Verstehen Sie mich nicht falsch!

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Verstehen Sie mich nicht falsch!

Von Alex Bänninger, 22.12.2017

Manche Redensarten halten sich, obwohl sie eigentlich längst als faule Finten erkannt sein müssten.

Zum Beispiel: „Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich habe nichts gegen die Gleichberechtigung, aber die Frauen übertreiben es mit ihrem Berufsehrgeiz.“ Es ist ein beliebter Dreisatz: Zuerst die Bitte um eine korrekte Folgerung, dann ein löbliches Bekenntnis und schliesslich als Kern der Botschaft ein unverschämtes Statement. Auch so: „Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich bin kein Rassist, aber die schwarze Meute am Bahnhof gibt mir zu denken.“

Was sollen wir nicht als falsch auffassen? Die Behauptung, weder Sexist noch Rassist zu sein? Den sexistischen oder rassistischen Spruch? Ist die Behauptung die Lüge, der Spruch die Wahrheit oder umgekehrt?

„Verstehen Sie mich nicht falsch“ ist der sprachliche Schafspelz für Wölfe. Sie tarnen sich, heucheln Korrektheit vor und beissen kräftig zu. Ziemlich perfid. Wir sollten auf der Hut sein. Auch wenn jemand eine Aussage mit der Beteuerung einleitet „Ich meine es ganz ehrlich“ oder „Ich bin Ihnen gegenüber ganz offen.“ Aus lächelndem Gesicht hören wir garantiert eine Schwindelei.

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Etwa ähnlich ist folgender Satzanfang:

«. . . um nicht zu sagen, dass Sie . . .»

Würde dies eine juristische Beurteilung/Ehrverletzungsklage überstehen, weil man es ja «nicht gesagt hat»?

Richtig, Herr Bänninger, uns fehlt ein Karl Kraus, ein Kurt Tucholsky, die damals diese Heucheleien/Worthülsen/Phrasen gekonnt blosstellten. Sie machen dies, danke.

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