Asyl für Snowden!

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Asyl für Snowden!

Von Reinhard Meier, 12.03.2015

Der US-Whistleblower Edward Snowden muss sich peinlicherweise in Putins Russland verstecken. Wir sollten seinem Wunsch nach Asyl in der Schweiz entgegenkommen.

Der weltberühmt gewordene amerikanische Whistleblower Edward Snowden, der vor zwei Jahren westlichen Medien Dokumente über flächendeckende – zum Teil illegale – Datensammelpraktiken des US-Geheimdienstes zugespielt hatte, hat in der vergangenen Woche die Hoffnung geäussert, in der Schweiz Asyl zu finden. Er gab seine Erklärung in einer Skype-Schaltung aus Moskau am Genfer Filmfestival über Menschenrechte ab, wobei er darauf hinwies, dass er als Geheimdienstmitarbeiter der amerikanischen Botschaft mehrere Jahre in Genf gewohnt  habe.

Falls ein solcher Antrag vorliegt oder noch eintrifft, sollte die Schweizer Regierung ihn wohlwollend prüfen und wenn immer möglich positiv beantworten. Weshalb? Snowden hat gewichtige Informationen über Abhörpraktiken amerikanischer und anderer verbündeter Geheimdienste enthüllt. Doch damit ist er keineswegs schon als niederträchtiger Vaterlandsverräter überführt, wie einige Kritiker meinen. In einigermassen funktionierenden demokratischen Staaten sollten die Öffentlichkeit oder zumindest die gewählten Volksvertreter wissen, in welchen Dimensionen die Geheimdienste Informationen über die eigenen Bürger abzapfen und speichern dürfen. Die Uferlosigkeit dieser behördlichen Sammelwut, über die Snowdens Dokumente aufklären, hat selbst eine so beherrschte Politikerin wie die deutsche Bundeskanzlerin Merkel zum Protest getrieben – auch ihr Mobiltelefon wurde abgehört.

Leider gibt es bisher keine Indizien, dass die amerikanischen Behörden den Whistleblower Snowden anders als einen kriminellen Verräter behandeln würden, falls er ihnen in die Hände fallen sollte. Die drakonische Härte, mit der der US-Soldat Bradley Manning wegen seiner – ähnlich gelagerten – Whistleblower-Aktivitäten behandelt und verurteilt worden ist, machen Snowdens Flucht nach Moskau verständlich. Präsident Obama hat keinerlei Bemühungen erkennen lassen, Snowden freies Geleit zu einer ernsthaften Anhörung vor einem Kongressgremium zu garantieren, obwohl er zunächst von der Nützlichkeit einer breiten Diskussion über dessen Enthüllungen gesprochen hatte. 

Umso peinlicher bleibt es für die sogenannte freie Welt, dass Snowden ausgerechnet in Putins autokratischem Russland Zuflucht suchen muss. Wenn die amerikanische Regierung nicht die Grosszügigkeit aufbringt, diesen Geheimdienst-Analytiker grundsätzlich als das anzuerkennen, was er mit hoher Wahrscheinlichkeit ist – nämlich ein Staatsbürger mit ehrlicher Sorge über die unkontrollierte Totalüberwachung der Bürger –, dann sollten wenigstens andere demokratische Länder mit humanistischer Tradition ein besseres Beispiel setzen. Die Schweiz als neutrales Land könnte sich damit verdient machen, auch wenn das einige Risiken nach sich zieht. Selbst in den USA dürfte das auf breiteres Verständnis stossen. Immerhin ist der eindringliche Film von Laura Poitras über Edward Snowden dieses Jahr in Hollywood als bester Dokumentarstreifen ausgezeichnet worden.

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Ist das eine Medien-Ente?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Snowden wirklich in die Schweiz kommen will. Genausowenig kann ich mir vorstellen, dass er je hier ankäme, resp. lange hier bleiben würde.
Die Schweiz würde beim geringsten Knurren aus USA das Handtuch werfen und den Mann schleunigst entsorgen (ausschaffen?). M.E. sind Russland und China die einzigen Staaten die nicht vor den USA in die Knie gehen und Snowden Asyl gewähren, wie das Beispiel Russland schon gezeigt hat.
Vielleicht könnte er noch in Nordkorea anklopfen?

@ V. Meier: Tatsächlich sind vermutlich Russland und China die einzigen Staaten, die nicht vor den USA IN DIE KNIE GEHEN!!
@Gast: "CitizenFour" hab ich gesehen. Beeindruckend! Besonders der Schluss, wo's um Ramstein geht, wenn ich richtig verstanden habe.

Um sich selber ein Urteil zu bilden: Unbedingt den Film "CitizenFour" anschauen, der zur Zeit in den Kinos läuft!

Super Idee: Asyl für Edward Snowden in der Schweiz! Wir bekämen wahrscheinlich Probleme mit der Weltmacht. Erpressungen und Schikanen aller Art. Trotzdem wäre es eine gute Sache!

Edward Snowden sollte sich gut überlegen, als Whistleblower in der Schweiz Asyl zu verlangen. Den die Schweiz hat (auch) eine Geschichte, die Behandlung von Schweizer Whistleblower war nicht immer von der feinsten Art. Erinnern wir uns an:

- Bradley C. Birkenfeld der UBS Genf. Hat allerdings dafür in den USA 104 Millionen $ verdient.
- Hervé Falciani, ein französischer Bänkler, von der Schweiz gesucht wird.
- Stéphanie Gibaut, UBS
- Rudolf Elmer, Bank Julius Bär
- Pierre Condamin-Gerbier, ehem. Genfer Bänkler
- Christoph Meili, ehem. UBS

Die Liste kann fast endlos fortgesetzt werden. Whistleblowing scheint in unserem Land fast gänzlich in der Bankenindustrie sein "Unwesen" zu treiben. Die meisten der Whistleblower flohen ins Ausland, denn, egal was Motivation (und sei diese idealistisch wie bei Meili), Whistleblowing scheint nicht ein Schweizerisches Charakterideal zu sein. Nur eben, Edward Snowden wird von den unbeliebten Amerikanern gesucht. Würde der Bundesrat ihn an die USA ausliefern? Die Frage bleibt offen.

Guter Vorschlag, Herr Meier, wir gewähren Chodorkowski Asyl in Jona, warum nicht auch Snowden ein Zürichsee-Asyl bieten, zum Beispiel Uetikon am See, Herrliberg sollte für Kaliber wie Putin reserviert bleiben...

Die eidgenössischen Politik-Darsteller pflegen gerne in 1. August-Reden die grosszügige Asylpolitik zu rühmen.

Wenn es aber um Snowden geht, der nun wirklich alle Voraussetzungen für Aufnahme in der angeblich freien Schweiz erfüllt, so haben diese hochbezahlten Entscheidungsträger die Hosen voll.

Es wäre ja wirklich zuuh schlimm, wenn unser Aussenpolitisches Departement dann der Schande ausgesetzt wäre, das Mandat der Vertretung der USA in einigen Schurkenstaaten zu verlieren.

Oder noch schlimmer: Wenn wegen anschliessender Verdreifachung der Bussen aus USA für die kriminellen Grossbanken der Schweiz noch weitere teure Bankenrettungen notwendig würden.

Bei solchen Perspektiven bleiben wir doch lieber neutral - oder??

Was man auch immer von diesem Vorschlag halten mag (wieso nicht?), ist er zumindest mal nicht die übliche Formulierung "Warum der Staatsschutz mehr Möglichkeiten braucht" (nzz.ch Frontseite heute), was eher copy-paste der Staatspropaganda eines "Drittwelt-Landes" klingt.

Ob ein ähnlicher Text wohl unter Herr Gujer in der NZZ noch erscheinen dürfte? Wohl nicht.

Ich bin auch dafür, dass Snowden in der Schweiz Asyl erhält. Die Reise nach der Schweiz wäre jedoch problematisch. Es könnte sein, dass die USA das Flugzeug mit dem Passagier Snowden stoppen und auf einem Nato-Stützpunkt zur Landung zwingen würden. Assange sitzt ja auch schon lange in London fest, weil er Angst hat, Schweden würde ihn an die USA ausliefern. Aber dennoch: Der Bundesrat sollte offiziell Snowden Asyl in der Schweiz anbieten. In der Schweiz dürfen auch Oligarchen aus Russland leben, die ihr Vermögen sicher nicht mit eigenen Händen verdient haben, gelinde gesagt.

Etwas anderes: An der Zeit wäre es, wenn die Schweiz endlich die Kriegsmaterialexporte nach den USA stoppen würden. Die USA behandelt nicht nur seine mutigen Bürger, wie Snowden und Manning unmenschlich, auch die Gefangenen in Guantánamo werden seit 13 Jahren nicht freigelassen. Ihnen wird nicht einmal der Prozess gemacht. Der CIA Report über die Verhörmethoden und Folterungen zeigt, wie die USA seine Inhaftierten behandelt, ohne dass die führenden Leute die diese Misshandlungen befohlen haben zur Rechenschaft gezogen werden. Diese Folterungen im Irak, in Guantánamo und in geheimen Gefängnissen in Osteuropas und anderswo sind dem Bundesrat, wie uns auch, sicher seit Jahren bekannt. Diese Menschenrechtsverletzungen hätten längst ein Stopp der Waffenexporte nach den Vereinigten Staaten zur Folge haben müssen. Auch die Kriege die die USA mit ihren Nato-Vasallen immer wieder führen, hätten längst dazu zur Folge haben müssen, keine Kriegsmaterialexporte nach den USA und an andere Nato Staaten mehr zu bewilligen. Die Kriegsmaterialverordnung schreibt klar und unmissverständlich vor: Rüstungsexporte an Staaten sind verboten, wenn „das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist.“, oder „die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen“.

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