Alle übertrumpft
In der Nacht auf Mittwoch stand aller Wahrscheinlichkeit nach das Unfassbare fest: ABC News meldete aus dem Studio am Times Square in New York, der Republikaner Donald Trump würde wohl mit zwei Siegen in Pennsylvania, Michigan oder Wisconsin die nötige Mehrheit von 270 Elektorenstimmen gewinnen und am 20. Januar 2017 nach der Vereidigung vor dem Kapitol als neuer Amtsinhaber ins Weisse Haus einziehen. Hillary Clinton, frühere First Lady, Senatorin und Aussenministerin, hatte gegen einen Konkurrenten verloren, der zwar über ein übergrosses Ego, aber keine politische Erfahrung verfügt. Noch aber mochte sie um zwei Uhr ihre unerwartete Niederlage nicht eingestehen und ihre Anhänger, teils in Tränen, zogen unverrichteter Dinge aus dem Javits Center in Manhattan ab.
Die Demokratin lag in letzten nationalen Umfragen zwar noch um drei bis vier Prozentpunkte vorn, doch dieser Vorsprung hat sich in den einzelnen Bundesstaaten am Wahltag verflüchtigt. Prognose-Guru Nate Silver schätzte Clintons Siegeschancen zwischenzeitlich auf 78 Prozent ein, nur um sie im Verlauf des Abends auf 20 Prozent zu senken.
„Kick the bastards out!“
Arroganz und Wunschdenken waren offenbar stärker als nüchterne Analyse und gesunder Menschenverstand – auch unter jenen Medienvertretern, denen der designierte Präsident vorgeworfen hat, Teil einer globalen Verschwörung zu sein. Auch dürften etliche Bürgerinnen und Bürger erst in der Abgeschiedenheit der Wahlkabine ihrer wahren Überzeugung Ausdruck gegeben haben: Amerikas „schweigende Mehrheit“ hat sich laut und deutlich zu Wort gemeldet. Die „Budweiser-Trinker“ haben sich, wie es ein ABC-Experte formulierte, gegen die „Starbucks-Klienten“ durchgesetzt, das Volk hat sich gegen die Eliten erhoben: „Kick the bastards out!“
Donald Trumps Sieg ist Ausdruck eines nationalen Malaises, dessen Ausmass jene Aussenstehenden (der Schreibende inbegriffen) fast sträflich unterschätzt haben, welche die Gründe für Amerikas dysfunktionales politisches System eher in der politischen Klasse in Washington DC als unter zornigen Segmenten der US-Bevölkerung orteten. Dem Republikaner gelang es, zum Sprachrohr jener überwiegend weissen und weniger qualifizierten Amerikaner zu werden, die im Zeitalter der Globalisierung und multilateraler Handelsabkommen den Anschluss an einen sich rasch wandelnden Arbeitsmarkt verpasst haben und als ökonomische „Nebenschäden“ auf der Strecke geblieben sind.
Outsider gegen Insiderin
Ihr Verlangen nach einem Wechsel und ihr Zorn auf das sogenannte Establishment waren grösser als die Skepsis gegenüber einem Kandidaten, dessen Charakter und Eignung für das höchste Amt im Staat äusserst fragwürdig sind. Die Wählerschaft hat am 8. November einen ungetesteten Outsider einer unpopulären Insiderin vorgezogen. Dass Latinos und weisse College-Abgänger in grösserer Zahl demokratisch wählen gingen als 2012, hat als Gegengewicht nicht ausgereicht, um einen New Yorker Milliardär zu verhindern, der sich als Fürsprecher des kleinen Mannes ausgibt. Und der als eine seiner ersten Amtshandlungen Präsident Barack Obamas Reform des Gesundheitswesens rückgängig machen will, die bei allen Schwachpunkten immerhin 20 Millionen Menschen zu einer Krankenkasse verholfen hat.
Donald Trump versprach, Amerika wieder gross zu machen, als sei die mächtigste Nation der Erde tief gefallen und bedürfe eines Retters. Und er appellierte gezielt an die niederen Instinkte seiner Anhänger: an Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, Rassismus und Anti-Semitismus. Er weckte Furcht, Ressentiments und Hass, ohne näher zu erläutern, wie er die real existierenden Probleme lösen würde. Gleichzeitig ist es ihm auch gelungen, unter den Bewohnern des ländlichen Amerikas Hoffnungen zu wecken auf mehr Jobs, auf höhere Einkommen, auf grössere soziale Anerkennung, wie unberechtigt diese Erwartungen auch sein mögen. Hillary Clintons Botschaft dagegen war verschwommener und vager: „Stronger Together“ – zusammen stärker.
Und wo Donald Trump konkret wurde, etwa mit dem Vorhaben, an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen zu lassen, elf Millionen illegale Einwanderer zu deportieren oder Muslimen die Einreise in die USA zu verweigern, waren es Versprechen, die sich so kaum werden umsetzen lassen und schon gar nicht, ohne dem Land nachhaltigen Schaden zuzufügen – im Innern wie im Äussern.
Märkte reagieren negativ
Trumps Mittel im Wahlkampf waren die eines Demagogen, wenn nicht eines Faschisten, und einen solchen Präsidenten im Weissen Haus und in Kontrolle von Nuklearwaffen zu wissen, muss die Welt zutiefst beunruhigen. Unter Donald Trump wird Amerika auf jeden Fall unberechenbarer, was angesichts gravierender internationaler Krisen wie des Krieges in Syrien, des Konflikts in der Ukraine und der schwelenden Flüchtlingskrise wenig Gutes verheisst. Entsprechend haben die Märkte umgehend mit Kursstürzen auf seinen Sieg reagiert. „Warum wählen“, fragte die „Detroit Fee Press“ am Wahltag auf ihrer Frontseite. Eine der Antworten: „Weil die ganze Welt zuschaut.“
Fraglich ist auch, ob es Donald Trump angesichts seiner Persönlichkeit gelingen wird, eine Nation zu einen, deren Gräben – zwischen Arm und Reich, Schwarz und Weiss, Eingesessenen und Immigranten, Stadt und Land – im Wahlkampf immer unübersehbarer geworden sind und sich mit patriotischer Rhetorik allein nicht werden überbrücken lassen. Wichtig wird für ihn (und die Nation) sein, sich im Weissen Haus mit kompetenten Leuten zu umgeben, die als erwachsenes Korrektiv zu seinem mitunter kindlichen Temperament fungieren. Zweifellos wird er den vakanten Sitz im neunköpfigen Obersten Gericht mit einem konservativen Richter besetzen, was bei Themen wie der Abtreibung oder der Pressefreiheit unter Umständen wenig Gutes verheisst.
Anders als erwartet die republikanische Partei, werden nun die Demokraten in sich gehen und sich fragen müssen, wie sie künftig jene Menschen im Lande erreichen wollen, die allenfalls auch mit zugehaltener Nase Trump gewählt haben. Angesichts des Umstandes, dass sie wohl die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses behalten, dürften die Republikaner nur wenig Anlass sehen, ihre Politik zu überdenken und Konzessionen bei Themen wie Steuersenkungen oder dem Kampf gegen den Klimawandel zu machen. Donald Trump selbst hat einmal gesagt, ihm genüge eine Amtszeit, um Amerikas Probleme zu lösen, er müsse gar nicht wiedergewählt werden. Dass er selbst zum Problem werden könnte, daran denkt er nicht.
Schade lediglich für diese Website, Herr Staub, wäre es, wenn nur Sie in Ihrem Artikel und nicht auch ein Grossteil der demokratisch legitimierten Repräsentanten - nicht nur der us-amerikanischen Bürger - mit schädlich arroganten Klischees operierten. Von, wie Sie es formulieren, solchen, die als "weniger qualifiziert [...] im Zeitalter der Globalisierung und multilateraler Handelsabkommen den Anschluss an einen sich rasch wandelnden Arbeitsmarkt verpasst haben und als ökonomische „Nebenschäden“ auf der Strecke geblieben sind" oder bleiben werden, gibt es - unabhängig von ihren Trinkgewohnheiten und tatsächlich auch unter "Latinos und weissen College-Abgängern" - mehr an der Zahl, als Trump-Wähler. Andererseits (nur 16 „Battleground states“) wählten wohl viele auch der gutsituierten GOP-Wähler einfach den zugehörigen Kandidaten.
Im Kontext des Wahlausgangs, wie beschrieben, "Gründe für Amerikas dysfunktionales politisches System" ausmachen zu wollen, erscheint paradox. Imho ist das jetzige Votum, wie auch schon die zugunsten Herrn Obamas, Ausdruck desselben Verlangens eines erklecklichen Teils der Wählerschaft: Die Politiker haben gefälligst Ideen zu haben, wie der "nationalen Malaise", kurz- mittel- oder langfristig, beizukommen ist, und der Gesetzgeber hat für die Rahmenbedingungen zu sorgen, die vonnöten sind, um jene (gegen die Interessen des "Establishments") umsetzen zu können.
Erstklassiger als unter einer Floskel wie „Make Murica great again“ liessen sich "Hoffnungen [...] auf mehr Jobs, auf höhere Einkommen, auf grössere soziale Anerkennung" unter der - nüchtern betrachtet gar nicht mal so "verschwommenen und vagen Botschaft" - „Stronger Together“ subsumieren. Eine Reflexion darüber, warum Frau Clinton dies nicht tat, ist im Grunde weitaus interessanter, als die unreflektierte Allegorie, dass man "allenfalls auch mit zugehaltener Nase Trump" wählen könne. Ich hoffe, abschliessend gehen wir wieder d'accord, dass solch ein Verhalten, im Falle dieses, wie auch aller anderen mauerbauenwollenden Populisten, die Grenze zur Boshaftigkeit überschritte.
Als Ratschlag für die z.T. etwas selbstgerechten (imho...) verdienten älteren Herren von J21: Lesen sie mal diesen (selbstkritischen) bemerkenswerten Artikel in der New York Times: http://www.nytimes.com/2016/11/09/business/media/media-trump-clinton.html
Ein Zitat daraus: "It was clear that something was fundamentally broken in journalism, which has been unable to keep up with the anti-establishment mood that is turning the world upside down." Es steht dort auch einiges über die oft unreflektierte Haltung vieler Journalisten (das Wort "bigotry" wird verwendet). Leute: mehr Bescheidenheit! Runter vom hohen Ross. Und statt "meinungsstark" mal sagen wenn man's halt nicht weiss.
Das IST Demokratie! Nicht das Ende davon, wie Journalisten sagen. Wir werden noch sehen, was es in Europa bedeutet, nie auf das Volk zu hören.
Unbeeindruckt vom Geschehen ging die Sonne auf, so wie immer.
Kaum aufgestanden, das Radio ein. Donald Trump neuer US Präsident. OK! Eine Demokratie hat gewählt. Dann las ich die Einschätzung von EX-Diplomat Thomas Borer und begriff, Suppen werden nicht so heiss gegessen wie gekocht. Europa wird mehr Selbstverantwortung übernehmen müssen und die Schweiz eine Erhöhung ihres Militärbudgets, sprich mehr Verteidigungsbereitschaft ins Auge fassen. Ansonsten sind wir mit den Republikanern immer gut gefahren und wenn er, US-Präsident Trump sich von einer unipolaren Weltsicht wegbewegt, könnte die Welt sogar friedlicher werden.
Hoffnung stirbt zuletzt!.. cathari
Für mich eine satte Überraschung, aber zweifellos kein Gau! Denn auch in den USA gelten nicht die Worte eines Polit-Kandidaten von gestern, sondern seine Taten als Amtsträger von morgen. Zudem ist er keine Einzelmaske, sondern er ist eingebettet in ein System namens US-Administration, wo er nicht einfach tun und lassen kann, wie ihm behagt. Und wem in der Schweiz diese Wahl nicht behagt, der möge schlicht und einfach zur Kenntnis nehmen: Die US-Zivilgesellschaft hat es so gewollt!
H. Clinton wäre für den Anspruch der Macht-Eliten die weltweite Führungsmacht zu sein gestanden. Und im Gegensatz zu B. Obama spielen bei H. Clinton weniger die Soft-Faktoren die entscheidende Rolle sondern viel mehr die militärische Stärke und militärische Intervention. Sie schwärmt auch von einer Flugverbotszone in Syrien; was selbst viele US-Generäle ablehnen.
Von den Top-Politologen in Riad und Dubai bis zu A. Rasmussen, P. Poroschenko und M. Saakaschwili schwärmen alle Bellezisten von einem Machtantritt H. Clintons. Vergebens!
Was soll diese Einlassung? Sie haben den Artikel doch offenkundig nicht mal gelesen. Google-Translator-Produkte dieser Qualität, mit denen Sie momentan Websites mit schweizerischer TLD bespammen, posten Sie bitte in passenderen einschlägigen Kommentar-Bereichen (wie z. B. dem von sputniknewsdotcom), wo es es in der Regel auch keiner Interpunktion bedarf.