Hoffnung auf Klimawandel
Seit Sonntag schweigen im Südwesten Syriens, nahe den von Israel annektierten Golanhöhen, die Waffen. Donald Trump und Wladimir Putin haben diese „De-Eskalation“ am Rande des G20-Gipfels in Hamburg verordnet. Am Montag begann eine neue Runde der Genfer Syrienkonferenz, auf der die Konfliktparteien unter der Ägide der Vereinten Nationen einen Frieden aushandeln sollen. Uno-Vermittler Staffan de Mistura enthüllte vor der Presse, dass die diplomatische Intervention der USA und Russlands kein spontaner Einfall der beiden Präsidenten war, sondern das Ergebnis zäher Verhandlungen hinter den Kulissen, an denen auch Jordanien und offenbar Israel teilnahmen.
Zuvor hatten Russland, die Türkei und Iran in der kasachischen Hauptstadt Astana drei lokale Waffenruhen in anderen Teilen Syriens gemakelt. Allerdings bleibt umstritten, wer diese Abkommen überwachen soll. Der geplante Einsatz russischer oder iranischer Soldaten stösst auf Widerstand. Beide sind nicht neutral, sondern Akteure im Syrienkonflikt. Dasselbe gilt für die Türken.
Teheran hat die gemeinsame Initiative Trumps und Putins in Hamburg sofort kritisiert. Um wirksam zu sein, müsse der Waffenstillstand das gesamte Territorium Syriens umfassen, liess das iranische Aussenministerium verlauten. Es ist ein alter Trick, das Gute mit dem nicht erreichbaren Besseren zu killen. Den Iranern geht es vor allem darum, den südwestlichen Teil Syriens als Aufmarschgebiet der von ihnen unterstützten libanesischen Hizbullah zu erhalten. Der Kampf um die Füllung des nach der Niederlage des „Islamischen Staats“ entstehenden Machtvakuums ist bereits in vollem Gang.
Befürchtetes Auseinanderbrechen Syriens
De Mistura hofft, dass nach dem Fall der Islamistenhochburgen Mossul und Rakka eine „Stabilisierung“ der Lage eintritt, die eine politische Lösung erleichtert. Auf seiner Tagesordnung stehen die Bildung einer Interimsregierung, eine neue Verfassung und schliesslich freie Wahlen unter internationaler Kontrolle.
Sein Wort in Gottes Ohr. Was viele Syrer und die Verantwortlichen der Uno aber jetzt befürchten, ist die Aufteilung des Landes in mehrere Einflusszonen. De Mistura drückte diese Gefahr deutlich aus. Die lokalen Waffenstillstände müssten Übergangsschritte bleiben und die territoriale Integrität Syriens nicht aufs Spiel setzen, sagte er gestern.
Zum Auftakt der neuen Konferenzrunde traf sich de Mistura bei einem Arbeitsessen mit den drei wichtigsten Komponenten der syrischen Opposition. Es soll ungewohnt manierlich zugegangen sein. Auch die fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats zeigen in Genf Flagge und konferierten mit dem Uno-Vermittler. Einen raschen Durchbruch erwartet aber niemand, höchstens einen Klimawandel.
Was nach dem "Islamischen Staat" kommt wird sich bald zeigen. Unter Umständen die nächste Terrororganisation, vielleicht noch grausamer, auch wenn man sich mehr Grausamkeit als die des Daesh (IS) kaum vorstellen kann. Vielleicht aber auch eine altbekannte Terrorgruppe die wiedererstarkt, Al Kaida.
Die Saat des religiösen Wahns ist in Nahost ist jedenfalls aufgegangen und spriesst mit einer Dynamik, die kaum mehr kontrollierbar erscheint. Es ist dabei falsch zu urteilen, dass der Westen alleine Schuld daran trägt. Die Saat des Hasses und des religiösen Wahns ist schon viel früher ausgestreut worden. Und spriesst schon seit vielen Generationen immer mal wieder hervor.
Im "Westen" muss man gut aufpassen, dass diese Saat nicht auch anfängt zu spriessen. Anzeichen dafür sind jedoch erkennbar. Bleibt nur zu hoffen, dass sie schnell wieder austrocknet.