Die Illusion der Kontingentierung

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Die Illusion der Kontingentierung

Von Beat Allenbach, 14.01.2014

Mit Kontingenten will die SVP den Zuwachs der Bevölkerung um jährlich über 70’000 Personen bremsen. Sofern die Wirtschaft wächst, führt das nicht zum Ziel.

Die beträchtliche Zunahme der Wohnbevölkerung in der Schweiz - schon sind wir acht Millionen – ist in der Tat eine Belastungsprobe für das System Schweiz. Immer mehr Menschen sind der Meinung, die Einwanderung könne nicht endlos in diesem Ausmass fortdauern. Als Wundermittel will die SVP die Zahl der Einwanderer kontingentieren; das soll die Zuwanderung auch aus den Staaten der Europäischen Union (EU) bremsen. Es handelt sich hier um ein altbekanntes Mittel, aber hat es sich auch bewährt?

Trotz Kontingenten Anstieg

Die Begrenzung wurde bereits 1963 eingeführt und danach wiederholt verschärft: 1964 verordnete der Bundesrat eine betriebsweise Reduktion der ausländischen Arbeitskräfte um 5 Prozent - ohne Erfolg. Im Vorfeld der Abstimmung über die Schwarzenbachinitiative beschloss der Bundesrat 1970 die Stabilisierung der Zahl der ausländischen Erwerbstätigen. Er setzte fürs ganze Land eine jährliche Höchstzahl fest und teilte jedem Kanton ein Kontingent für neue Bewilligungen zu.

Die Wirkung war bescheiden. Erst die weltweiten Erdölkrise brachte die Wende: Zwischen 1975 und 1977 gingen über 200’000 Arbeitsplätze verloren, und von 1970 bis 1978 sank die ausländische Bevölkerung um 220’000 Personen auf rund 900’000. Die Lehre, die daraus zu ziehen ist: Solange die Wirtschaft wächst, vermögen auch Kontingente die Einwanderung nicht wirksam zu bremsen. Diese Einsicht hatte der Bundesrat bereits 1965 einer Nationalratskommission mitgeteilt. Trotz Kontingenten nahm die Zuwanderung während des Aufschwungs in den 80er Jahren erneut stark zu.

Hat die SVP nichts gelernt?

Es ist erstaunlich, dass SVP-Politiker wie Christoph Blocher und Adrian Amstutz uns weis machen wollen, Kontingente würden die Einwanderung fühlbar bremsen. Seit über 60 Jahren ist die Ausländerpolitik in der Schweiz stets auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet, und damit ist auch die SVP einverstanden. Ihre Volksinitiative enthält keine Höchstzahl, und die SVP-Spitzenvertreter betonten selber, die Kontingente wären so zu bemessen, dass die Wirtschaft die benötigten ausländischen Arbeitskräfte erhält. Auf diese Weise kann die von der SVP beklagte Masseneinwanderung aber kaum gebremst werden.

Die Initianten greifen deshalb zu einem Trick, um ihr Ziel doch zu erreichen. Sie wollen die Kurzaufenthalter fördern – eine Art Wiederbelebung des Saisonnier-Statuts - und ganz allgemein den Familiennachzug erschweren. Doch jede Person hat gemäss Artikel 14 unserer Bundesverfassung das Recht auf Familie. Ein verheirateter Ingenieur, sei er aus Deutschland oder Italien, würde kaum bereit sein, unter der Bedingung, sich von der Familie zu trennen, in der Schweiz zu arbeiten. In diesem Bereich würde die Schweiz bei den von der SVP geforderten Neuverhandlungen bei der EU auf Granit beissen.

Beschönigung der Bundesbehörden ist unklug

Weiter würden laut Initiative nicht nur die Grenzgänger in das Kontingent einbezogen, sondern auch „der Asylsektor“. Dass Grenzgänger mitgezählt werden sollen, wäre wohl vertretbar. Doch widerspräche es jeder Logik und dem Sinn des politischen Asyls, wenn auch verfolgte Menschen, die Schutz bei uns suchen, einem jährlichen Gesamtkontingent angerechnet werden müssten. Asylgesuche hängen von Diktatoren und Kriegen ab; ihre Zahl kann sehr hoch sein, wie während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien, aber auch niedrig wie Anfang des 21. Jahrhunderts.

Dass viele Schweizerinnen und Schweizer besorgt sind, weil in den letzten Jahren die ausländische Bevölkerung um rund 70’000 Personen pro Jahr anwuchs, ist verständlich. Neben den von der Mehrheit anerkannten Vorteilen der Personenfreizügigkeit mit den EU-Staaten sind auch negative Auswirkungen sichtbar, die vom Bundesrat heruntergespielt werden, zum Beispiel der Lohndruck. Das gilt besonders für die Grenzgebiete und den Ersatz von in der Schweiz ansässigem Personal durch jüngere, billigere Arbeitskräfte aus dem Ausland. Die behördliche Beschönigung ist auch deshalb unklug, weil die bilateralen Abkommen mit der EU, die durch ein Ja zur SVP-Initiative stark gefährdet wären, für die Schweiz insgesamt vorteilhaft sind.

SVP will bremsen und gibt gleichzeitig Gas

Die SVP verschreibt der Schweiz nicht nur das falsche Rezept, um den starken Zufluss von Einwanderern zu begrenzen. Viele ihrer Politiker fördern gleichzeitig das Wachstum der Schweizer Wirtschaft, was ein zusätzliches Bedürfnis nach ausländischen Arbeitskräften auslöst. Das lässt den Schluss zu, dass die SVP-Initiative das Resultat einer widersprüchlichen und scheinheiligen Politik ist:

SVP-Politiker sind an vorderster Front daran beteiligt, in den Kantonen und beim Bund Steuern zu senken, mit dem ausdrücklichen Ziel, reiche Ausländer und ausländische Unternehmen anzuziehen, welche auch Personal, oft ausländisches, rekrutieren müssen.

Welche Schweiz wollen wir?

Die SVP ist gegen flankierende Massnahmen, welche die einheimischen Arbeitnehmer besser dagegen schützen, dass sie – vor allem ab 50 – durch jüngere und billigere Einwanderer ersetzt werden. Dieses Phänomen macht besonders auch Grenzkantonen wie Tessin und Genf zu schaffen. Dass sich die SVP nicht für einen besseren Schutz der Einheimischen vor Dumpinglöhnen einsetzt, hat einen einleuchtenden Grund: Werden die Nachteile der Freizügigkeit gut abgefedert, sinkt der Unmut in der Bevölkerung und damit die Erfolgsaussichten ihrer Volksinitiative.

Wollen wir erreichen, dass in den nächsten Jahren weniger Menschen in die Schweiz einwandern, müssen wir das Wachstum der Wirtschaft mässigen. Es stellt sich die Frage: Welche Schweiz wollen wir? Das ist Teil der grossen Debatte, die durch die Volksinitiative ins Rollen gebracht wurde. Nach dem erwünschten Nein am 9. Februar darf sie nicht beiseite geschoben werden. Zu dieser Diskussion gehört auch die Frage: Wie sind die Auswirkungen einer offenen Schweiz mit den Interessen der Bevölkerung am besten zu vereinbaren.

Mich würde eine korrekte und umfassende Aufzählung der Leistungen interessieren, welche die Schweizer/innen zugunsten der EU geleistet haben. Und wie sieht dieses Resultat im Vergleich zu den umliegenden Ländern aus (proportional zu den Steuerzahler/innen).
Das würde ich gerne demnächst hier lesen!

"Welche Schweiz wollen wir? Das ist Teil der grossen Debatte, die durch die Volksinitiative ins Rollen gebracht wurde. Nach dem erwünschten Nein am 9. Februar darf sie nicht beiseite geschoben werden."

Nach dem erwünschten Nein .....! Wer wünscht sich dieses Nein?
Und warum?
Sind das diese Leute deren eigene Interessen noch nie was mit den Interessen der "Bevölkerung" eines Landes zu tun hatten?

Sind das diese Leute, die immer auffälliger die "Bevölkerung" mit Angst- und Schreckenszenarios in die Ecken treiben wo sie ihr "erwünschtes Nein" zu den jeweiligen Abstimmungen bekommen?

Sind das diese Leute, die immer noch nicht begreifen das eine übervorteilte
Bevölkerung letzlich immer ihr geliebtes goldenes Kalb schlachten wird?
Weil die "Bevölkerung" aus Menschen besteht, die irgendwann immer genug davon hatten mit falschen Versprechungen und/oder Angstmache übervorteilt, ausgenommen, mit leeren Taschen im sozialen Elend zu stecken, während dem die "Hirten der goldenen Kälber" samt Gefolge jedes Jahr ihre Millionen verdoppeln?

Und:
Sind das diese abgehobenen Soziopathen die sich tatsächlich immer noch für die Eliten halten, fähig ganzen Völkern ihr egomanisches Weltbild aufzuzwingen, ohne das es für sie ganz persönlich negative Folgen hätte.

"Wie sind die Auswirkungen einer offenen Schweiz mit den Interessen der Bevölkerung am besten zu vereinbaren."

Gar nicht! Die PFZ, bzw. die "offenen Grenzen" haben beide nichts mit der Formulierung "offene Schweiz" zu tun und ebenfalls nichts mit den "Interessen der Schweizer Bevölkerung".

Wir werden mit diesem Panik-Orchester, bestehend aus Economiesuisse und BR mit gloomy doomsday Szenarios bedroht und die PFZ, bzw. die Einwanderung von Arbeitskräften wird als leuchtende Vision einer besseren Schweiz für alle verkauft - es ist schon beinahe lächerlich!
Die Bevölkerung besteht aus Menschen. Diese Menschen erkennen im täglichen Leben permanent was alles an den gemachten Versprechen zum Thema "offene Schweiz" wahr ist und was nicht. Das Geld "dieser Leute", welche uns penetrant die "offene Schweiz" verkaufen, vermehrt sich rasant, während die Lebensqualität der Menschen welche die "Bevölkerung" ausmachen rasant abnimmt und zwar in jedem Bereich!
Die Befürworter von soviel fremdgesteuerter Offenheit haben bisher nur eins bewiesen:
Das sie die Folgen davon kein bisschen im Griff haben!
Das sind mittlerweile belegbare Tatsachen.

Die Schweiz war schon immer offen! Die ganze Welt trifft sich hier und macht mit und in der Schweiz Geschäfte (auch kriminelle). Die Schweiz ist global in allen relevanten Bereichen an der Spitze vertreten (auch in kriminellen), mit Personal und Produkten. Wir brauchen tatsächlich diese aus strategischen Gründen gepushte Völkerwanderung nicht - und die damit verbundenen Verträge ebenfalls nicht.
Sobald die Wut über die zunehmend unzumutbaren Zustände in ganz Europa (gemeint ist der Kontinent zu dem wir auch gehören) einen unbekannten Wert überschreitet, werden auch wir hier Zustände erleben von denen man beim besten Willen nicht mehr von "Frühling" sprechen kann.
Und warum?
Weil eben diese gewissen Leute, die sich mitsamt ihrem Gefolge so sehr für das "erwünschte Nein" zur Masseneinwanderungsinitiative einsetzen den Hals einfach nicht voll kriegen können.

Ich will leben wie ein zufriedener, kleiner Hobbit im schönen Auenland, nicht wie ein ferngesteuerter Ork im Kampfgebiet von Mordor, aber ich fürchte es ist bereits beschlossen worden das Auenland zugunsten von Mordor untergehen zu lassen!

Ich kenne die Lage auf dem Arbeitsmarkt gut, weil ich jeden Tag mit ihm zu tun habe. Die Mehrheit der Politiker vernebeln das Problem des Lohndrucks. Er besteht, indem Firmen nicht arbeitslose Fachkräfte schweizerischer Nationalität einstellen, sondern billigere, jüngere aus dem EU-Raum einwandernde Arbeitnehmer beschäftigen. In den Grenzregionen besteht ein noch grösserer Lohndruck. Was auffällt, ist, dass immer mehr Menschen mit Alter 50+ auf der Strecke bleiben. Ich befürchte, dass das demographische Problem mit noch mehr Einwanderung gelöst wird. Fakt ist auch, dass der Durchschnittsverdiener bis hin zum gut Verdienenden von der Einwanderung kaum profitiert. Er hat öfters weniger in der Tasche als vor sieben Jahren. Was zu denken gibt, ist, dass die Bauwirtschaft Hochkonjunktur hat und trotzdem immer mehr portugiesische Arbeiter arbeitslos werden. Die Arbeiter, die schon fünf Jahre hier in der Schweiz gearbeitet haben, langsam auf dem Zahnfleisch laufen und arbeitslos sind, werden durch neue hungrige arbeitslose Personen aus Portugal ersetzt. So funktioniert das System der Freizügigkeit und zwar in vielen Branchen. Wenn dereinst die Baukräne im Mittelland wieder abnehmen, kommt es womöglich knüppeldick in Sachen Freizügigkeit oder Menschlichkeit. Es kann nicht sein, dass das Wirtschaftswachstum vornehmlich auf der Personenfreizügigkeit basiert, frei nach dem Motto mehr Häuser, mehr Konsumenten, mehr Kaufwut, aber weniger Kulturland und weniger Freiräume. Die Zubetonierung der Schweiz an bester Lage hat viel mit den Lebensgewohnheiten der neuen Feudalisten und Oligarchen zu tun. Nicht nur, auch der so genannte Mittelstand hat den Traum von einem Eigenheim noch nicht aufgegeben. Also, nicht nur Einwanderer brauchen Raum, noch mehr braucht der gut situierte Schweizer. Und der ist bei der SVP gut aufgehoben. Wenn es darum geht, dass Firmen und ihre Gefolgschaft, die Superreichen und Reichen, sich den Boden frei kaufen, hat die SVP mit dem Heimatschutz wenig am Hut. Und dass diese Partei nun auf einmal die Interessen des stinknormalen Arbeitnehmers vertritt, ist gewöhnungsbedürftig. Aber das Gären im Volk hat die SVP wieder einmal erkannt oder zumindest bewirtschaftet sie es gut: Eine 10-Millionen - Schweiz ist ein Problem, das auch die Linke interessieren muss.

Sie haben vollkommen Recht. Die Freizügigkeit nutzt angestellten Schweizern nicht die Bohne, sie werden langsam aber sicher durch Ausländer ersetzt. Dies passiert vor allem im Tessin. Man kann hier schon fast von feindlicher Übernahme durchs Ausland unzähliger CH-Firmen sprechen.
In Aarau, Basel und Baselland kenne ich auch solche Beispiele, wo der Schweizeranteil auf unter 35% fällt, wo vor zehn Jahren noch 80/75 Prozent vorherrschte. Aber ich will jetzt nicht behaupten, dass dies die Regel ist, dafür habe ich keine Statistik.

Fact ist, der Lohndruck nach unten wird angeheizt, gleichzeitig werden Wohnungen verteuert. Was natürlich gut für die Firmenbesitzer und Investoren ist. Aber der Durchschnitts-Schweizer hat überhaupt nichts davon. Er wird immer ärmer. Das stört unsere Lobby hörigen Politiker natürlich auch nicht, da sie schon lange nicht mehr für das Volk arbeiten.
Ganz nebenbei, es ist bald soweit, dass unsere hochwertigen Schweizer Produkte nur noch den guten Ruf haben, aber die Qualität hinkt diesem weit hinterher. Wenn man mit Qualität wirbt, sollte man nicht billige Arbeiter einstellen. Ich arbeitete mal in einer High Tech Firma, wo man die guten Leute in der Produktion nach und nach ersetzte. Das Resultat war, dass unsere chinesische Tochterfirma die bessere Qualität (gemessen an Innovation, Anzahl Reparaturen und Reklamationen) lieferte! In nur 5 Jahren war der Jahrzehntelange Marktleader plötzlich letzter! Wobei, wenn die Firmenchefs so dumm sind, da kann natürlich der Staat direkt nichts dafür.

Ich sehe in der Freizügigkeit den einzigen »Vorteil«, da das Wirtschaftswachstum kurzzeitig etwas angehoben werden kann, da die zusätzlichen Personen mehr kaufen. Aber als Feind der Wachstums-Raubbau-Ökonomie, kann ich nur davor warnen, diese Zahlen als etwas Positive zu betrachten. Wachstum ist aus der Sicht unseres Planeten immer etwas ganz übles.

Zuletzt muss man noch die bilateralen Verträge betrachten. Klar ist es gut, so mit anderen Staaten zu arbeiten. Doch bei der EU haben wir die Situation, dass andere immer mehr über uns bestimmen wollen. Vermutlich mit dem Endziel, dass die Schweiz irgendwann zur EU gehört. Grundsätzlich wäre ich nicht gegen ein starkes Europa, aber diese EU ist wirklich weit davon entfernt. Sie ist das schlechteste was Europa geschehen konnte. Kein Wunder denken die Briten und auch viele EU-Bürger verschiedenster Staaten daran auszusteigen.

Unsere Souveränität, finde ich, sollte man um jeden Preis halten. Verlieren wir Geld dabei, na und? Hauptsache WIR bestimmen und nicht ungewählte EU-Politiker, die unsere Schweiz nur von Davos (WEF) und Genf (UNO) kennen. Diese EU Politiker spielen mit den EU Bürgern ein falsches Spiel, gerade was Banken und Schulden betrifft. Wir sollten uns da distanzieren, bis die EU ihre Probleme selbst löst.
Insofern muss ich die SVP-Initiative annehmen. Und ich bin sonst echt kein Fan der SVP.

Was Autor Allenbach so alles der SVP unterstellt geht nicht mehr auf eine Kuhhaut....

Klar wollen wir eine offene Schweiz, keine Obergrenzen! Warum kein Hongkong Europas werden? In Hongkong gibt es keine grüne Partei, geschweige denn eine autochthone Einwohnerschaft. Die Schweiz kann spielend Prof. Kneschaureks Wunsch (10 Millionen) überbieten.

Nicht mancher Schweizer würde ihnen eine Träne nachweinen, wenn sie nach Hongkong auswandern.

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