Brunei: George Clooney hat recht
Brunei ist klein, aber reich. Was allerdings nicht für alle rund 0,5 Millionen Einwohner dieses Öl-Sultanates im malaysischen Archipel gilt. Reich sind primär der Familienclan der Bolkiah, der Brunei regiert und die rund zehn Prozent der Bevölkerung, welche in verwandtschaftlicher Beziehung zum Clan stehen.
Hassan Bolkiah wurde 1968 mit 22 Jahren Sultan und 1964, dem Jahr der Unabhängigkeit von Grossbritannien, auch unumschränkter Herrscher in Brunei. In einer wohl global einzigartigen Ämterkumulation ist der Sultan ebenso und gleichzeitig Premier-, Aussen- und Verteidigungsminister, zudem auch Universitätsrektor und Kommandant der Feuerwehr.
Schweizerische Kronprinzessin
Ihm nachfolgen wird Kronprinz Al-Muktadeen Billah. Dieser ist mit Sarah verheiratet, einer Tochter eines bruneiisch-schweizerischen Ehepaars. Sie könnte mit ihrem von der Mutter geerbten Aussehen als Hauptdarstellerin eines ‘Heidi’-Films durchgehen, wenn man einmal von Hijab und Juwelen absieht. Letztere sind ein Markenzeichen der Bolkiahs: Anlässlich ihrer Hochzeit hielt die Braut einen ungewöhnlich kleinen Blumenstrauss in der Hand, der sich beim näheren Zusehen als ein immenses Schmuckstück aus edelsteinbesetzten Goldhalmen herausstellte.
Kurz nach ihrer Heirat besuchte das junge Paar die Fribourger Heimat Sarahs, was damals die hiesigen Spalten der People-Presse füllte. Ebenso wie ihre Hochzeit, welche sich in verschiedenen Gemächern des Sultanspalastes über drei Tage hinzog. Kein Wunder, bei den über 1500 Zimmern des ‘grössten Palastes der Welt’. Anders als Gerüchte wissen wollen, sind indes die Kalt-und Warmwasserhähnen im Palast nicht aus Gold gefertigt, jedenfalls nicht jene in den Besuchertoiletten.
In jüngerer Zeit sind die ‘home stories’ über die (halb)schweizerische Kronprinzessin versiegt. Das allmächtige Hofprotokoll von Brunei spielt die europäische Seite im jahrhundertealten Bolkiah-Herrscherclan bewusst herunter.
Keine gottesfürchtige Vergangenheit
Sultan Hassan und sein jüngster Bruder Jefri waren gegen Ende des letzten Jahrhunderts als ‘reichste Männer der Welt’ bekannt und zeigten dies auch. Im Falle Jefris ist von rund 15 Milliarden Dollar die Rede, welche er mit ausschweifendem Lebenswandel verprasst hatte, was selbst seinem dem Luxus keineswegs abholden Bruder zu viel wurde. Jefris wurde vom Staatsfond von Brunei, der Brunei Investment Authority BIA, verklagt und aus dem Lande verbannt.
Er zog von einer seiner Luxusherbergen, etwa dem ‘Dorchester’ in London, dem ‘Plaza Athénée’ in Paris und dem ‘Beverly Hills Hotel’ in Los Angeles, zur anderen. Später musste er diese der BIA überschreiben und wird seither in Brunei wieder geduldet. Eine Weile lang hielt er sich im Tessin auf, wo ihm allerdings die Niederlassung verweigert wurde.
Fortschreitende Islamisierung
Brunei ist jüngst in die internationalen Schlagzeilen gerückt, weil eine weitere Verschärfung des bereits bestehenden Scharia-Teils in Straf- und Zivilrecht in Kraft getreten ist. Steinigung, Abhacken von Gliedmassen und andere mittelalterliche Strafen gelten neu auch für gleichgeschlechtlichen Sex und andere, mindestens im westlichen Ausland nicht geahndete Sachverhalte.
Angesichts eines internationalen Aufschreis und – wohl wirkungsvoller – eines angedrohten Boykotts, respektive Aktionen gegen Vermögenswerte der BIA im Ausland, hat der Sultan präzisiert, dass die Durchführung aller Todesstrafen in Brunei seit Jahren aufgeschoben sei und bleibe.
Was aber nichts daran ändert, dass diese Tatbestände nun festgeschrieben sind und die Aufschubpraxis jederzeit geändert werden kann, was nicht auszuschliessen ist. Brunei ist lediglich ein, wenn auch extremes Beispiel eines beunruhigenden Trends in den muslimischen Staaten Südostasiens, also primär in Malaysia – Brunei eng verwandt – und Indonesien.
Diese fortschreitende Entwicklung soll zum vermeintlich ‘reinen’ Islam führen, wie er bis vor rund dreissig Jahren allein im wahhabitischen Saudi-Arabien und teilweise auch in anderen Golfstaaten bekannt war. Die Al-Saud haben bekanntlich schon im 19. Jahrhundert einen Pakt mit dem damaligen Islampuristen Al-Wahab geschlossen, nach dem dieser sich um die Seelen der Saudis und die Herrscherfamilien um die Macht im Staate kümmern.
Es geht um den Machterhalt
Hassan geht seit Jahren diesen Weg, um die absolute Macht seiner Familie zu erhalten. Als via islamische Geistliche von Gott eingesetzter Chef ist jede Kritik an ihm – oder gar das Infragestellen dieser Macht –Gotteslästerung und nach der mittelalterlichen Scharia zu bestrafen. Dies geht weit über die Rechte Einzelner, wie beispielsweise Homosexueller hinaus und verunmöglicht die Bildung einer Zivilgesellschaft, die auch in Brunei mehr Rechte und einen grösseren Anteil am Nationalvermögen fordern würde.
Etwa für jenen Teil der Bevölkerung, der weiterhin in Kampongs auf dem Wasser lebt, also in Pfahlbauten und in prekären sozialen Verhältnissen, wie man aus vertrauenswürdigen Quellen erfährt. Noch mehr Wirkung als George Clooneys Proteste würden zweifelsohne Massnahmen grosser Ölmultis haben – im Falle Bruneis wäre das die Shell-Company. Aber kommerzielle Interessen sind stärker.
Beispiel Saudi-Arabien
Das zeigt wiederum das Beispiel Saudi-Arabien: Neben Öl-Multis huldigen auch kleine Investoren und Politiker dem mächtigen Öl-Scheich auf der arabischen Halbinsel. Ein Indiz dafür ist zum Beispiel der glänzende Verkauf der ersten Saudi-Aramco Obligationen, nur kurze Zeit nach dem Abklingen der internationalen Erregung über die Ermordung des Kritikers Kashoggi in der eigenen Botschaft in Istanbul.
"Wir tun das nicht zum Spaß", sagte Sultan Hassanal Bolkiah damals, als er die dreistufige Einführungsphase vorstellte, "sondern um Allahs Befehle aus dem Koran zu befolgen."
Allah locuta causa finita. Islam heisst das Zauberwort und nicht ohne Grund eben auch Unterwerfung.
Hier zu sehen ist das Bemühen, die fortschreitende Islamisierung mit vielen politischen Überlegungen als Resultat machtpolitischer Spiele darzustellen. Sprich Machterhalt einzelner Familien/Potentanten.
Ich weiss, dass das linksliberale Milieu um keinen Preis von einem Kampf der Kulturen sprechen will. Aber genau das steht zu befürchten. Die "Hintermänner" spielen keine Rolle im Gesamtbild.
Fakt ist für viele Realisten, dass der Westen sehr schlecht gerüstet ist für diese Auseinandersetzung, die wir höchstens als folkloristische Kuriosität sehen.
Lieber Herr Daniel Woker
Sollte jemand den Versuch wagen, autoritäres Prinzip zu bekämpfen,von einer Persönlichkeit zu einer Partei oder einer mengenmässigen Mehrheit, sprich eventuell einer Medienorientierten zu verschieben, was dann? Man gewinnt zwar an Meinungsfreiheit, verliert aber an Sicherheit. So ist es überall. Leider sind Menschen bereit, eigene Erfahrungen oder Überzeugungen schnell zu hinterfragen und auch zu revidieren, wenn Schwarmverhalten durch Autoritätsgläubigkeit Sicherheit suggeriert. Die Frage lautet also: Müssen wir uns damit abfinden, dass weder gesellschaftliche Ordnungen, noch die Wissenschaft frei von jenem naturgegebenem Zwang sind, eben diesem, der anerzogenenen Autoritätsgläubigkeit? Wir scheinen uns auch hier nicht freimachen zu können! Die Kritikfähigkeit eigener Meinungen scheint auch bei uns noch nicht so weit verbreitet zu sein. Evolution dauert und dauert, wir sehen es an vielen Orten und hoffen besonders hier auf Beschleunigung.
Ich Grüsse Sie! …cathari