Am besetzten Paradeplatz

Tobias Meier's picture

Am besetzten Paradeplatz

Von Tobias Meier, 16.10.2011

Jean Ziegler war nur via Telefon mit dabei. Der frühere Swiss Re-VR-Präsident und Rechtsprofessor Peter Forstmoser wurde live mit einem Klappvelo gesichtet. Die samstägliche Protestversammlung "OccupyParadeplatz" bot ein buntes Sammelsurium von Slogans, Typen und Träumen.

„Für eine Revolution fragt man nicht um Bewilligung“, erinnerte ein Teilnehmer an der Generalversammlung letzter Woche, wo hauptsächlich beschlossen wurde, möglichst wenig zu beschliessen. Also kein Organisationskomitee, kein einheitliche Forderung, kein Bewillingungsantrag bei der Stadtpolizei. „Verändern heisst nicht gehorchen“ lautet dementsprechend eines der zahlreichen Schilder, Transparente und Fahnen am Tag der Besetzung.

Karneval der Ausdrucksformen

Am Samstag schwappte die globale Empörungswelle auf den Zürcher Paradeplatz. Es war fröhlich und blieb friedlich. Das Mikrofon stand jedermann zur Verfügung, um den Grund seines Protests zu erläutern. Es wurde musiziert, Fussball gespielt, jongliert, gekifft, grilliert.

An einem Klapptisch vor dem Tramhäuschen wurde Backgammon gespielt, mitten auf der Traminsel richtete ein Grüppchen sein Wohnzimmer ein – Teppich, Sofa, Kaffeetisch. Es war ein Karneval der Ausdrucksformen, man kam verkleidet und geschminkt, ein achtköpfiges Detachement der "Gold Armee" in Militäruniform mit Lametta-Epauletten übte vor der Credit Suisse die Zugschule.

Jean Ziegler und Peter Forstmoster

Zu den erwarteten Gästen zählte Jean Ziegler, der dann doch das Flugzeug aus Paris verpasste, die Demonstrierenden aber per Telefon ansprach. Ganz der Medien-Profi brachte er seine Botschaft in einer Minute druckreif hinüber: Er diagnostizierte eine existentielle Bedrohung der Schweizer Gesellschaft durch die Grossbanken, empfahl deren Verstaatlichung, und forderte die strafrechtliche Verfolgung ihrer Führungsmitglieder. Abschliessend wünschte er den Versammelten „revolutionäre Geduld“.

Eher unerwartet vielleicht Peter Forstmoser (Ex-VR-Präsident Swiss Re und emmeritierter Rechtspofessor) auf dem Klappvelo am Rande des Geschehens. Auf Anfrage meinte er, er könne verstehen, dass viele Menschen frustriert seien. Ein nettes Lächeln, dann radelte er weiter.

Keine Alternativen?

Die Polizei hielt sich diskret zurück, bzw. in ihren warmen Wagen in den Seitenstrassen auf. Unbeeindruckt vom Menschenauflauf zeigte sich ein Englischer Beobachter des Geschehens: „Die sind einfach gegen Wallstreet, aber echte Alternativen haben sie nicht.“ Ein amerikanischer Passant, der angab zweimal jährlich nach Zürich zu reisen, stellte klar, dass dies nichts sei im Vergleich wie er damals gegen Vietnam protestiert habe. Done that, been there.

Für den aus Frauenfeld angereisten Gesprächspartner dagegen, Jahrgang 68, ist es bloss der erste Schritt zur Abschaffung des „Systems“. Er führt aus, es gehe schnell, von der Vergangenheit in die Zukunft, von Atlantis zu den Freimaurern, kosmischen Schwingungen, der Ermordung JFKs. Und einen wichtigen Link will er noch per E-mail schicken.

„Ubs, I did it again“

Auch ohne Organisation läuft alles geordnet ab. Abfallsäcke sind reichlich angebracht, freiwillige Peacekeepers in orangen T-shirts deutlich erkennbar. Am Stand der „Tee Party“ steht man geduldig Schlange für ein heisses Getränk, dazu gibt’s veganisches Chili sin carne. Zur Kollekte bezahlt man was man für richtig hält – „Vielen Bank!“

Am Bücherstand gibt’s intellektuelles Futter (Lenin: Staat und Revolution), die UNIA, die jungen Grünen, aber auch das Swiss Zeitgeist Movement markieren Präsenz. Die Slogans drücken die Meinungen („Geld killt“) und Forderungen („Hast du die Krise gesehen? Sie schuldet mir Geld!“) der Versammelten aus. Andere witzige Solgans: "My Boni is over the ocean" oder "Ubs, I did it again".

Dene wos guet geit

Doch es geht es nicht nur um die Rolle der Banken und die Wirtschaftskrise. OccupyParadeplatz ist eine Sammelstelle für alle von der Politik nicht aufgenommenen Forderungen, auch „Free Gaza“ passt dazu. Das Zitat des Liedermachers Mani Matter bringt die Sache auf den Punkt: „Dene wos guet geit/ giengs besser/ giengs dene besser/ wos weniger guet geit.“

shukran für den Bericht.

"At the dances I was one of the most untiring and gayest. One evening a cousin of Sasha, a young boy, took me aside. With a grave face, as if he were about to announce the death of a dear comrade, he whispered to me that it did not behoove an agitator to dance. Certainly not with such reckless abandon, anyway. It was undignified for one who was on the way to become a force in the anarchist movement. My frivolity would only hurt the Cause. I grew furious at the impudent interference of the boy. I told him to mind his own business. I was tired of having the Cause constantly thrown into my face. I did not believe that a Cause which stood for a beautiful ideal, for anarchism, for release and freedom from convention and prejudice, should demand the denial of life and joy. I insisted that our Cause could not expect me to become a nun and that the movement would not be turned into a cloister. If it meant that, I did not want it. "I want freedom, the right to self-expression, everybody's right to beautiful, radiant things." Anarchism meant that to me, and I would live it in spite of the whole world — prisons, persecution, everything. Yes, even in spite of the condemnation of my own closest comrades I would live my beautiful ideal."

emma goldman - living my life (1931)

Nachtrag:

Und de dänken i albe de doch wider: lue S'ghört dä und dise ja ou no derzue Und de ghören i doch wider gärn derzue Und i sta derzue

So ghör i derzue, ghöre glych nid derzue Und stande derzue, stande glych nid derzue Bi mängisch stolz und ha mängisch gnue Und das ghört derzue.....De Verein vom

Mani Matter

Das verleidet dene vor em sälber, ( Das verleidet denen von alleine) sagten sich die Maestro`s auf der obersten Chefetagen und schritten zur Geschäftsordnung über. In den Think Tanks aber, arbeiteten einige schon hektisch für den Plan B. Revolution des kleinen Mannes" RdkM" genannt. Sollten diese Würstchen mit dem Unsinn nicht aufhören, werden wir ihnen echt einheizen. Ein warmer Winter könnte diesen Phantasten wirklich gut tun. Wir müssen unbedingt von dieser Sache ablenken, sonst wäre alles für die Katz gewesen. Also sind die Menschen mancherorts in spannunsvoller Erwartung was da noch kommen soll.........denn die,.eben da oben, "dene wos guet geit " verstehen keinen Spass! Das wissen vor allem die:"dene wos weniger guet geit." I han es Zündhölzli azündt Und das het e Flamme gäh Und i ha für d'Zigarette Welle Füür vom Hölzli näh Aber ds Hölzli isch dervo- Gspickt und uf e Teppich cho - Gottseidank dass i's vom Teppich wider furt ha gno S'hätt e Wältchrieg gäh und d'Mönschheit wär jitz nümme da.

SRF Archiv

Newsletter kostenlos abonnieren