Der Populismus braucht Feindbilder

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Der Populismus braucht Feindbilder

Von Heiner Hug, 21.02.2018

Das Fernsehen eignet sich wunderbar dazu. Doch jetzt geschieht Erstaunliches.

Es begann Anfang der Siebzigerjahre. Der Berner Professor Walther Hofer kämpfte mit seiner „Radio- und Fernsehvereinigung“ gegen linke Tendenzen in der SRG. Sein Kampf sei erfolgreich gewesen, sagte Hofer gegen den Schluss seines Lebens.

Diese Ansicht teilen viele seiner Nachfolger ganz und gar nicht. Noch immer pflegen rechtspopulistische Kreise, vor allem die SVP, das Bild vom „linken Fernsehen“.

Die SRG versucht, Euch „eine linke Gesinnung einzuimpfen“, sagte SVP-Nationalrat Roger Köppel im Januar an der SVP-Delegiertenversammlung in Confignon bei Genf. Und weiter: „Dafür bezahlen Sie auch noch.“ Seit Jahren führen die Rechtspopulisten einen Kampf gegen das Fernsehen. Fordert man sie auf, konkrete Belege vorzulegen, schweigen sie.

Populisten inszenieren sich seit jeher gern als Opfer der Machthaber und der dominierenden Medien, vor allem des Fernsehens.

Man schürt Ängste und Unbehagen vor dem „Koloss Fernsehen“, dieser riesigen, unheimlichen, bedrohlichen, fast kafkaesken Anstalt. Dort, hinter den Mauern am Leutschenbach, kennt man die Kniffs und Tricks, wie man das Volk manipuliert und hinters Licht führt.

Die Populisten leben davon, dass sie Feindbilder züchten. Sie geben sich als Märtyrer, die für das Volk kämpfen. „Wir wollen nicht länger Opfer sein. Wie Winkelriede werfen wir uns in die Lanzen der linken Meinungsmacher.“ Nichts macht soviel Energie frei, wie der Kampf gegen einen Feind. Und nichts einigt so sehr wie die Wut auf einen gemeinsamen Gegner. Ist kein Feind vorhanden, muss man einen erfinden. Und vor allem: Man muss die Empörung gegen den angeblichen Feind stets bewirtschaften.

Die Taktik funktioniert, nicht nur in der Schweiz. Auch bei Linkspopulisten. Dort sind die Kapitalisten, die Ausbeuter die Zielscheibe.

Doch die Rechtspopulisten pflegen die Feindbild-Kreuzzüge raffinierter und professioneller und hatten damit lange Zeit Erfolg. Sie hatten schon früh das Potential entdeckt, mit Stimmungsmache gegen die Medien Kapital zu schlagen. Das „mächtige“ Fernsehen bot sich als Geschenk des Himmels an.

Die No-Billag-Initiative einiger postpubertärer Traumtänzer war da ein Steilpass. Als einzige Partei unterstützt die SVP die Vorlage und hofft, politisches Kapital daraus zu schlagen. Wieder gibt man sich als Märtyrer, die als einzige gegen den „Moloch SRG“ kämpfen. Jahrelang funktionierte die Märtyrer-Taktik.

Doch jetzt geschieht Erstaunliches. Die zweite SRG-Umfrage zu den Stimmabsichten zeigt, dass die Gegner der Initiative weiter zulegen. Jetzt würden 65 Prozent der Stimmenden Nein sagen.

Das Interessanteste jedoch ist: Auch SVP-Sympathisanten sind immer weniger für die Initiative. Die Umfrage zeigt, dass nur noch 56 Prozent der SVP-Wähler die Initiative unterstützen. Das sind 10 Prozent weniger als ein Monat zuvor. „Bestimmt dafür“ sind nur noch 31 Prozent der SVP-Wähler. Für Roger Köppel und Co. sind solche Zahlen eine Klatsche ins Gesicht. Er, der immer behauptet, die andern würden am Volk vorbeipolitisieren, politisiert offenbar sogar an der eigenen Klientel vorbei.

Der Stimmungsumschwung sei angesichts der riesigen Kampagne der SRG-Befürworter nicht erstaunlich, wird die SVP sagen. Ein Delegierter an der SVP-Versammlung in Confignon sprach gar von einer „Psychoterrorkampagne“ der SRG-Befürworter. Wieder einmal geben sich die Parteioberen als Opfer. „Alle sind gegen uns.“ Ja, sogar die Mehrheit der eigenen Mitglieder.

Bedeutet das alles, dass der Kampf gegen das „linke Fernsehen“ nichts mehr einträgt? Ist die Mär von den „linken Meinungsmachern am Leutschenbach“ langsam ausgelutscht?

Die SVP tut gut daran, sich ein neues Feindbild aufzubauen.

Die Nachrichtenauswahl und -vermittlung und die Diskussionssendungen von SRG sind meines Erachtens mehr oder weniger ausgewogen. Das ist nicht das Problem. Problematisch sind die politischen Satiresendungen mit ihren hohen Einschaltquoten, die alle in die gleiche Richtung zielen (Noch schlimmer sind jene von 3sat mit dem Tenor "Alle AfD-Wählende sind Dummköpfe") sowie natürlich die Diskussionsverweigerung um alternative Programmkonzepte, die etwas weniger kosten würden. So gibt es offiziell keinen Plan B zu NoBillag.

Da geschieht effektiv Erstaunliches: Nur noch 33% (+ - 2) der Schweizer Stimmberechtigten möchten ihre SRG abschaffen. Damit können wir nun den Titel setzten: "Schweizerinnen und Schweizer möchten eher noch ihre Armee abschaffen, als ihre SRG". Denn 1989 stimmten 35,6% für die GSoA-Initiative. Beide Ansinnen sind natürlich Unfug (in jedem Land steht eine Armee – entweder die eigene oder eine fremde...). Aber bei No-Billag wollen wir jetzt mehr: Wir wollen über 70% Nein. Oder noch besser. Weniger No-Billag-Ja-StimmerInnen, als SVP-Wählerschaft (28%). Sonst geben die unverantwortlich-unschweizerischen Kahlschlag-Politiker aus Zürich (Köppel, Rutz etc. nie Ruhe.N. Ramseyer, BERN

Herr Hug, welchem Populismus sind denn Sie verpflichtet? Dem Schmäh-Populismus, dem Besserwisser-Populismus. Sie brauchen kein neues Feindbild. Besser wäre es für Sie, sich endlich von diesem unsäglichen Recht-Links-Denken zu verabschieden...
Auch ich werde ein klares Nein zur No-Billag-Initiative einlegen, obschon ich die Meinung von Herrn Köppel teilweise teile.

Interessant dass dieser Leserkommentar als Einziger gegen die Argumentation von Autor Hug publiziert wurde. Und natürlich trotzdem ein Gegner der Initiative.

Wenn es einen Politiker und eine Partei gibt, welche dank der medialen Präsenz im "linken" Schweizer Fernsehen gross geworden ist, dann ist dass die populistische SVP und ihr Besitzer Dr. jur. Christoph Wolfram Blocher!
Dass er jetzt die Hand beisst, die ihn gefüttert hat, hat auch damit zu tun, dass er nun durch sein Medienimperium zum Konkurrenten der SRG wurde und die ihn daher endlich viel kritischer betrachten.
Eines ist jedenfalls sicher. Es hätte nie und nimmer eine NoBillag Initiative gegeben, wenn SRF brav das Blochers Parteiprogramm verbreitet hätte!

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