Brauch-tum als Budgetleitfaden

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Brauch-tum als Budgetleitfaden

Von Markus Schärli, 17.12.2015

Die Bauern werden im Budget 2016 von den Sparmassnahmen ausgenommen. Sie haben das Wort Brauchtum in ein Abzocker-Brauch-tum verwandelt. Was der Bauer braucht, soll der Steuerzahler zahlen.

Egal, dass die Industrie unter dem starken Franken ächzt und sich landauf landab KMU-Chefs fragen, wie sie die notwendige Produktivitätssteigerung erreichen sollen. Das kümmert die Agro-Lobby einen Deut. Sie haben gelernt die hohle Hand zu machen, ihr Brauch-tum als Leitfaden der Budgetdebatten im Bundesbern zu institutionalisieren. Wir brauchen dies. Wir brauchen das. Bern zahlt; den Steuern der Firmen sei Dank. Die Bauern können sich auf dem Ofenbänkli räkeln, die Unternehmer müssen rackern.

Kein Wunder, dass sich andere Branchen unsere Agro-Abzocker zum Vorbild nehmen. Die Tourismusbranche zum Beispiel. So meinte hotelleriesuisse CEO Christoph Juen in der Bilanz vom 11. Dezember kürzlich:  „Wir brauchen einen Eurokurs der sich oberhalb der auch für den Hotelgast wichtigen psychologischen Grenze von 1.10 befindet. Dafür muss die Nationalbank sorgen.“

Ein Brauch-tum-Träumer mehr, der sich nur überlegt, was er und seine Klientel braucht – mit welchem Schaden das für den Rest der Wirtschaft verbunden ist, kümmert keinen Deut.

Da bleibt zum Sparen nichts

Wir brauchen dies. Wir brauchen das. Das neue Brauch-tum blüht.
Und weil es so gut funktioniert übt sich auch das Parlament im Brauch-tum. Landauf landab werden trotz guter Wirtschaftslage Budgets überschritten, obwohl es zum Grundlagenwissen der Ökonomie gehört, dass die wirksamen wirtschaftspolitischen Massnahmen eines Keynes in einer Rezession nur dann funktionieren, wenn sich die Politiker in den fetten Jahren beherrschen konnten und Reserven anlegten. Tun sie aber nicht. Ihre Klientel braucht dies und braucht das, da bleibt zum Sparen nichts.

Politiker und Sparen, das ist wie Feuer und Wasser.  Deshalb haben die Politiker auch keine Kontrolle über das „Geld machen“. Diese Funktion wurde einer unabhängigen Nationalbank übergeben, welche nicht auf das Brauch-tum der Politiker schielt sondern auf die Bedürfnisse einer gesunden Volkswirtschaft. Diese geniale Idee sollte man auch auf das „Schulden machen“ ausweiten. Auch hier müsste eine unabhängige Institution darüber wachen, dass Schulden machen und Sparen antizyklisch zum Wohle der gesamten Volkswirtschaft eingesetzt werden. Es wäre eine sinnvolle Barriere gegen die ausufernde Anspruchshaltung und Abzockermentalität vieler Politiker, die ohne Rücksicht auf das Gesamtwohl des Staates, ihrer Klientel Vorteile zuschanzen.

Unabhängige Instanz

Diese Instanz würde die Parlamente in guten Jahren dazu verpflichten weniger als die Einnahmen auszugeben, um in schlechten Jahren auf die angehäuften Reserven zurückgreifen zu können. So einfach wäre das.  Seit Keynes weiss man, dass es so einfach wäre. Nur haben es die Politiker bis heute nicht geschafft es umzusetzen.

Eine solche Institution, welche nichts anderes als jedes Jahr vorgibt, ob Budgets eine Sparquote oder eine Reserve-Auflösungsquote aufweisen, garantiert zwar immer noch nicht, dass Parlamentarier das Budget intelligent einsetzen. Institutionell lösen könnte man aber die Tatsache, dass Politiker nur noch entscheiden, für was sie das Geld der Steuerzahler ausgeben, aber nicht mehr, wie viel sie davon ausgeben. Denn die unabhängige Instanz würde emotionslos und unabhängig ermitteln, ob die Wirtschaftslage rote oder schwarze Budgets erfordert… oder um den Kreis zu schliessen,  wie viel von den Politikern beim Abzocker-Braucht-tum verpulvert werden kann.

Anfang Jahr noch nahm es Herr Schärli der Nationalbank übel dass sie im Spielcasino-Stil Fremdwährungen aufkaufte und nun soll die SNB als löbliches Vorbild für Politiker dienen?
Der Artikel ist verwirrend geschrieben, die Kausalität zwischen SNB/Politiker und Landwirtschaft/Abzocker sieht für mich aus wie ein Puzzle ohne passende Teile.
Ein Bauer würde liebend gerne unternehmerisch Handeln aber dafür sind die gesetzlichen Grundlagen sehr eng und oftmals auch absurd ausgelegt. Die Politiker in Bern wollen eine wortwörtlich grüne Schweiz und degradieren so die Bauern zu Landschaftspflegern. Sobald es aber um Ökologie geht (kurze Transportwege) da werden landwirtschaftliche Güter importiert mit dem Verweis auf Freihandelsabkommen, offene Grenzen und dass sich ein Agronom dem Markt stellen müsse!
Ein Bundes-Politiker welcher einen jährlichen Geldsegen vom Staat erhält welcher rund dem 3-fachen Einkommen eines landwirtschaftlichen Betriebs entspricht ist sich wohl kaum bewusst welchen Hohn diese Worte enthalten.
Da wird zum Beispiel entschieden dass nur noch 120 Hochstammbäume pro Hecktare subventionsberechtigt sind und nicht mehr 160 weil dadurch ein paar Franken weniger ausbezahlt werden müssen. Da Mostobst aber fast kein Geld einbringt (Konzentrat aus dem Ausland ist billiger) werden logischerweise 40 Bäume gefällt. So weit denkt wohl kaum ein Politiker, er wird sich wohl eher entrüsten dass schon wieder Hochstammbäume aus dem Landschaftsbild verschwinden.
Oder dann werden künstlich Anreize geschaffen wenn fruchtbares Ackerland nicht bewirtschaftet wird sonder darauf eine Blüemliwiese spriesst. Das führt zur abstrusen Situation dass die Subvention für diesen Blätz Land höher ist als der Ertrag einer Ernte von Mais oder Getreide. Soll nun der Bauer ökonomisch denken oder sich doch für das Brauch-TUN entscheiden und Nahrungsmittel anbauen?

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