Alt und lebenssatt
Natürlich bleibt es jedermann unbenommen, seinem Leben ein Ende zu setzen, wenn er es nicht mehr für lebenswert hält. Ob das Argument der Selbstbestimmung genügt, um den Altersfreitod zu rechtfertigen, möchte ich jedoch in Frage stellen. Was bedeutet denn Autonomie am Lebensende? Was ist unter einem selbstbestimmten Sterben zu verstehen? In der allgemeinen Debatte scheint klar, dass damit die eigenmächtige Festsetzung des Todeszeitpunktes gemeint ist. Die Gründe, die dafür am häufigsten genannt werden, sind Abhängigkeit und Würdelosigkeit.
Ich kann diese Argumente nachvollziehen. Und doch: Mich umbringen, weil ich ins Pflegeheim muss? Meinem Leben ein Ende setzen, weil ich gebrechlich geworden und auf Hilfe anderer angewiesen bin? Nein, ich versuche für mich die Begriffe „Autonomie“ und „Würde“ anders zu definieren. Meine Vorstellung von Selbstbestimmung besteht darin, dass ich mein Lebensende leben will: zuende leben, nicht vorzeitig abbrechen. Und meine Würde sehe ich auch dann noch gewahrt, wenn ich nicht mehr rundum über mich selbst verfüge.
Zu meinen, man könne ein Leben lang alles im Griff haben, halte ich für eine grosse Illusion. Der Versuch, Würde auch im Zustand höchster Verletzlichkeit zu erkennen, ist eine der grossen Herausforderungen am Lebensende. Ob ich ihr gewachsen sein werde, weiss ich nicht. Aber ich möchte es zumindest erfahren.
Ich finde jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben selber zu entscheiden, wann es genug ist. Alt und ausgedient ost wohl eher das Motto unserer heutigen Gesellschaft. Wenn man z.B. mit 40 schon zu alt für den Arbeitsmarkt ist und "ausgesondert" wird, wie soll man da noch weiter 20, 30 40 Jahre verbringen? Sicher nicht in Freude. Sondern wohl eher in Armut und Einsamkeit. Ist DAS lebenswert, nach einem harten Berufsleben? Eindeutig NEIN. Von daher bin ich ganz klar dafür, dass jeder der es möchte, an die "endgültige Pille" zu kommen.
Ich respektiere jegliche Meinung anderer, sofern auch meine eigene Ansicht was Selbstbestimmung zum Ableben meines eigenen Lebens respektiert wird. Leider komme ich nicht umhin zu erkennen, dass immer wieder versucht wird, die eigenen Ansichten demjenigen, der sich entschieden hat, aus welchen Gründen auch immer,seinem Leben ein Ende zu setzen, aufzuerzwingen. Es ist in Ordnung, wenn ein Mensch davon überzeugt ist, sein Leben zu Ende zu leben. Genauso ist es in Ordnung, wenn er sich dagegen entscheidet. Das eigene Leben ist wohl das persönlichste und wertvollste Gut eines Menschen. Während des ganzen "Lebens" wird so viel Fremdbestimmt, da ist es doch wohl nicht zuviel verlangt, wenn mann diesen letzten, endgültigen Entschluss eigenmächtig verantworten darf, OHNE ständige "wenns" und "abers". Sicherlich haben alle Argumente ihre Berechtigung, und sie werden ja auch von denjenigen er- und durchlebt die davon überzeugt sind. Genauso haben aber Menschen, welche anderer Meinung sind was ihr eigenes Leben betrifft auch ein Recht auf freie Entscheidung.
Frau Sprung, Sie glauben, es sei "wohl nicht zuviel verlangt, wenn mann (sollte wohl man heissen, nicht wahr !?) diesen endgültigen Entschluss eigenmächtig verantworten darf, ohne ständige wenn und abers." Nun, ihrem glaubenden Verlangen kann und will ich nicht folgen. Da steht mir der "Seiende" viel zu nah. Ihm überlasse ich getrost alle endgültigen Entscheidungen für mein wahres Leben. Ich weiss, Er liebt auch mich. Denn Er liebt alle, die Ihn suchen und offene, auch schwere Fragen haben.
Sehr treffend, nachvollziehbar und weiterführend. Danke.
Die Ehre der Alten. Die Arbeit ist gemacht, die Gesellschaft hat man mitgeprägt, viel Lebensweisheiten erworben und nun liegt kostbares Wissen brach, ungenutzt. Schade eigentlich! Konfuzianismus lehrt Respekt vor dem Alter. (Keiro no hi) Eines Tages ist die Zeit der Jugend, die Zeit der Schönheit und Eros vorbei. Das entgleiten der Jugendlichkeit wird jedoch verzweifelt bekämpft mit Botox und Schönheitschirurgie. Dabei wird vergessen, es gibt eine innere und eine äussere Schönheit. Die gehören nun wirklich zusammen. Gesichter lesbar wie Bücher, Leben durch tiefe Furchen eingeschrieben. Lachfalten als Hieroglyphen entzifferbar. Alles nichts mehr wert? Wir sollten uns schämen! Ist dies nun wirklich entartete Kunst? Eine neue schändliche Art von Bücherverbrennung? Wo sind wir nur hingeraten, wir Wegwerfgesellschaft, wir Verbraucher. Mit Zuneigung und Liebe wären sicher viele zu retten!...cathari