Im Fegefeuer
François Fillon war am 27. November 2016 in einer Primärwahl zum Präsidentschaftskandidaten der Gaullistenpartei „Les Républicains“ erkoren worden. Er gewann das Rennen gegen Alain Juppé. Eigentlich war er fast schon Staatspräsident, denn Meinungsumfragen gaben ihm damals satte 32 Prozent, 10 Prozent mehr als Le Pen und 15 Prozent mehr als Macron.
Dann enthüllte der „Canard Enchainé“, Fillon habe seine Frau Penelope und seine Kinder für nicht geleistete Arbeit vom Staat bezahlen lassen. Fillon stürzte ab. Am 8. Februar lag er noch bei 17 Prozent. Jetzt dominierten Le Pen und Macron. Fillon reagierte konfus: er schummelte, drohte, setzte sich aufs hohe Ross, sagte nicht die Wahrheit – alles wenig staatsmännisch. In seiner Partei wurde man sich bald bewusst: die Wahlen gewinnt er nicht.
Doch Fillon schlug um sich: „Ich bleibe, ich bleibe.“ Verbissen klebte er an seiner hoffnungslosen Kandidatur, verunglimpfte seine Kritiker – und natürlich die bösen Medien. Zu jener Zeit, als Fillon schon beleidigt im Keller vor sich hin schmachtete, hätte Alain Juppé laut Umfragen fast 27 Prozent der Stimmen erhalten, 10 Prozent mehr als Fillon.
Hätte sich Fillon damals aus dem Rennen genommen und Juppé Platz gemacht, wäre Juppé wohl zum Staatspräsidenten gewählt worden. Das ist heute die Ansicht fast aller Beobachter. Doch Fillon hatte diese Grösse nicht, sein Ego liess ihm diese Schmach nicht zu. Er, der zur Kategorie Politiker gehört, die immer wieder die Leier anstimmen, es gehe um das Wohl des Landes und nicht um das persönliche Wohl. Das Wohl seiner Partei und das Wohl Frankreichs waren im piepegal.
Juppé hatte zwar gesagt, er wolle nicht als Lückenbüsser antreten, doch wäre Fillon zurückgetreten, wäre er wohl als Kandidat der letzten Stunde eingesprungen. Zum Wohle Frankreichs und der Partei.
Mit seiner Sturheit hat Fillon nicht nur sich selbst ruiniert, sondern auch seine Partei, die grosse bürgerliche, gaullistische Bewegung. Und: Hätte Juppé kandidiert, hätte Marine Le Pen sicher weniger Stimmen gemacht, denn viele Rechtsgerichtete stimmten für sie, weil sie nicht für Fillon stimmen wollten. Zudem wäre Macron, dem viele wenig zutrauen und der einen schweren Stand haben wird, nicht gewählt worden. Und Juppé mit seiner Erfahrung und seiner Partei im Rücken, wäre vielleicht ein recht guter Präsident geworden.
Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär’... Wenn Fillon die Statur gehabt hätte, seine hoffnungslose Kandidatur aufzugeben ... Jetzt schmachtet er im Fegefeuer, wird in der Partei gehasst und verachtet und für die Misere verantwortlich gemacht. In der Öffentlichkeit zeigt er sich kaum mehr. Auch an Spott fehlt es nicht. Er werde wohl bald in Lumpen herumlaufen, weil niemand mehr seine 13‘000 Euro teuren Anzüge bezahle. Und ein Amt habe er auch nicht mehr, um seine Frau Penelope auf die Gehaltsliste setzen zu können.
Merke: Man stürzt im Leben nicht über Berge, sondern über Maulwurfshaufen (Konfuzius).
Ausgezeichnete Analyse, genau das, was im makronisierten Frankreich heute kaum mehr jemand wahrhaben will. Zwei Bemerkungen nur: die "primaires" welche für die beiden grossen Parteien, links wie rechts, zu einem Desastrr führten, haben nur da einen Sinn, wo ein relativ stabiles Zweiparteienregime herrscht, wie in den USA. Zum Thema Fillon wäre beizufügen, dass der frühere Regierungschef sein eigenes Grab schaufelte weil er die Primärwahlen mit dem Argument des Saubermanns gewonnen hatte und damit Juppé und Sarkozy disqualifizierte. Was man ihm vorwirft gehört (leider) benahe zum politischen Alltagsgeschäft in Paris. Doch Fillon präsentierte sich als makelloser Ausnahmepolitiker. Der Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit wurde ihm zum Verhängnis.
Korrekt, aber gibt es nun Beweise welche die Anschuldigungen gegen Fillon untermauern könnten?
Die Antwort. lieber Herr Pfister lautet: Ja! Dass Fillon klammheimlich seine Frau Penelope und seine Kinder auf Staatskosten "angestellt" und mit insgesamt rund einer Million Euro "entlöhnt" hat, ist längst "erstellt", wie die Polizei sagen würde. Dass der Schmarotzer dennoch weiterhin kandidiert hat und bei Rechten sogar Unterstützung fand, ist einer Rechtsstaates unwürdig.
N. Ramseyer, BERN
Ich kann mich aber Erinnern, dass erst die Anschuldigung, sie hätten dafür nicht gearbeitet, den Spin so richtig in Fahrt gebracht hatte. Und nur deswegen gab es eine Anzeige. Und für genau diese Anschuldigung gibt es anscheinend bis heute keine Bestätigung.
Logisch Herr Pfister. Eine juristische Bestätigung wird es erst nach einem Urteil in letzter Instanz geben. Und darauf können wir noch jahrelang warten. Immerhin wurden bislang sämtliche Beteiligten offiziell angeklagt, wobei natürlich weiterhin die Unschuldsvermutung gilt. François Fillon hatte jedoch erklärt, eine Anklageerhebung würde ihn dazu bewegen, auf seine Kandidatur zu verzichten. Als die Anklage dann erfolgte, hielt sich der Kandidat nicht mehr an sein eigenes Versprechen. Dies hat ihm politisch den Kopf gekostet.
Stringente Analyse! Merci. Der gescheite (und in Bordeaux sehr erfolgreiche) Juppé hat aber wohl auch darum abgesagt, weil er genau gesehen hat, dass das nächste Quinquenat für jeden rechten Président ein Hochrisikojob werden wird. Fast 50% der Franzosen und Französinnen wollten ja den in Paris herrschenden Filz (den Fillon hervorragend reprtäsenteirt) weg haben (balayé). Und was hier für Fillon aufgezeigt wird, gilt für den armseligen Kandidaten der etablierten SP erst recht: Wäre es Hamon auch nur ein wenig um die Linke gegangen, statt nur um sich selber, hätte er angesichts seiner weit unter 10% in den letzten Umfragen seine Hoffnungs- und Chancenlosigkeit einsehen, sich zurückziehen – und den linken Hoffnungsträger Mélenchon empfehlen müssen. Aber auch hier: Nicht nur keine Chance – sondern auch noch keine Statur und kein Profil. Niklaus Ramseyer ,BERN