Die Ecopop-Initiative spaltet die Schweiz

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Die Ecopop-Initiative spaltet die Schweiz

Von Beat Allenbach, 19.11.2014

Viele SVP-Wähler folgen Blocher nicht mehr. Er ist zum Zauberlehrling geworden.

Die SVP macht seit vielen Jahren Stimmung gegen die Ausländer. Doch jetzt warnt Christoph Blocher vor einer einschneidenden Beschränkung der Einwanderung, und viele seiner Anhänger versagen ihm die Gefolgschaft..

Fachkräftemangel

„Die Ecopop-Initiative ist gefährlich und würde unserem Land schaden. Sie muss abgelehnt werden.“ Dieses harte, klare Urteil stammt weder von einem freisinnigen oder sozialdemokratischen Politiker, noch von einem Bundesrat, aber von Christoph Blocher, dem es mit seiner Partei gelungen ist, eine Mehrheit der schweizerischen Stimmberechtigten für die Volksinitiative „gegen die Masseneinwanderung“ zu gewinnen. Der populäre Politiker, noch heute der Kopf seiner Partei, nimmt für sich in Anspruch, den Auftrag zur Rettung der Schweiz erfüllen zu müssen, gestern wie heute, gegen den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union oder doch gegen ein zu enges Vertragsverhältnis zu Europa, und jetzt gegen die Ecopop-Initiative.

Blocher ist der Meinung, dass Ecopop die Zuwanderung mit für alle Schweizer unhaltbaren Mitteln beschränke. In einem Interview mit dem „Tages-Anzeiger“ erläutert der SVP-Politiker, ein Unternehmer, der keinen schweizerischen Ingenieur finde, könnte die Stelle nach einem Ja zu Ecopop nicht besetzen, da die Zuwanderungsquote von 0,2 Prozent mit Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommen ausgeschöpft würde. Die Firma des Unternehmers müsste deshalb dorthin gehen, wo Ingenieure vorhanden sind, so verlören auch Schweizer ihre Stelle. Die vom Volk im Februar angenommene Volksinitiative der SVP lasse hingegen genügend Spielraum, um bei Bedarf und angesichts fehlender Ingenieure, einen solchen in die Schweiz holen und anstellen zu können; sie sei eine gute Lösung, um die Einwanderung zu beschränken.

Blocher spaltet auch seine Partei

Es fällt auf, dass Blochers Argumente gegen die Ecopop-Initiative sich kaum von jenen anderer Politiker aus verschiedenen Parteien sowie des Bundesrats unterscheiden. In den letzten Wochen haben wir gesehen, dass viele Delegierte, Mitglieder und Sympathisanten der SVP sich von ihrem hochverehrten Chef nicht überzeugen liessen. So haben sich verschiedene kantonale SVP-Sektionen zugunsten der „gefährlichen Initiative“ entschieden. Blocher, der oft die Schweiz spaltete, spaltet jetzt sogar seine eigene Partei. Auf den ersten Blick mag das überraschen, aber bei näherem Hinsehen ist das verständlich, ja logisch.

Blocher und seine Partei haben die Ausländer seit vielen Jahren immer wieder als Sündenböcke dargestellt, ihnen für viele Probleme und Mängel in unserem Land die Schuld zugeschoben. Sie haben die Ausländer verleumdet, sie für die Kriminalität in der Schweiz verantwortlich gemacht, ohne zu erwähnen, dass die grosse Mehrheit die Gesetze achtet und viele Ausländerinnen und Ausländer Arbeiten ausführen, für die kaum noch Schweizer gefunden werden. Doch kann man während Jahren eine Gruppe von Menschen und die Zuwanderung schlecht machen, ohne dass diese Kritik Spuren hinterlässt? Ich glaube nicht. In der Folge der dauernden Kampagnen der SVP hat die Zuwanderung einen schlechten Ruf erhalten, wobei deren Nutzen und Vorteile für unser Land ausgeblendet werden.

In der Falle des Zauberlehrlings

Jetzt kann das Volk über eine Volksinitiative entscheiden, welche die Einwanderung rigoros bremsen würde. Viele Menschen haben die ausländerfeindliche Propaganda der SVP nicht nur gehört, sondern sie auch übernommen: sie wollen sich jetzt die Gelegenheit nicht nehmen lassen, Ecopop zuzustimmen. Blocher spaltet in diesem Zusammenhang nicht mehr nur die Schweiz, sondern auch seine Partei. Wie der Zauberlehrling muss der raffinierte Politiker jetzt feststellen: „Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los.“ Blocher ist zweifaches Opfer seiner Politik. Er, und noch mehr seine Mitstreiter, haben die Ausländer verunglimpft, und er hat sich verächtlich über unsere demokratischen Institutionen und den Bundesrat geäussert. Er und seine SVP haben das Vertrauen in den Bundesrat und ins Parlament untergraben. Jetzt nehmen viele Bürgerinnen und Bürger die Mahnungen von Bundesrat und Parlament nicht einmal ernst, wenn sie das gleiche sagen wie Christoph Blocher.

Die einen empfinden die Zuwanderer als Belastung, dann gibt es andere, die die Zuwanderungskritiker als Belastung sehen. Und schliesslich gib es noch Leute, welche die Zuwanderungsbefürworter als Belastung ansehen. Jedem seine Ansichten. Aber die wirkliche Belastung sind doch die Politiker in diesem Land, welche das ganze Thema Zuwanderung in keinster Weise steuern, sondern nur planlos aktiv werden, wenn es irgendwo brennt.
Mit anderen Worten: Man macht die Tore weit auf, lässt jeden rein und schon lebt man im Paradies. Das man darauf nicht schon längst gekommen ist!

Die Zuwächse der Bevölkerung in so kurzer Zeit stemmen zu können, war eine grosse Leistung der Schweiz. Schade eigentlich, dass diese Sichtweise nicht betrachtet wird. Die Attraktivität dieses rohstoffarmen Landes mit erfolgreicher Wirtschaft (aber auch ein paar sehr grenzgängige Unternehmen) ist schon sehr erstaunlich. Dass wir an Grenzen kommen, insbesondere in der Infrastruktur begünstigt Ecopop. Ecopop ist die falsche Antwort. Wir legen uns selbst fesseln. Die Schweiz isoliert sich damit.
Ich verstehe diese defensive Haltung nicht.

ECOPOP ist offensiv. Defensiv ist ihre Haltung dem Zukunfts-trächtigen gegenüber. Entfesseln Sie sich zum Wohle der Vielen, die
jetzt sagen: Genug ist genug. Weniger ist mehr.

Ja zu Ecopop würde zuallererst die Profite der Zuwanderungs-Profiteuere verkleinern. Das ist die Motivation von SVP, FDP und Economiesuisse mit so viel Geld gegen Ecopop zu werben.
1 Million Menschen mehr in der Schweiz seit 2000, das war vor allem gut für die Gewinne der Wirtschaft - profitieren oder nicht profitieren, das ist der wirkliche Spalt der durch die Schweiz geht.

Das ist eine Nullbotschaft. Wer könnte sich dafür interessieren ? ECOPOP ist überparteilich. Somit sind auch SVP-Wähler eingeladen, ganz selbstverständlich von ihrem demokratischen Recht Gebrauch zu machen. Nur in ihrem Kopf spaltet dies die Schweiz.

Herr Allenbach irrt, bei ecopop geht es nicht um Ausländerfeindlichkeit. Bei ecopop geht es einfach um die Erkenntnis, dass das Wachstum der Schweiz wie in den letzten Jahrzehnten in der Zukunft so nicht weitergehen kann. Wenn es so weiter geht werden wir in 140 Jahren in der Schweiz 30 Mio. Einwohner haben. Das ist einfache Mathematik. In den letzen 140 Jahren hatten wir ein durchschnittliches Bevölkerungswachstum von 0.95% in der Schweiz. Mit der Lösung von ecopop sind es 10.6Mio.

Viele werden nun einwenden, dass die Bevölkerung in den nächsten 140 Jahren nicht so weiter wachsen wird wie in den vergangenen 140 Jahren. Da frage ich: Wieso sollte es in der Zukunft anders laufen als in der Vergangenheit? In den letzten 30 Jahren hat sich die Wissenschaft permanent geirrt wenn es um die Prognosen der Bevölkerungszahlen ging. Es wurde konstant zu wenig angenommen.

http://blog.tagesanzeiger.ch/datenblog/index.php/6183/von-der-6-zur-12-m...

Weshalb sollte die Wissenschaftler nun auf einmal recht haben? Wo sie doch 30 Jahre lang bewiesen haben, dass sie es nicht können.

Auch wenn wir ecopop ablehnen werden wir uns nicht vor der Frage drücken können: Wie viele Bewohner verträgt die Schweiz? Am Schluss werden wir uns auf eine Zahl festlegen müssen. Wie hoch die ist? Ich weiss es nicht. Es wird aber eine fixe zahl sein, da in einem flächenmässig beschränkten Raum kein unbeschränktes exponentielles Wachstum möglich ist. In einen Würfel mit einem Meter Kantenlänge wird man nie mehr als 1'000 Liter Wasser füllen können, es sei denn die Gesetzt der Physik verändern sich.

Geht man von der Maxime aus, dass ein Land seine Bevölkerung selbständig ernähren können muss, ist die Schweiz schon heute überbevölkert. Die Schweiz hat aktuell einen Selbstversorgungsgrad von ca. 64%.

http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/07/03/blank/ind24.ind...

Der ecopop Initiative Fremdenfeindlichkeit zu unterstellen ist also erwiesenermassen falsch. Die Anschuldigung der Fremdenfeindlichkeit erleichtert aber die Diskussion, da man sich nicht mehr mit den Fakten auseinandersetzen muss. Die Befürworter müssen alle Energie darauf verschwenden zu beweisen, dass sie nicht fremdenfeindlich sind.

Ich stimme ihnen zu. Leider argumentieren die Gegner von Ecopop immer mit Fremdenfeindlichkeit. Es scheint, als hätten sie ansonsten keine Ideen, wie die Schweiz in Zukunft gestaltet werden soll. Ich werde die Ecopop-Initiative weder annehmen noch ablehnen. Die Initiative weist für mich gravierende Mängel auf, wie der Punkt der Geburtenregelung in der dritten Welt. Oder die fixe Festlegung für die jährlich Zuwanderung. Dennoch kann ich die Initiative auch nicht ablehnen. Zu gross sind die Verheerungen, die aufgrund der Zersiedelung und des zügellosen Wachstums entstehen. Die Wirtschaft und die meisten Politiker haben offenbar kein anderes Rezept als eine Netto-Einwanderung von 80000 Menschen pro Jahr, um ein Wirtschaftswachstum zu generieren, das die Sozialwerke sichern soll und Arbeitskräfte auf den Markt bringt, die Arbeiten ausführen, welche von Schweizern nicht gemacht werden. Die Eliten sprechen sich demnach für ein quantitatives und nicht für ein qualitatives Wachstum aus. Und sie sind offenbar damit einverstanden, dass die Artenvielfalt in beängstigendem Masse stirbt, immer mehr Freiräume zubetoniert werden und die Infrastruktur ständig erneuert und ausgebaut werden muss. Über was sich die Eliten Gedanken machen müssten, wäre, wie ein Zusammenleben von 12 Millionen Menschen möglich gemacht werden soll? Ich befürchte, dass ausser dem Ausbau von Schiene und vor allem Strasse keine anderen tauglichen Mittel zur Anwendung kommen. Denn die Raumplanung hat vollends versagt. Hier haben nach wie vor die Gemeinden die Entscheidungshoheit. Und die gehen nach folgender Direktive vor: Man erschliesse Bauland, damit die Baulobby teure Häuser, Eigentumswohnungen und Mietwohnungen bauen kann, so gute Steuerzahler zuwandern mögen. Die Gemeinden leben nicht schlecht von den Grundstückgewinnsteuern. Der Boden in diesem kleinen Land ist ein rares Gut. Umso dringlicher wäre es, Flora und Fauna einen Schutz zu gewähren, der auch dem Menschen zugute kommt. Der kann noch keinen Beton fressen - wenigstens vorderhand noch nicht.

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