Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.
Heute stellt sich die frankophile Durchleserin vor, die Durchleser’s Blog seit drei Jahren pflegt. Dass wir sie näher kennenlernen sollten, schlug Jarg vor, der Jargs Blog betreibt.
Dein Steckbrief in Stichworten …
Der Durchleser ist weiblich: (geborene) Bayerin, Bloggerin, Buchhändlerin, Journalistin, Leserin, Marketingmanagerin, (gefühlte) Pariserin, Proustliebhaberin, Texterin – biblioman, designverrückt, frankophil und kunstbegeistert.
Seit wann, warum und wo bloggst du?
Seit über sieben Jahren blogge bzw. empfehle ich Literatur in verschiedenen Buch- und Literaturgruppen auf einer Internet-Business-Networking-Plattform. Vor fast drei Jahren entstand – durch den Wunsch einer gewissen Empfehlungsunabhängigkeit heraus – Durchleser’s Blog, der mit WordPress läuft. WordPress wurde mir von einem befreundeten und erfahrenen Mediendesigner empfohlen und ich habe es bis heute nicht bereut!
Deine Themenschwerpunkte …
Durchleser’s Themenschwerpunkte setzen sich aus den vier Kategorien „Durchgelesen“, „Durchgeblättert“, „Zitat“ und Gedicht“ zusammen. Die beiden Letzteren – man könnte sie auch als Nebenkategorien bezeichnen – bedürfen eigentlich keiner weiteren Erläuterung, wohl handelt es sich bei den ausgesuchten und somit gebloggten Zitaten bzw. Gedichten um einen rein persönlichen, subjektiven Geschmack.
Die zwei Hauptkategorien „Durchgelesen“ und „Durchgeblättert“ bieten eine Plattform für Bücher, die mich mehr als nur faszinieren, die mich zum leidenschaftlichen Lesen verführt haben und die andere Leser meiner Meinung nach unbedingt entdecken sollten. Das bedeutet, dass ich nur Bücher empfehle, die mich absolut überzeugen, somit keine Verrisse veröffentliche, sondern den Leser auf ein bibliophiles bzw. literarisches „Bijou“ aufmerksam machen möchte. Unter „Durchgelesen“ findet man hauptsächlich Romane deutsch- und französischsprachiger Autoren. Die Kategorie „Durchgeblättert“ bietet Bild-, Foto- und Kunstbände, Bücher über Bibliotheken und Buchhandlungen, Essaysammlungen und Graphic Novels.
Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Es ist bemerkenswert und sehr spannend wie unterschiedlich doch der Literaturbetrieb bzw. die Buchbranche innerhalb Europas in verschiedenen Ländern funktioniert. Deshalb genieße ich es sehr, diese Unterschiede an den Beispielen von Deutschland und Frankreich immer wieder neu zu entdecken, zu bewerten und zu vergleichen. Gehe ich zum Bespiel in München in eine Buchhandlung und mein gewünschtes Buch ist nicht vorrätig, kann es in der Regel (bis auf wenige Ausnahmen) innerhalb von 24 Stunden bei einem Großhändler bestellt werden. Ich darf das Buch am nächsten Tag abholen. Diesen Service gibt es in Frankreich nicht, da das deutsche System Barsortiment in dieser Form dort nicht existiert.
Natürlich kann man auch in einer Pariser Buchhandlung ein Buch bestellen, das kann allerdings je nach Verlag zwischen vier und vierzehn Tagen dauern. Dadurch ist der Buchhändler hier in Frankreich stärker darauf bedacht, die wichtigsten Titel vorrätig zu haben. Eine Folge daraus ist, dass dem Leser in vielen französischen Buchhandlungen, auch wenn sie sehr klein sind, neben den aktuellen Neuerscheinungen eine Vielzahl von Backlisttiteln und Klassikern geboten wird, was wir so in Deutschland heute nur noch selten vorfinden. In Frankreich ist die Buchhandlung somit mehr Buchhandlung. Man wird dort nur in den seltensten Fällen von sogenannten Nonbooks abgelenkt. Und: Man trinkt seinen Espresso oder die Tasse Tee nicht zwischen Bücherregalen, sondern fast immer im Café nebenan.
Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?
Die Beiträge werden auf folgenden Internet-Plattformen „beworben“: Facebook, Google plus, paperblog, Twitter und Xing.
Was sollte ein Blogger besser sein lassen?
Nur dem Mainstream zu folgen und sich zu sehr von anderen Bloggern beeinflussen zu lassen. Grundsätzlich sollte man von jeglicher Art von Werbung absehen (vor allem die unermüdlich Blinkende innerhalb von Artikeln) und insbesondere für eine amerikanische Internetbuchhandlung. – Ernähren kann man sich davon trotzdem noch lange nicht! Dann doch lieber einen örtlichen Buchhändler durch Verlinkung seiner Website unterstützen!
Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?
Es gibt keine wirklichen Hürden als Blogger. Man muss nur den Zeitmangel in punkto Lesen und Schreiben irgendwie mit den vielen anderen Lebensaufgaben in Einklang bringen.
Dein schönstes Erlebnis als Blogger …
Die schönsten Erlebnisse sind direkte Autorenreaktionen auf eine Buchempfehlung, die dann sogar zu einem sehr bereichernden persönlichen Kontakt entwickeln können, und die Verlinkung des Blogs bei Verlagen und natürlich auch bei anderen Bloggern, aber besonders bei Autoren, auf deren persönlichen Websites und Wikipedia-Profilen, bei denen man dann beispielsweise in der Reihe zwischen L’Express, Le Point und Der Spiegel als einziger Blogger erwähnt wird.
Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?
Wer dem „Durchleser“ per Mail oder auch per Post ungewollt ein Leseexemplar anbietet, wird dieses Buch zu hundert Prozent sofort in der Ablage P wie Papierkorb wiederfinden. Viele empfohlene Bücher habe ich selbst gekauft oder sie befanden sich bereits vor der Empfehlung in meiner Privatbibliothek, wo noch Tausende andere schlummern. Hin und wieder bestelle ich ein sogenanntes Rezensionsexemplar, nehme mir aber trotzdem die Freiheit, dass ich darüber nichts schreibe, wenn mich das Buch nicht total begeistert und überzeugt.
Wie hältst du es mit dem E-Book?
Da ich sehr an technischem Schnickschnack interessiert bin und eine gewisse Apfelsorte besonders mag, ist für mich auch – natürlich neben dem ECHTBUCH – das E-Book eine grandiose Erfindung. Ich glaube, eine gewisse Offenheit gegenüber dem E-Book sollte heutzutage jeder Leser mitbringen. Es ist fantastisch und äußerst bequem sich eine Leseprobe direkt auf sein iPad, iPhone oder auf seinen E-Reader zu laden. Man kann etwas anlesen, ohne sich sofort für einen Kauf entscheiden zu müssen. Allerdings ziehe ich bei Gefallen letztendlich dann doch das ECHTBUCH vor, das ich vorzugsweise in einer realen Buchhandlung erwerbe. Ich halte vor Beginn der Lektüre erstmal meine Nase in das Papier, nehme einen tiefen Zug und tauche dann langsam in das neue Werk ein.
Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5)? Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächsreihe möglichst auch zu Wort kommen?
Viele der hier bereits im Interview vorgestellten Blogger gehören auch zu meinen Favoriten. Ich liebe unter anderem auch Blogs über Bücherregale, wie zum Beispiel Bookshelf Porn. Darüber hinaus verfolge ich natürlich auch sehr gerne Literatur- bzw. Buchblogs aus Frankreich wie Le Blog des Livres und La République des livres, das Blog von Pierre Assouline. Und bei den deutschsprachigen Blogs bin ich begeistert von Syn-ästhetisch und Der Umblätterer. Als Interview-Partner für diese grandiose Reihe würde ich sehr gerne den Betreiber des äußerst beeindruckenden Literaturblogs Biblionomicon vorschlagen.
Ganz herzlichen Dank, liebe Durchleserin. Auch für deine vergleichenden Betrachtungen zum deutsch-französischen Buchmarkt …
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Zuletzt stellte sich Kerstin Pistorius mit Atalantes Historien vor. Ihre Wunsch-Interviewpartnerin war die Betreiberin von SchöneSeiten. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand, findet sich hier.
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Durchleserin ist mehr als entzückt, geehrt und erfeut, sich bei dieser inspirierenden und äusserst interessanten Interview-Reihe neben vielen anderen sehr beeindruckenden bibliophilen Bloggern vorstellen zu dürfen! Ein ganz grosser Dank geht an Gesine von Prittwitz als Initiatorin dieser grandiosen Präsentationsrunde!
„In Frankreich ist die Buchhandlung somit mehr Buchhandlung. Man wird dort nur in den seltensten Fällen von sogenannten Nonbooks abgelenkt. Und: Man trinkt seinen Espresso oder die Tasse Tee nicht zwischen Bücherregalen, sondern fast immer im Café nebenan.“
Eine Buchhandlung ist eine Buchhandlung,
und ein Café möge ein Café bleiben.
Man kann wohl sagen, dass den Franzosen bestimmte Güter der Kultur
so wichtig sind, dass sie sich dagegen verwehren,
„domestiziert“ zu werden.
Die würden auch für ihre Buchhandlungen und Cafés auf die Strasse gehen,
wenn sie ihre kulturellen Grundwerte in Gefahr sähen.
In Deutschland ist soetwas wohl nicht zu erwarten.
Bei den Franzosen hat die Kultur noch „Güter“! Und somit ist auch das Buch in Frankreich noch ein wahres Kulturgut und damit sich das auch nicht ändert dafür sorgt schon das Centre National du Livre – mehr dazu auch hier unter: http://www.centrenationaldulivre.fr/?-Presentation-
Merci !
Da ich nicht rein bibliophil ausgerichtet bin,
Frankreich mehr vom Lande her kenne, also
der direkten Betrachtung und Erfahrung folgend,
kann ich zumindest sagen, dass die Franzosen
sich nicht so schnell beschwätzen lassen,
wie die Deutschen.
Das ist mir sympathisch, wobei ich nicht zu der Sorte
unkritischer frankophiler Zeitgenossen gehöre,
denen einer abgeht, wenn sie vorm Eiffelturm stehen,
oder meinen, im Café Deux Magots und anderswo gesessen haben zu müssen.
Ein schönes Interview – wieder einmal : ) Auch mir gefällt dieser vergleichende Blick, dass es in Frankreich mit der Buchbestellerei so viel länger dauert, wusste ich nicht. Und der Nebeneffekt, dass dadurch viel mehr vor Ort, also in der Buchhandlung erhältlich ist, ist ja sehr erfreulich. Ich mag die Durchleserin und ihr feines Blog sehr gern, auch deckt sich häufig unser Geschmack bei den französischen Literaturempfehlungen. Nun freu ich mich darauf, mehr über Harald und sein Biblionomicon von ihm selbst zu erfahren : )
Liebe Petra, vielen Dank für das Kompliment! Da auch Du frankophil bist, ist es kaum verwunderlich dass wir oft den gleichen guten Geschmack bezüglich französischer Literatur haben… und das finde ich einfach wunderbar!
toll,auf harald freu ich mich sehr!
dir auch danke für dein interview, auch wenn ich trotz deines blogs noch kein proust-fan geworden bin, habe ich doch schon das eine oder andere der von dir empfohlenen bücher in meinen bücherschrank umgesiedelt… und man sollte wirklich bei seinem örtlichen buchhändler kaufen, dieser hinweis ist wichtig und richtig. nur selten wird ein buch so eilig sein, daß man es – wenn man nicht direkt in die buchhandlung kommt – per post am nächsten tag braucht… ich freu mich auf viele weitere buchempfehlungen von dir!
Ja, was die Thematik Proust-Fan betrifft sollten wir daran noch etwas „arbeiten“… Doch es freut mich sehr, dass durch Durchleser’s Empfehlungen einige Werke den Platz in Deinem Bücher gefunden haben!
Sehr schönes Interview und ein gelungener Blick auf den Menschen hinter dem Blog und seine Motivation. Vielen Dank!
Die Idee von der unterstützenden Verlinkung lokaler Buchhandlungen finde ich klasse – werde ich aufnehmen.
ganz bei dir Jarg und dem Vorschlag der Durchleserin, dass bibliophile Blogger/innen via Verlinkung besser dem kleinen, feine Sortiment, der unabhänigigen Buchhandlung zur Aufmerksamkeit verhelfen sollten. – Das muss ja nicht die Lieblingsbuchhandlung vor Ort oder im Kietz sein. – Ja, ich denke, hier ist vieles möglich … Packen wir es an!
Ich denke, der örtliche kleine bzw. unabhängige Buchhändler hat wirklich mehr Aufmerksamkeit verdient, als so manche Filiale einer Kette bzw. eine uns allseits bekannte Internetbuchhandlung…!
Für Beiträge zur Dezentralisierung plädiere ich auch.
Es gibt sicher Ansätze eines Roll Back, weil nicht wenige Leute
die Nase voll haben, von unübersichtlichen Konzernen und Großunternehmen, die jeglichen Charme vermissen lassen.
Lieber Jarg, freue mich sehr über Dein Kompliment! Noch mehr freue mich darüber, dass ich durch Dich hier auch einen ehrenwerten Platz in dieser grandiosen Interview-Reihe bekommen habe!
„Man muss nur den Zeitmangel in punkto Lesen und Schreiben irgendwie mit den vielen anderen Lebensaufgaben in Einklang bringen.“ Die Durchleserin bringt es auf den Punkt, das ist manchmal äusserst schwierig zu bewerkstelligen.
Vielen Dank für das schöne Interview. Immer wieder gerne mache ich halt auf „Durchleser’s Blog“, auf dem so feine Literatur und schöne Bildbände über Bücher vorgestellt werden.
Tja der Zeitmangel ist manchmal ein „kleines“ Hindernis, um die ganze Welt der wunderbaren Literatur bei sich aufnehmen zu können. Vielen herzlichen Dank für das Kompliment!
Ein schönes Interview, das ich sehr gerne gelesen habe! 🙂
Den Gedanken, lokale Buchhandlungen durch einen Hinweis bzw. Link zu unterstützen finde ich toll. Ich habe hier in meinem ‚Viertel‘ in dem ich lebe eine kleine Buchhandlung zu der ich sehr gerne gehe … eine Verlinkung wäre da sicherllich eine schöne Sache.
Den Blog Biblionomicon kannte ich zuvor noch gar nicht und freue mich, hier auch immer wieder über neue Bücherblogs zu stolpern …
Diese Interview-Reihe ist einfach genial, so dass man immer wieder durch Blogger, die man vielleicht schon etwas kennt, wieder neue interessante Blogs entdecken kann… ! Tja und besonders freut mich, dass meine Idee, den lokalen Buchhändler zu unterstützen, so gut ankommt…
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