Abstimmung über das Asylgesetz
Bei der Volksabstimmung vom 9. Juni geht es um die elfte Revision des Asylgesetzes innerhalb von 32 Jahren. Schon seit über zwanzig Jahren wollen Bundesrat und Parlament die langwierigen Verfahren verkürzen, aber auch heute dauert es oft drei bis vier Jahre, bis ein definitiver Asylentscheid vorliegt.
Trotz des dauernden Bastelns am Asylgesetzes ist es dem Bundesamt für Migration nicht gelungen, das Ziel rascher Entscheide zu erreichen. Diese bittere Erkenntnis ist Grund genug, die x-te Revision abzulehnen. Nicht etwa in der Meinung, die Behörden sollten die Arme verschränken, im Gegenteil: Das geltende Gesetz erlaubt nämlich rasche Entscheide, doch es braucht den Willen zum Handeln. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat denn auch vorgeschlagen, über Asylgesuche von Menschen aus Südosteuropa, welche kein Visum benötigen, innert Tagen zu entscheiden, sofern nach der Anhörung keine weiteren Abklärungen nötig sind.
Zankapfel Botschaftsasyl
Doch was hat sich mit der neuesten Revision geändert, die vom Parlament am 28. September 2012 als dringlich erklärt worden und am Tag danach in Kraft getreten ist? Das Recht, auf den schweizerischen Botschaften ein Asylgesuch einzureichen, wurde abgeschafft. Dieser Zugang zum Asyl war besonderes hilfreich für mittellose Menschen, vor allem für Frauen mit Kindern. Einerseits mussten diese Asylsuchenden den organisierten Schleppern keine überhöhten Transportkosten bezahlen, andererseits musste die Schweiz, im Falle eines ablehnenden Entscheides, die Abgewiesenen nicht zum Verlassen unseres Landes auffordern, da sie sich noch in ihrem Heimatstaat oder dessen Nähe befanden.
Das Hauptargument der Politiker, wonach heute kein anderes Land das Botschaftsasyl kenne und die Mehrheit dieser Gesuche abgelehnt werde, ist nicht überzeugend. Auch bei den in der Schweiz eingereichten Gesuchen wird mehrheitlich das Asyl verweigert. Zudem besteht die Schweiz oft auf Regelungen, die von jenen der europäischen Staaten abweichen; deshalb verstehe ich nicht, weshalb sich die Schweiz ausgerechnet in diesem Bereich Europa angleichen sollte.
Kaum Auswirkungen für Kriegsdienstverweigerer
Es ist nicht nachvollziehbar, dass Deserteure und Kriegsdienstverweigerer nicht weiterhin als Flüchtlinge anerkannt werden, denn das war auch bisher nur der Fall, wenn diese Asylsuchenden Folter und unmenschliche Strafen riskierten. Sofern diese Gefahr besteht, das steht auch im abgeänderten Gesetz, darf ein Asylsuchender ohnehin nicht in sein Land zurückgeschickt werden. Er erhält dann gleichwohl Asyl oder wird vorübergehend aufgenommen.
Mehr als fragwürdig ist der Umstand, dass diese Änderung als dringlich erklärt wurde; das bemängelten nicht allein linke Ständeräte. Auch die Justizministerin erinnerte in der Parlamentsdebatte daran, dass gemäss einem Gutachten der Justizabteilung die Dringlichkeit nicht gegeben sei. Die Volksvertreter wollten jedoch ein politisches Zeichen setzen und nahmen die Verletzung der Bundesverfassung in Kauf, wie ein freisinniger Ständerat empört feststellte. Es ist also an den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, mit der Ablehnung der Vorlage die Parlamentarier zu mehr Respekt gegenüber der Verfassung zu ermahnen.
Positive Elemente der Revision
Das schroffe Nein gegen besondere Zentren für renitente Asylsuchende scheint mir das Ergebnis einer einseitigen Betrachtungsweise zu sein. Die Kritiker vergessen, dass eine kleine Minderheit von Asylsuchenden gegenüber ihren Mitbewohnern in Empfangs- und Durchgangszentren rücksichtslos auftreten. Wenn Betrunkene innerhalb und ausserhalb der Zentren lärmen und handgreiflich werden oder junge Männer andere belästigen und einschüchtern, ist das inakzeptabel, aber strafrechtlich kaum verfolgbar.
Wer als Freiwilliger mit Asylbewerbern im Gespräch ist, hört wiederholt Klagen von Frauen, Familien, aber auch von Männern. Die Opfer arroganter Asylsuchender verdienen unseren Schutz. Deshalb ist es angebracht, handgreifliche Ruhestörer gesondert unterzubringen. Dort dürfen sie jedoch nicht sich selber überlassen bleiben. Sie sollten beschäftigt und betreut werden mit dem Ziel, in die normalen Unterkünfte zurückzukehren.
Die Referendumsbefürworter wehren sich weiter dagegen, dass der Bund die Kompetenz erhalten hat, Pilotprojekte zur Beschleunigung des Asylverfahrens probeweise einzuführen. Die Opposition gegen solche Pilotprojekte widerspiegelt das Misstrauen in die Behörden. Doch Justizministerin Sommaruga ist die erste Bundesrätin, die sich ernsthaft bemüht, Mängel im Asylbereich nicht nur zu benennen, sondern zu beheben.
Weitere Verschärfungen verhindern
Übers Ganze gesehen ist die Asylgesetzrevision abzulehnen, obschon sie auch einzelne gute Vorschläge umfasst. Es gibt noch einen weiteren guten Grund für ein Nein. In den letzten 25 Jahren hat die Linke bereits vier Mal eine Volksabstimmung verlangt, die sie jedes Mal verlor: Die verschärften Asylgesetze wurden stets mit grosser Mehrheit angenommen. Ich bin deshalb nicht zuversichtlich im Hinblick auf das Abstimmungsergebnis vom 9. Juni. Gerade weil sich das Nein der Linken kaum durchsetzen dürfte, ist es wichtig, dass viele Nein-Stimmen abgegeben werden. Ein überwältigendes Ja zugunsten der Asylreform würde die SVP, unterstützt von den Freisinnigen und den Christdemokraten, ermuntern, weitere vorgesehene Verschärfungen des Asylgesetzes durchzusetzen und das Recht auf Asyl auszuhöhlen. Und das sollten wir verhindern.
Beat Allenbach meint, das neue Asylgesetz hätte kaum Auswirkungen auf Kriegsdienstverweigerer die in die Schweiz flüchten. Aber es geht um einen Grundsatzentscheid: Männer und Frauen die nicht töten wollen, die sich weigern Befehle auszuführen werden in Zukunft nicht mehr als Flüchtlinge anerkannt. Gehorsam gegenüber dem Staat wird so als oberste Pflicht postuliert. Dabei besteht auch in der Schweiz das Recht auf Militärverweigerung, was natürlich vielen Politikern hier immer noch ein Dorn im Auge ist. Am liebsten würde sie Verweigerer wieder wie früher einsperren.
Klar ist, neu wird es im Asylgesetz heissen: «Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.»
Also das heisst konkret: Assads Soldaten und auch Aufständische die in Syrien (mit Ruag Handgranaten) gegen Assad kämpfen werden in der Schweiz nicht als Flüchtlinge anerkannt, wenn es ihnen gelingen sollte in die Schweiz zu flüchten. Auch saudische Soldaten, die vielleicht wieder einmal wie in Bahrein den Auftrag haben eine Demokratiebewegung niederzuschlagen (mit Mowag-Panzerwagen), würden in der Schweiz nicht als Flüchtlinge anerkannt. Auch US-Soldaten, oder deutsche Soldaten, die nicht mehr bereit sind in Afghanistan zu töten wollen, oder mit Drohnen oder von Helikoptern aus zu killen, werden keine Chance mehr haben in der Schweiz als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Vermutlich wird man die US-Soldaten und deutschen Soldaten sogar nach den USA oder nach Deutschland zurückschicken, da ja sie dort in diesen befreundeten Staaten nicht in Gefahr sind, höchstens einige Jahre eingesperrt werden.
Es geht bei dieser Abstimmung über das Asylrecht auch um die Einhaltung der Menschenrechte und des Rechtsstaates. Die Schweiz gehört zu jenen 33 Ländern, die im UNO-Menschenrechtsrat eine Resolution zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen eingebracht haben, die am 5. Juli 2012 angenommen wurde. Mit dem neuen Asylgesetz wird aber die Kriegsdienstverweigerung und Desertion in furchtbaren Diktaturen, in Eritrea und anderen repressiven Regimes, nicht mehr als Asylgrund anerkannt.
Kriegsdienstverweigerer will man nicht mehr als Flüchtlinge anerkennen. Hingegen geht das Geschäft mit dem Krieg der Schweiz munter weiter, mit dem Krieg der auch viele Flüchtlinge verursacht.
Kriege heizt die Schweiz mit Waffenexporten an. Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet ist die Schweiz nach Israel, Schweden und Russland der viertgrösste Waffenexporteur dieser Erde. Wenn dann Männer und Frauen in diesen Kriegen, die manchmal auch mit Schweizer Waffen ausgefochten werden, nicht mehr töten wollen, will man sie hier nicht als Flüchtlinge anerkennen. Deshalb kann man nur Nein stimmen zu der erneuten Verschärfung des Asylrechtes!
Die Kehrseite der humanitären Schweiz mit dem IKRK, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, und der Entwicklungshilfe sind die Kriegsmaterialexporte. Laut der Statistik von SIPRI, des Stockholm International Peace Research Institute, steht die kleine Schweiz beim Export von Waffen in der Periode von 2000 – 2012 schon an dreizehnter Stelle. Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet steht unser Land in dieser Periode nach Israel, Schweden und Russland schon an vierter Stelle mit ihren Rüstungsexporten. (http://armstrade.sipri.org/armstrade/html/export_toplist.php).
Augenmass auf beiden Seiten gibt gute Lösungen. Vielen Dank für dem ausgewogenen und klaren Artikel.
Es ist zu hoffen, dass genügend Menschen, insbesondere Politiker, BR Sommaruga unterstützen, um die längst erkannten Mängel zu beseitigen, auch wenn man damit der SVP ihr liebstes und am meisten gehätscheltes Wahlkampfthema wegnimmt, weil das Problem dann eben gelöst wäre.
Ebenso wäre es wünschenswert, wenn sich 'fromme' Gegner der Zentren für die wenigen renitenten und unkooperativen Asylbewerber entschliessen würden, z. B. Freiwilligenarbeit im Asylbereich zu leisten. Sie würden wohl bald solche Zentren unterstützen, zum Schutz der grossen Mehrheit von kooperativen und willigen AsylbewerberInnen und auch der Angestellten im Asylbereich.
Herzlichen Dank für diesen ausgewogenen Artikel! Dass wegen c.a. 100 "renitenten" Asylbewerber dringliches Bundesrecht missbraucht wird, war Populismus in Reinkultur und ein weiterer Beweis dafür, dass die Bourgeois langsam zu echten Verfassungsfeinden mutiert sind. Wenn ich an all die Verschärfungsinitiativen zurückdenke und mich frage, was sie in Tat und Wahrheit gebracht haben, ist das Ergebnis vernichtend. Kein Problem wurde gelöst, weil politische Rattenfänger in diesem Land alles taten, um das Chaos zu etablieren, damit sie das "Asyl- und Ausländerproblem" noch Jahrzehnte lang weiter bewirtschaftet können.