Service Public definieren.