Der Troublemaker
Jetzt also hat er es getan. Die Israeli freuen sich. Der Prestigeerfolg sei ihnen gegönnt. Aber was bringt das? Israel ist stark und stolz genug, dass es auch ohne diese Anerkennung leben kann. Jedenfalls: die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt ist nicht sein brennendstes Anliegen. Vor allem auch deshalb nicht, weil Jerusalem längst die De-facto-Hauptstadt ist. Die internationalen Diplomaten, die in Tel Aviv ihre Residenzen haben, müssen seit langem nach Jerusalem pilgern, um mit der Regierung in Kontakt zu kommen.
Andererseits könnte Trumps Entscheid viel Ungemach bringen: Eine neue Intifada zum Beispiel, neue Gewalt, neuen Hass, neuen Zulauf zu jihadistischen Terrorgruppen, diplomatische Verstimmungen mit arabischen Ländern, neue Blockaden bei der Friedenssuche.
Ist es die Anerkennung Jerusalems wert, diese Risiken einzugehen und Wunden aufzureissen? Warum tut Trump dies? Es ist zu befürchten, dass er es tut, weil er wieder einmal seine beliebteste Rolle spielt: den polternden Troublemaker, damit er – in klassisch populistischer Manier – in die Schlagzeilen gerät, damit man von ihm spricht, damit er zeigen kann, ich setze mich über alles hinweg: vor allem über alles, was Obama getan hatte. Das tat er mit dem Einreisestopp, mit dem Dreamers-Programm, dem Klima-Abkommen, der Förderung der Kohle, der Verkleinerung der Schutzgebiete der Ureinwohner, dem Atomabkommen mit Iran, das er „the worst deal ever“ nennt. Und so weiter. Weitsichtig ist das alles nicht. Es ist eine Rumpel-Politik, mehr nicht. Vielleicht will er davon ablenken, dass er bisher fast nichts erreicht hat – ausser einem Steuerabkommen, welches die USA eine Billion Dollar kostet – und dem Land vielleicht nicht nur gut bekommt.
Es gibt eine andere Erklärung dafür, die mit der politischen Machtverteilung innerhalb der US Regierung und starken Lobby Verbänden zugunsten Israels innerhalb der USA zu tun haben:
Präsident Trump hat damit die starken Pro-Israel wirkenden Kräfte in der USA auf seine Seite gebracht und damit etwas mehr Bewegungsfreiheit für sich selbst erreicht.
Was halten Sie von diesem Blickwinkel?
Es ist umgekehrt, Herr Plaz. Die angesprochenen Pro-Israel-Kräfte haben Trumps Wahlkampf vorfinanziert und erhalten nun das Objekt ihrer Bedierde: Jerusalem. Sie haben Trump auf ihre Seite gebracht und haben nun nicht nur den Fuss in der Türe zum Weissen Haus, nein, sie stehen mitten im Oval Office. Jared Kushner, Sohn einer zionistischen Unternehmerfamilie, soll nun also der Architekt der offiziellen amerikanischen "Friedenspolitik" sein. Ziel: Grossisrael. Die Zionisten waren nie für eine 2-Staaten-Lösung. Für sie sind die Palästinenser lästige Kakerlaken und sollten entweder zwangseise nach Jordanien und in den Libanon ausgesiedelt werden (entsprechende Flüchtlingslage gibt es in diesen Ländern ja schon), oder sie sollten so lange gedemütigt und entrechtet werden, bis sie von selbst gehen. Das werden die Palästinenser aber nicht tun und sie haben ja alle noch die Besitzurkunden und die Schlüssel ihrer von den Israeli gestohlenen Häuser im Westjordanland. Und diese Dokumente werden von Generation zu Generation weitergegeben. Vielleicht gibt es ja einmal einen Prozess vor einem Internationalen Gerichtshof? Dass Jared Kushner nicht den IQ hat um einen funktionierenden Friedensplan zu erstellen liegt auf der Hand. Und wenn man weiss, dass Zionisten die Lenker der Entscheidungen von Kushner bzw. Trump sind, dann gehen die Palästinenser ganz miesen Zeiten entgegen.
Danke für Ihre Antwort, Herr Kühne.
Man kann es auch so sehen, wie Sie es tun.
Ob sich Präsident Trump aktiv dazu entschlossen hat, oder ob er sich passiv Interessen fügen musste, weiss ich nicht.
Es gibt plausible Erklärungen für beide Möglichkeiten. Die Wahrheit liegt oft in der Mitte ?
Ja, Herr Plaz. Mit Ihrer Argumentation kann ich sehr gut Leben.
Schöne Festtage.
"Ohne Israel wären die Palästinenser Jordanier und Ägypter geblieben, sie sind nur dank Israel Palästinenser."
(Friedrich Dürrenmatt in Zusammenhänge", 1976)
pat meyer: Ich nehme an, dass sie der Meinung sind, dass die Palästinenser nach Jordanien und Aegypten umgesiedelt werden müssen. Weshalb Sie dazu Dürrenmat bemühen müssen ist mit schleierhaft. Allerdings: Der Name Palästina geht auf die Philister zurück. Um 1150 v.Ch. wanderten sie aus der Inselwelt des östlichen Mittelmeers ein. Zwischen Aschkelon und Gaza gründeten sie 5 Städte. Den Namen Palästina prägte Alexander der Grosse, der 333 v.Chr. das Gebiet eroberte. Aus Palästina wurde im Arabischen "Filastin" das "Land der Palästinenser".
Mit der Errichtung des Mandates Palästina (1920) trat Palästina erstmals als eigenständische politische Einheit in Erscheinung und die Abtrennung Transjordaniens als selbstständiges Emirat (1921)
legte die endgültigen Grenzen Palästinas fest. (Aus "Der Nahostkonflikt", von Harald Neidfeind).
In diesem Buch kommt auch der ehemalige Verteidigungsminister,
Moshe Dayan, zu Wort: "Alle unsere Sidlungen sind erbaut auf den Ruinen palästinensischer Dörfer. Ja, wir haben sie nicht nur ausradiert bis auf den Boden, sondern auch ihre Namen aus den Geschichtsbüchern getilgt. Sie haben also triftigen Grund für den Kampf, den sie gegen uns führen. Unser Problem ist nicht, wie wir sie loswerden sollen, sondern wie wir mit ihnen leben können. Wenn ich selbst ein Palästinenser wäre, wäre ich wahrscheinlich ein Fatah-Kämpfer (Zit. aus Armin Wertz, Frieden ohne Gerechtigkeit wird es nicht geben).
Es ist gar nicht Trump: Er setzt mit der Verlegung der US-Botschaft nur einen Beschluss des US-Parlaments um. Es sind auch hier die USA, die sich scheinheilig als "Vermittler" aufspielen und dabei permanent und einseitig die Besatzungs-, Vertreibungs- und Zerstörungspolitik der teils extremistischen israelischen Siedler in Palästina unterstützen. In Ostjerusalem geht das konkret so: Jahrelang verweigern die israelischen (Besatzungs) Behörden palästinensischen Familien Bewilligungen(!) für die Renovation ihrer Häuser. Dann kommen sie und sagen, das Haus sei baufällig. Die Bewohner werden vertrieben (teils mit Waffengewalt). Sofort weht dann auf dem Dach eine Israelfahne – und schon ziehen zionistische Siedler ein. Von "neuer Gewalt" zu reden ist darum eine Verhöhnung der palästinensischen Opfer dieser Unrechts-Politik. Sie erleiden nicht "neue" oder "alte" sondern permanente Gewalt seitens der Besatzer. Und wenn sie sich wehren, werden sie als "Terroristen" für vogelfrei erklärt – und erst recht verfolgt. Das erinnert fatal an das völkermörderische Vorgehen der weisen US-Siedler gegen die Urbevölkerung Nordamerikas. Trump ist nur ehrlich – er zeigt der ganzen Welt offen, welch üble Rolle die US-Regierung auch hier spielt. Niklaus Ramseyer, BERN
Wer Unschuldig ist, werfe den ersten Stein - für den Frieden...
(Da gab es doch tatsächlich eine Luzerner Polit-Popband mit dem sinnigen Namen "Steine für den Frieden".) Herr Ramseyer, glauben Sie tatsächlich das Böse (dasjenige, dass dem andern eine Existenz-berechtung abspricht) sei nur auf der Seite der USA resp. bei den "extremistischen" Siedlern zu finden? Hamas, Intifada, kl. Bomben-angriffe als "natürlicher" Widerstand gegen das absolut Böse? Da
müsste ja nur dieses Absolute ausgerottet werden. Schwupp, wäre
Trump'scher Friede hier! Welch falsches Diktum.
Sehr geehrter Herr Ramseyer, aber dann hätte sich dieser Mann nicht zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika wählen lassen; er steht für Amerika, er hat eine globale Verantwortung - ist die amerikanische Bevölkerung in seiner Geiselhaft? - ein Teil der amerikanischen Bevölkerung steht unter Schock! Er isoliert Amerika in der Welt. Auch in Israel ist ein Großteil der Bevölkerung gegen die Siedlungspolitik u.v.a.m. Das kann man doch nicht ignorieren. MfG km - PS: Es gibt viele Wahrheiten, je nach kultureller Prägung und Mentalität. Es bedarf kluger Leute, sehr kluger Leute, hier den Königsweg zu finden. Das Hau-Ruck-Verfahren führt jedoch m. E. oft ins Desaster...
km
Russland hat im April Jerusalem als Hauptstadt von Israel anerkannt, ohne jede Resonanz in der Presse. Dabei wurde nur vom Westteil gesprochen, Ostjerusalem soll nach Russland Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaats werden.
Die USA haben nun ebenfalls Jerusalem als Israels Kapitale anerkannt. Dabei verwendete Trump ausdrücklich nicht den Ausdruck "ungeteilte" Hauptstadt und sagte, dass die USA eine Zweistaatenlösung unterstützen, falls von beiden Seiten gewünscht; der Status quo in der Stadt solle erhalten bleiben. (Bis auf die Aufhebung der "Staatenlosigkeit", denn bisher war Jerusalem eine Stadt ohne Land.)
Eigentlch sollte es nun natürlich neuen Druck zu einer gütlichen Trennung geben, wie sie unter Arafat schon fast erreicht war (und dann in letzter Minute platzte). Allerdings kann Trump machen was er will, es wird in der arabischen Welt und in Europa sofort dämonisiert.
Auch dieser Akt einer US-amerikanischen "Anerkennung" der Wünsche dieser dominierenden nahöstlichen Ethnie, welcher ja auch Trumps und Clintons Schwiegersöhne u.v.w.m. angehören, schafft weiter noch mehr Reibung, noch mehr Energie, noch mehr Konfliktpotential mit noch mehr Möglichkeiten für gute Deals in der Waffen- und Sicherheitstechnik aller Seiten. Kauft Aktien und Obligationen der Sicherheits- und Rüstungindustrie, Leute!
Danke, Herr Hug, für Ihre Einschätzung. "Troublemaker" ist mir zu sanft - ich wage, ihn "Zerstörer" zu nennen.
"I have delivered to my voters" - das ist ihm das Wichtigste; was auch immer dieser Mann mit solchen unausgewogenen Entscheidungen aufs Spiel setzt, ist ihm "...egal". Ich wünsche mir von Herzen, dass Palestinenser und Israelis zum Frieden finden. Dieser Mann weiß ganz genau, dass er mit seiner Entscheidung einen Brandsatz gelegt hat. Erbärmlich, was dieser Mensch bisher an staatsmännischem Geschick gezeigt hat. Beispiel: Er tanzt mit den saudi-arabischen Größen im Kreise umher und was tut er jetzt, er fällt ihnen in den Rücken. Die Saudis lernen wohl jetzt auch. Den Iran stempelt er als 'den Feind', obwohl dort wie auch in Saudi Arabien versucht wird sich zu modernisieren. Es scheint, dass überall - wo man sich bemüht - ein Dämon in die Suppe spuckt.
Allen Verbündeten etc. ist dieser Emporkömmling in den Rücken gefallen. Kürzlich hat er in GB einen Aufruhr angerichtet mit diesen Re-E-Mails.
Armes Amerika, wie soll das weitergehen? Warum ist dieser Mann noch an der Spitze dieses Landes? Man sieht den Scherbenhaufen wachsen. Wie kann das sein? Er ist brandgefährlich. Sein Busenfreund Steve Bannon arbeitet(nihilistisch) im Hintergrund. Habe gerade "Die Dämonen" von F. M. Dostojewski gelesen. Empfehlenswert, um unsere jetzige politische Welt eventuell besser einzuschätzen. Wir sind durchsetzt von Zerstörern, die es 'genießen', wie die Welt zerbröselt. Diesen Eindruck habe ich persönlich.
km
"Dieser Mann weiß ganz genau, dass er ..."
Das, befürchte ich, ist eine Fehleinschätzung. DJT ist ein verwöhntes Kind, das nie erwachsen wird. Mit seiner großsprecherischen Art ist er schon mehrfach auf die Schnauze gefallen. Bis anhin kamen die durch ihn Geschädigten zum Schluss, dass es für sie billiger ist, den brand name TRUMP unangetastet zu lassen.
Momentan wissen wir noch zu unterscheiden zwischen USA und TRUMP. Sigmar Gabriel ist wohl kaum der einzige, der befürchtet, dass die USA wegen TRUMP irreversiblen Schaden nehmen.
Eben habe ich ein Buch über die wilhelminische Epoche gelesen. Die Ähnlichkeit von DJT und Wilhelm II ist beängstigend.