#DBP15: Vor dem Buchpreis ist nach dem Buchpreis

Zur alljährlichen Debatte um den Deutschen Buchpreis und ein individueller Rückblick auf die preisgekürten Bücher ab 2005.

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Ich gebe es zu. Auch ich bin ein Marketingopfer. Bin völlig konsumorientiert, kritiklos, bedenkenlos mit dem Schwarm geschwommen. Und habe es getan, jawoll. Einfach so.

Brav bin ich Jahr für Jahr nach der Bekanntgabe des Deutschen Buchpreisträgers in meine Buchhandlung vor Ort gedackelt und habe mir das preisgekrönte Werk gekauft. Und habe es sogar gelesen, auch das noch.

Wieso? Weil an mir, offen gestanden, die deutsche Gegenwartsliteratur in den letzten Jahren vorbeiging. Ich wollte Zeit haben für die Klassiker, die ich bislang versäumt hatte, ich wollte gute Erzähler lesen, wie sie die amerikanische Literatur zu bieten hat, ich wollte zudem eine ordentliche Portion magischen Realismus haben. Was ich in der Literatur suchte, das fand ich Ende der 1980er-Jahre, als mein bewusstes Leserleben begann, bei den deutschsprachigen Autoren nicht. Zu kopflastig, zu staubtrocken, zu bauchnabelschaumäßig für meinen Geschmack.

Ein Rückblick auf die Literaturdebatte zu jenen Jahren:

Nach Schirrmacher ist die deutschsprachige Literatur der 70er und 80er Jahre gekennzeichnet durch „die abgegriffenen, unproduktiv gewordenen Denkbilder einer veralteten Avantgarde“ (Schirrmacher in: Maulhelden und Königskinder S.23f.). Noch radikaler formulierte 1991 der streitfreudige Maxim Biller das Versagen der Literatur:

Es gibt keine Literatur mehr. Das, was heute in Deutschland so heißt, wird von niemandem gekauft und gelesen, außer von Lektoren und Rezensenten, den Autoren selbst und einigen letzten versprengten Bildungsbürgern. […] Es ist eine Literatur, die keinen berührt, mitreißt und fasziniert, eine Literatur, die nur mehr auf den Seiten der Feuilletons und Kulturspalten stattfindet“. […] Eine Literatur, der „jedes Leben, jedes Stück Wirklichkeit und der Wille zur Außenweltkommunikation ausgetrieben wurden.“ (Biller in Maulhelden und Königskinder S.62f.)

Mehr dazu unter diesem Link.

Klar, komplett vorbei gingen an mir die Namen, Bücher und Veröffentlichungen der letzten zwei Jahrzehnte auf dem deutschen Buchmarkt auch nicht, aber das Lesen war eher vom Zufall geprägt, die Kenntnis über Strömungen und Tendenzen in der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur eklektisch, nur wenige Autoren aus jenen Jahren haben es mit mehreren Werken in mein Buchregal geschafft, zu nennen unter anderem Herta Müller, Christoph Hein, Wilhelm Genazino und Robert Menasse – also eigentlich schon bereits „Etablierte“. Die jungen, neuen, „Wilden“ (?): Sie fielen meinem Nachholbedarf in Sachen Klassik zum Opfer.

Um auf ein von mir geliebtes Zitat von Arno Schmidt zu kommen:

“Es gibt noch weit beunruhigendere Betrachtungen hier! Setzen wir, daß man vom 5000. Tage an leidlich mit Verstand zu lesen fähig sei; dann hätte man, bei einem green old age von 20 000, demnach rund 15 000 Lesetage zur Verfügung.
[…]
Ich möchte es noch heilsam–schroffer formulieren: Sie haben einfach keine Zeit, Kitsch oder auch nur Durchschnittliches zu lesen: Sie schaffen in Ihrem Leben nicht einmal sämtliche Bände der Hochliteratur!
Arno Schmidt. „Julianische Tage“, 1961

Beschränkung auf das Wesentliche war das Gebot. Buchpreise – und darunter nicht nur der auf der Frankfurter Buchmesse vergebene – boten mir jedoch zumindest einen willkommenen Aufhänger, um ein wenig am „Puls der Zeit“ entlang zu lesen. Was sind die Trends? Welche Themen bewegen eine Jury, die Leser, die Gesellschaft? Dass ein Preis letztlich immer eine subjektive Entscheidung ist und nicht für allgemeinverbindliche Aussagen taugt: Klar. Aber solche Entscheidungen – sie geben dennoch Hinweise auf Befindlichkeiten, Entwicklungen, Gesellschaftsfragen.

By the way: In keinem anderen Land gibt es so viele Auszeichnungen für Schriftsteller wie in Deutschland. Was nach dem Literaturwissenschaftler Thomas Anz wiederum den Effekt hat, dass wegen der Vielzahl viele gar nicht erst wahrgenommen werden. Hier mehr dazu.

Der Deutsche Buchpreis jedenfalls kann über mangelnde Öffentlichkeit nicht klagen: Wahrgenommen wird er, so oder so. Die Kritik daran ist bereits Legion. Sie gehört im Literaturbetrieb und bei Lesenden beinahe schon zu gutem Ton.

Ijoma Mangold hat den inzwischen schon ritualisierten Skandal um den Buchpreis 2014 in einer Glosse in der Zeit aufs Korn genommen:

„Im zehnten Jahr seines Bestehens kann man dem Deutschen Buchpreis eines attestieren: Er hat es geschafft, ein neues journalistisches Genre zu etablieren, den Longlist- beziehungsweise Shortlist-Kommentar. In diesem Genre lässt die Literaturkritik so viel heiße Luft ab, dass man sich ernsthaft fragt, wie der Psychodruckausgleich des Betriebs vor Erfindung dieses Ventils sichergestellt werden konnte. Insofern darf man jetzt schon nach Frankfurt melden: Die deutsche Literaturkritik braucht den Buchpreis wie die Luft zum Atmen.“

Ewas, das unter den vielen Kritikpunkten nicht zu widerlegen ist: Bislang „räumten“ stets die Autoren großer und etablierter Verlage ab, sieht man vom im Jahr 2000 gegründeten „Jung und Jung Verlag“ ab, der immerhin zwei der elf Preisträger/innen stellt. 2009 entstand auf Initiative einiger unabhängiger Verlage eine Alternative: Die Hotlist.

Hotlist, Deutscher Buchpreis, Preis der Leipziger Buchmesse: Sie bieten, wenn man sich, wie ich, nicht eingehend und ständig mit zeitgenössischer deutschsprachiger Literatur befasst, zumindest eine Orientierung. So wie Rezensionen in den Feuilletons, Empfehlungen vom Buchhändler und von Freunden, eigene Zufallsfunde in der Bibliothek. Nicht mehr und nicht weniger. Und wie es so geht im Leben: Manchmal wird man positiv überrascht, manches Mal enttäuscht. Als „souveräne Leserin“ gebe ich letzten Endes zwar mein Geld beim Buchhändler ab, nicht jedoch mein Gehirn – dass ich da nicht jeweils „den besten deutschen Roman“ des Jahres in Händen halte, sondern den, den eine Jury ganz subjektiv nach ihren Gesichtspunkten ausgewählt hat, bleibt mir bewusst. Dass Preisvergaben auch Marketing sind – ich weiß es. Aber wie sonst bringt man die Literatur an den Mann, an die Frau?

Gut gefallen hat mir die Aussage von Claudia Kramatschek, diesjähriges Jurymitglied zum Deutschen Buchpreis, im Interview bei „Schöne Seiten“:

„Auch das Medium Buch selbst wird seit Jahren für tot erklärt und hat bis dato doch allen Anstürmen widerstanden. Kunst sollte sich nicht an den Kommerz verraten, aber ohne Kommerz – was im Falle eines Buches erst einmal heißt, dass es sich verkauft – kann auch die schönste Kunst, die schönste Literatur nur schwerlich überleben.“

Eins ist also von vornherein klar, bevor der Preisträger 2015 am 12. Oktober bekannt gegeben wird: Kritik an der Kommerzialisierung des Literaturbetriebs, am Buchpreis an sich, an den Marketingmaßnahmen der Verlage, am Mainstream-Geschmack der Jury – sie wird so sicher kommen wie das Amen in der Kirche.

Christopher Schmidt von der Süddeutschen Zeitung, heuer selbst Mitglied der Jury, schrieb 2010:

„Man kann sich nur wundern. Nicht nur über das Argument, das Mehr an Aufmerksamkeit und Geld – der Sieger erhält 25.000 Euro, die fünf anderen Finalisten werden mit je 2500 Euro bedacht – werde anderen Autoren entzogen (dabei war da ja vorher nichts). Sondern vor allem deshalb, weil ein Blick auf die Nominierten keineswegs den Verdacht nährt, es walte böse, die allgemeine Verflachung befördernde Quotenhörigkeit beim Deutschen Buchpreis.

Der Buchhandel dürfte aufjaulen

Im Gegenteil: Die unabhängige Jury sorgt mit ihren Voten eher dafür, dass der Buchhandel aufjaulen dürfte. Den Vorwurf, sie bevorzuge bei ihrer Auswahl leichter verdaulichen Lesestoff, den die Leserschaft willig vom Stapel der großen Buchhandelsketten frisst, kann man den jährlich wechselnden Preisrichtern genau so wenig machen wie den, sie schlügen sich auf die sichere Seite und schickten nur große Name und etablierte Autoren ins Rennen.

Im Gegenteil: Es ist gerade nicht die schwerer vermittelbare Literatur, die auf der Strecke bleibt. Vielmehr beugen die Juroren der Wettbewerbsverzerrung dergestalt vor, dass sie vor allem Debütanten und sperrige Einzelgänger auf die Shortlist wählen, sich also dem Mainstream verweigern. Ob Katharina Hacker, Kathrin Schmidt oder Uwe Tellkamp – durchweg gewannen Bücher, die thematisch relevant sind und formal avanciert.“

Bedauerlich ist das dann, wenn die Kritik den Blick auf das verstellt, um was es eigentlich gehen sollte: Einen Überblick über die deutsche Belletristik eines Jahres zu geben. Ein Roman ist nicht deshalb schon grundsätzlich schlecht oder konventionell, weil er den Deutschen Buchpreis erhalten hat – dies mein höchst persönliches, subjektives Fazit aus der Lektüre von zehn Jahren. Nicht alles hielt einem Wiederlesen stand, nicht jedes Buch sprang mich an. Und unter den Buchpreisträger/innen der vergangenen Jahre hat sich für mich nur eine Favoritin herausgeschält, von der ich seither beinahe alles gelesen habe: Ursula Krechel, die 2012 für ihren Roman „Landgericht“ ausgezeichnet wurde.

Ein kurzer – höchst subjektiver, persönlicher – Rückblick meinerseits auf die ausgezeichneten Romane seit Bestehen des Deutschen Buchpreises:

2005 – Arno Geiger, „Es geht uns gut“: Ein leicht zu lesender Generationenroman um eine österreichische Familie. Geiger packt in das Drei-Generationen-Epos die ganze deutsch-österreichische Geschichte von 1938 bis 2001. Gut erzählt, aber es fehlte mir an Tiefe. Ein Eindruck, der sich mir auch bei der Lektüre weiterer Bücher des Autoren verstärkt hat: Vom Erzählband „Anna nicht vergessen“ über „Alles über Sally“ bis hin zum „Selbstportrait mit Flusspferd“, das ich als beinahe schon ärgerlich platt empfand.

2006 – Katharina Hacker, „Die Habenichtse“: Spröde Sprache, ein „szenearmer“ Roman. Kein Buch, das sich sofort erschließt und einem das Herz erwärmt. Aber: Mit ihren Protagonisten, einem Pärchen Mitte Dreißig, jung, erfolgreich, karriereorientiert (er bekommt ausgerechnet den Job eines Kollegen, der am 11. September 2001 im World Trade Center zu Tode kam), dabei jedoch gefühlsarm, gefühlsleer und orientierungslos, zeichnete Katharina Hacker so etwas wie ein Gesellschaftsbild jener Jahre vor dem Finanzcrash – die Beiden, trotz Wohlstands eigentlich „Habenichtse“, sie bilden das Spiegelbild zu „Die Glücklichen“ einige Jahre später. Lesenswert als Abbild einer „German Befindlichkeit“ der Mitte 90er bis Anfang 2000er-Jahre.

2007 – Julia Franck, „Die Mittagsfrau“: Hmmm …ja, die Jury begründete es seinerzeit so: „Das Buch überzeugt durch sprachliche Eindringlichkeit, erzählerische Kraft und psychologische Intensität. Ein Roman für lange Gespräche.“ Ich kann mich gut an die eigene Leseerfahrung erinnern – das Schicksal einer Frau, die wie andere ihrer Generation durch zwei Kriege seelisch traumatisiert wird, die letzten Endes ihr eigenes Kind im Stich lässt und damit den Keim für ein fortdauerndes Familiendrama weiterträgt – es packt einen an, ich las das Buch an einem Stück, obwohl mir streckenweise auch die gestelzt-gekünstelte Sprache widerstrebte: „Doch hier am Sterbebett ihres Mannes galt der Mutter offensichtlich nichts etwas als die eigene Ergriffenheit und die Niederung eines Fühlens, das nur noch für sich selbst langte.“ Stoff für lange Gespräche – das gab das Buch, ja durchaus, vor allem über die scheinbare „Gefühlskälte“ von Müttern, die ihre Kinder verlassen. Doch die klirrende Kälte, die durch einzelne Zeilen und Passagen klang: Zum Wiederlesen animierte mich das nicht.

2008 – Uwe Tellkamp, „Der Turm“: Wäre der Roman nicht so umfangreich, also so dick, dann würde man wahrscheinlich ständig Touristen mit ihm durch Dresden laufen sehen. Dem Vernehmen nach gab es nach dem Buchpreis jedenfalls einen erhöhten Andrang auf die Schwebebahn, Turmtouren durch das Villenviertel „Weißer Hirsch“ wurden angeboten, Dresden war um eine literarische Attraktion reicher. Von manchen wurde er schon als „Buddenbrooks“ der Wendezeit betitelt. Sicher ist – „Der Turm“ ist eine grandios erzählte Familiengeschichte, die trotz einiger Längen und Verschwurbelungen fesselt. Bislang wartet die literarische Öffentlichkeit auf ein neues Tellkamp-Buch – vielleicht schreibt er derzeit wieder an einem Mammutepos? Parallel zum „Turm“ entstand der Roman „Der Eisvogel“, in der Kritik sehr umstritten, Tellkamp wurde eine erzkonservative politische Haltung unterstellt, aber vor allem ist der „Eisvogel“ eines – ein Buch, das literarisch kaum an den Turm heranreicht.

2009 – Kathrin Schmidt, „Du stirbst nicht“: Ich gebe es frank und frei zu – ich habe leichte Vorbehalte gegenüber „Medizingeschichten“. Das ist einfach nicht mein Genre…und mit dieser Skepsis im Bauch las ich auch diesen Roman über eine Frau, die durch eine Hirnblutung ihre Sprache, ihre Erinnerung, ja, eigentlich ihr Selbst verliert. Und wurde angenehm überrascht: „Du stirbst nicht“ ist ein ganz leiser, zuweilen auch lakonischer Roman, der sich um die Bedeutung der Sprache dreht, der mit der Sprache spielt. Der bildhaft zeigt, wie sich da eine ihr Leben zurückerobert und neu gestaltet. „Mit solchem Januswort im lädierten Hirnkasten lässt es sich schwerlich einschlafen…“

2010 – Melinda Nadj Abonji, „Tauben fliegen auf“: Endlich, wollte ich seinerzeit sagen, endlich zieht auch das Thema „Migration“ in die literarische Welt ein und gelangt zu Buchpreisehren. Eine Kurzbesprechung des Romans habe ich hier veröffentlicht. An jenem Besucherwochenende war ich auch auf der Frankfurter Buchmesse und sah die lange Schlange von Menschen, die sich vor Melinda Nadj Abonji anreihten, um das Buch signieren zu lassen – für mich war unvergesslich die überschäumende Freude der Verlagsleute um sie herum, aber ebenso der erstaunte Gesichtsausdruck der Autorin, die offensichtlich selbst noch nicht ganz realisierte, was ihr da geschah.

2011 – Eugen Ruge, „In Zeiten des abnehmenden Lichts“: Schon wieder ein DDR-Buch stöhnten manche. Schon wieder ein Familienroman, sagten andere. Und schon wieder ein gut geschriebener, wenn auch etwas konventioneller Roman. Für mich brachte er etwas Kenntniserweiterung über das unbekannte Land der DDR, Einblicke in eine Gesellschaft, die doch so anders war als meine Erfahrungswelt. Ob der Roman jedoch auch dauerhaft im literarischen Gedächtnis bleiben wird? Das wage ich zu bestreiten.

2012 – Ursula Krechel, „Landgericht“: Über dieses Buch will, muss ich irgendwann noch eine eigene Rezension schreiben. Der fast nüchterne, dokumentarische Stil, diese eigene Sprache, die Komplexität, aber ebenso die Geschichte des jüdischen Richters, der nach dem Exil gegen die Verkrustung des deutschen Rechtswesens, gegen den nahtlosen Übergang einer Rechtsprechung, die ihr Personal aus der Diktatur in die Nachkriegszeit mit übernahm, erfolglos ankämpft, die damit eingehende zunehmende Verbitterung, die sich bis in die private Isolation auswirkt: Dieses Buch traf mich mit Wucht und ist bisher mein Favorit unter sämtlichen Buchpreisbüchern.

2013 – Terézia Mora, „Das Ungeheuer“: Hier muss ich passen – „Das Ungeheuer“ erschien mir bislang zu ungeheuerlich komplex, zu umfangreich, zu … jedenfalls: Ich hatte bisher weder Zeit noch Antrieb, es zu lesen.

2014 – Lutz Seiler, „Kruso“: Und wieder zurück in die DDR, diesmal nach Hiddensee, wo jene sich in einer Art widerständigen Kommune sammeln, die das „Festland ausgespuckt“ hat. Lutz Seilers Stärke ist die poetische Sprache. Und sie ist seine Schwäche zugleich. Der Roman war mir an manchen Stellen zu poetisch-verspielt-abschweifig, zu sprachverliebt. Und die „Pfadfinder“-Romantikszenen mit Treffen und Besäufnissen am Lagerfeuer: Vieles blieb mir fremd.

Und 2015 – ???

Am 19. August wird die Longlist bekanntgegeben. Es werden wieder Namen fehlen. Es wird wieder Kritik kommen. Es werden wieder das Procedere, die Kommerzialisierung, der oder die falsche Preisträger/in beklagt werden. Alles beim Alten also? Eines ist neu: Diesmal begleiten sieben Buchpreisblogger die Auswahl, unabhängig und alternativ. Und bilden sich ihre eigene Meinung und Stimme. Eine Herausforderung für mich, da etliche der Autor/innen für mich gänzlich Unbekannte sein werden, aber auch eine gute Möglichkeit, wieder einmal in die deutschsprachige zeitgenössische Literatur intensiver einzutauchen. Eine Möglichkeit, über die ich mich freue.

Was die anderen Buchpreisblogger derweil getrieben haben, hat Jochen auf lustauflesen.de in einem eigenen Beitrag zusammengefasst.

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20 comments on “#DBP15: Vor dem Buchpreis ist nach dem Buchpreis”

  1. Interessant auch Dein Querverweis auf die Debatte über deutschsprachige Literatur in den 1990er Jahren. Ich kann unter den Autorinnen und Autoren der 1970er und 80er viele entdecken, die ich gut finde: Elfriede Jelinek, Rainald Goetz, Gisela Elsner, Wolfgang Hilbig… Manchmal würde ich mir wünschen, die aktuelle Schriftstellergeneration würde wieder verkopfter, gewagter oder weniger realistisch erzählend schreiben. Da geht es mir ähnlich wie Dir und mir sind magischer Realismus oder die narrativ philosophierenden Französinnen und Franzosen viel näher.

    1. Lieber Tobias,
      natürlich kann man eine Literaturepoche bzw. Jahrgänge nicht in Bausch und Bogen aburteilen – es gibt um die 80er/90er Autoren, die ich schätze, den von dir genannten Wolfgang Hilbig, aber auch Plenzdorf, Goetz wird ja schon wieder, wenn man in Begrifflichkeiten operiert, der Pop-Literatur (zu Beginn) und der Postmoderne zugeordnet. Aber so Mitte der 80er störte mich diese „neue Innerlichkeit“ (Botho Strauß), dieses Selbstbezogene auch in der Literatur. Obwohl es abseits davon als Resultat der 68er wiederum auch viel politisches gab – etwas, was man der Literatur heute wiederum vorwerfen kann: Es gibt starke Erzähler, aber wenige politische Autoren in der Belletristik. So muss man sich halt immer wieder seine eigenen Leib- und Magen-Schriftsteller suchen, unabhängig von „Schubladen“.

  2. Den Buchpreisberichterstattung verfolge ich, ehrlich gesagt, erst seitdem ich selbst blogge. Mir ging es mit der Gegenwartsliteratur auch ähnlich wie Dir, es gibt so viele Bücher aus anderen Epochen, die ich noch nicht kenne. Einige der Buchpreistitel habe ich trotzdem gelesen, einfach weil mich die darin angesprochenen Themen interessierten. Mit der „Mittagsfrau“ bin ich ebenfalls nicht warm geworden, dafür hat mich „Landgericht“ sehr bewegt. Ich würde auch gern noch einen Artikel darüber schreiben, hatte schon ein bisschen zu den Hintergründen recherchiert, weiß aber nicht, ob ich das in diesem Leben noch schaffe … die Vielzahl der angesprochenen Themen ist einfach überwältigend. Eugen Ruges Buch interessierte mich, weil es in einem Milieu spielt, welches mir nicht ganz unbekannt ist und dessen Darstellung für meine Begriffe gut getroffen ist. Eine literarische Besonderheit ist es aber sicher nicht. Den „Turm“ habe ich übrigens u. a. kurioserweise deswegen nicht gelesen, weil mich die vielen Dresden-Besucher geärgert haben, die immer nach diesem Sperrgebiet am Elbhang gefragt haben, was es aber eben gar nicht gab. In Dresden hat der erste SED-Bezirkssekretär Hans Modrow nämlich bekannterweise in einer Plattenbauwohnung gelebt, was wirklich eine Besonderheit war. – Die Buchpreisblogger haben es übrigens geschafft, meine Neugier für die diesjährigen Nominierten zu wecken, auch wenn ich weiterhin vor allem abseits der Bestsellerlisten meinen Lesestoff auswählen möchte.

    1. Fa haben wir ja einen sehr ähnlichen Eindruck was die Mittagsfrau und Eugen Ruge anbelangt. Und natürlich „Landgericht“, ein wirklich sehr tiefgehendes und packendes Buch.

    1. Liebe Maren, die Energie wird schon wieder kommen…nachdem es bei uns doch deutlich abgekühlt hat, fühle ich mich im Kopf mittlerweile wieder frischer und bereit für neue Lektüre-Herausforderungen.

  3. Wenn eine der deutsche Buchpreis zum Lesen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur bringt, finde ich das sehr schön, weil ich mich manchmal etwas über Leute ärgere, die nur die großen Amerikaner, mit denen ich eigentlich meine Schwierigkeiten habe, für gut halten, während sie das Deutschsprache für verkopft etcetera halten.
    In Österreich ist man ja sehr experimentell und das narrative Erzählende findet nur ganz langsam und mit sehr vielen Vorbehalten Einzug in die Literatur, aber es gibt ihn den realistischen Roman, Josef Haslingers Opernball wurde ja noch sehr kritisiert und manche Autoren, wie die große Frau Mayröcker sagen ja noch immer „Ich lehne das Erzählen!“ ab und dann kommen die jungen Frauen und Männer, wie Cornelia Travnicek, Vea Kaiser, Anna Weidenholzer, Clemens J. Setzt, etc und einige von ihnen erzählen und stehen vielleicht auf dieser oder einer der nächsten Listen und ich bin, glaube ich, sehr für die Gegenwartsliteratur, für den realistischen Roman, kenne mich in der österreichischen mehr als in der deutschen Literatur aus und glaube auch nicht, daß wir da in zwei Monaten, den besten deutschsprachigen Roman, ganz egal, wie der jetzt heißen wird, haben werden.
    Freue mich aber jetzt schon auf das Longlistenlesen und auf die vielen Romane, die ich da in der nächsten Zeit vielleicht kennenlernen werde.
    In diesem Sinne alles Gute für die nächste Zeit und viel Freude an der Gegenwartsliteratur!

  4. Ich kaufe mir zunächst alle Titel der Longlist bei den beiden Buchpreisen, beim Booker Prize handhabe ich das nicht anders. Was ich dann wann lese, bleibt offen, da ich nicht mehr dem Aktualitätsdruck meiner ehemaligen Buchhändler-Tätigkeit ausgesetzt bin. Ich finde, beide Buchpreise geben einen guten Querschnitt durch die anspruchsvollere deutsche Literatur. das persönliche Spektrum darf dabei aber gerne weiter gefächert sein. Ein Preis ist nämlich nicht für alles und alle zuständig.

  5. Hallo Birgit,
    eine sehr schöne subjektive Sichtweise auf das Buchpreistreiben und wie es dich beeinflusst (hat).
    Ich finde, man sollte sich durch das ganze Treiben nicht den Kopf verdrehen lassen. Es ist gut, dass über Literatur debattiert wird, aber wie über diesen Preis und seine Mechanismen seit Jahren hergezogen wird, ist etwas unwürdig. Ich meine, welcher Preis, egal in welcher Kunstform, ist denn nicht kommerziell und erzeugt Aufmerksamkeit und steigert somit den Profit? Und nun?
    Ich bin jedenfalls gespannt, was du in diesem Jahr alles an deutscher Literatur für dich entdecken wirst.
    Liebe Grüße
    Marc

    1. Lieber Marc,
      danke Dir. Die Kritik am Preis ist für mich auch nur in Teilen nachvollziehbar. Und als Leserin hat mich das – also die Kritik am Preis – bislang auch nicht besonders bewegt, mir waren denn doch die Bücher wichtiger. Die Debatte ging an mir ziemlich vorbei, bis jetzt eben durch das Buchpreisbloggen ich mehrfach darauf aufmerksam wurde.
      Aber die grundsätzliche Frage ist eben schon: Wie denn soll Literatur, sollen Bücher an die Menschen kommen? Ohne Marketing geht es eben nicht. Wenn man denn nicht will, dass das Lesen zu einer musealen Kunstform wird…LG Birgit

  6. Tatsächlich habe ich nur eines der Buchpreis gekrönten Bücher gelesen: Die Mittagsfrau. Ich fand sie beeindruckend und bis heute hat das Buch einen starken Eindruck bei mir hinterlassen. Ich habe auch noch mehr von Julia Franck gelesen, was ich ähnlich beeindruckend fand. Dennoch muss ich sagen, die Krtik an einem Preis, bei dem Verlage selbst Bücher einreichen können, finde ich doch etwas übertrieben … Die Auswahl ist sicher eine schwierige und immer eine subjektive, wie Du schon schreibst. Kann gar nicht anders sein.
    Wer mal eine schöne Satire zu solchen Preisvergaben lesen möchte, die auch literarisch von einiger Qualität ist, sollte sich „Der beste Roman des Jahres“ von Edward St. Aubyn nicht entgehen lassen, der seine eigenen Erfahrungen mit dem Man Booker Prize darin wohl recht genau verarbeitet hat. https://feinerbuchstoff.wordpress.com/2014/10/02/literarisches-gelachter/

      1. Das ist Wasser auf meine Mühlen – der Mann schreibt sehr gut. Auch wenn seine anderen, wohl ebenfalls biographischen Bücher doch harter Tobak sind … dieses ist sehr amüsant. LG, Bri

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