China in der Zwickmühle

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China in der Zwickmühle

Von Peter Achten, Peking - 16.03.2014

Die Krise in der Ukraine löst nicht nur im Westen Unbehagen aus. Angela Merkel ist wenig geeignet, Lektionen zu geben. Überforderter OSZE-Präsident Didier Burkhalter?

China, ansonsten Russland eher zugeneigt, steckt in einer diplomatischen Zwickmühle. Die Krim-Resolution im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte mit dem erwarteten Veto Russlands keine Chance. Für westliche Begriffe schon eher überraschend war die Enthaltung der Volksrepublik China, die sonst im UNO-Sicherheitsrat oft mit Russland stimmt.

In der Ukraine-Frage freilich befindet sich Peking in einer diplomatisch höchst unangenehmen Situation. Schon zu Beginn der Krise agierte Peking vorsichtig und hat Moskaus Position nie explizit unterstützt. Die chinesische Diplomatie tat das, was sie seit Jahr und Tag tut. Sie wiederholte jenen Standpunkt, der seit je in internationalen Konflikten von Syrien bis Nordkorea wie ein roter Faden zu ihren diplomatischen Inventar gehört: Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten nämlich. Auch vergangene Woche hiess es sowohl im Aussenministerium als auch an der Pressekonferenz von Premier Li Kejiang, dass nur Dialog, Kommunikation, Koordination und diplomatische Gespräche und Verhandlungen die Krise entschärfen könnten.

Eine Volksabstimmung ist absolut tabu

Diese Haltung kommt nicht von ungefähr. Die chinesischen Führer verbitten sich jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten, z.B. wenn es um Tibet, Taiwan oder die Uiguren in Xinjiang geht. Unverletzlichkeit der Grenzen und territoriale Integrität ist die Grundlage der chinesischen Aussenpolitik. Nur zu gut erinnern sich die führenden Genossen auch an den Zusammenbruch der Sowjetunion oder an die Studenten- und Arbeiterproteste 1989 in Peking auf dem Platz vor dem Tor des Himmlischen Friedens Tiananmen. Deshalb sind Volksaufstände wie eben jetzt auf dem Maidan-Platz in der Ukraine eine strikte „innere Angelegenheit“ der Ukraine.  Auch eine Volksabstimmung wie eben auf der Krim ist etwas, das für China absolut tabu ist. Man stelle sich vor eine Abstimmung in Tibet, Taiwan oder Xinjiang. Undenkbar.

Aus chinesischer Sicht kommen dazu höchst aktuelle, potentiell brisante Probleme im eigenen Umfeld. Im Ostchinesischen Meer droht ein Konflikt mit Japan um vermutete reiche Öl- und Gas-Vorkommen. Die unbewohnten kleinen Felsinseln werden in China Diaoyu und in Japan Senkaku genannt. Im Südchinesischen Meer geht es ebenfalls um Rohstoffe. Die Inseln werden aber gleichzeitig von Vietnam und den Philippinen beansprucht. Schliesslich hat China im Gelben Meer mit Korea noch einige Felsinsel-Rechnungen offen. In all diesen Konflikten verbittet sich China jede Einmischung in „innere Angelegenheiten“ oder eine Erörterung durch internationale Organisationen. Bilateral durch Dialog mit China müssten diese Differenzen bereinigt werden.

Wie Hitler?

Während der Westen mit China pfleglich umgeht, hyperventilieren Politiker und Medien, wenn es um Russland geht. Gewiss, das russische Vorgehen in der Krim ist völkerrechtswidrig. Aber gleich mit „Sudetenland“, „Anschluss“ und „Appeasment“ die Zeit unmittelbar vor dem II. Weltkrieg zu beschwören, zeugt von  wenig Geschichtskenntnissen. Die ehemalige amerikanische Aussenministerin Hillary Clinton, immerhin mögliche Präsidentschaftskandidatin, soll nach der amerikanischen Website „globalpost“ neulich in Kalifornien gesagt haben, dass das russiche Vorgehen mit dem gleichzusetzen sei, was „Hitler in den 1930er-Jahren getan“ hat. In einem Op-ed-Beitrag in der NZZ hiess es dunkel, die Weltgemeinschaft stehe am Scheideweg.

Dass der Westen, insbesondere aber die Europäische Union, seit Jahren eine zwiespältige Rolle spielt, ist mitverantwortlich für das harsche, völkerrechtswidrige Vorgehen Moskaus. Ein Blick auf die Karte genügt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben sich viele Ostblockstaaten  wie Polen, Lettland, Litauen, Estland, Rumänien oder Bulgarien – nicht ohne Grund – der EU und dem Verteidigungsbündnis Nato geradezu in die Arme geworfen. Der von der Sowjetunion errichtete Cordon Sanitaire zerbrach. Zähneknirschend gab Russland klein bei.

Didier Burkhalter – überforderter OSZE-Präsident?

Doch im kollektiven russischen Bewusstsein ist weder Napoleons Angriffskrieg von 1812 noch vor allem der Überfall der Nazis 1941 vergessen. Gerade Bundeskanzlerin Angela Merkel ist deshalb wohl am wenigsten geeignet, Präsident Putin mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger Lektionen zu erteilen. Dass das aggressive Werben der EU zunächst um Georgien und dann um die Ukraine Russlands Misstrauen erwecken und Reaktionen hervorrufen würde, hätte mit ein klein wenig Geschichtskenntnissen unschwer vorausgesehen werden können. Das Treffen des französischen und deutschen Aussenministers mit Präsident Jakunowitsch nur einen Tag notabene vor dessen Flucht nach Russland war in der Tat keine diplomatische Meisterleistung. Ebenso wenig übrigens wie das Wirken des überforderten OSZE-Präsidenten, Bundespräsident Didier Burkhalter und dessen vermeintlichen „neutralen“ Star-Diplomaten Tim Guldimann. Fazit all dieser Diplomatie: Ausser Spesen nix gewesen.

Hätten die Vereinigten Staaten von Amerika heute jemanden vom Format eines Henry Kissingers, wäre die jetzige amerikanische Moralkeule gegen Russland unnötig. Die Lösungsvorschläge des 90 Jahre alten Kissinger: Die Ukraine wählt ihre politische und wirtschaftliche Assoziierung frei und selbständig. Die Ukraine verzichtet aber auf einen Nato-Beitritt. Wie Finnland soll die Ukraine international eine neutrale Position einnehmen. Dafür verzichtet Russland auf eine Annexion der Krim, die im Gegenzug mehr Autonomie von Kiew bekommt. Doch dafür ist es jetzt wohl endgültig zu spät.

Der grosse Fiesling, fast wie Kim Jong-un

Nicht erst seit der Krise in der Ukraine bekommt Russlands Präsident Putin im Westen sein Fett ab. Jetzt aber bei der erwarteten Übernahme der Krim-Halbinsel verkommt Putin in der westlichen Wahrnehmung zum grossen Fiesling auf der Achse des Bösen, fast in der gleichen Liga wie Nordkoreas pausbäckiger Jungspund Kim Jong-un. Das deutsche Nachrichten-Magazin der „Spiegel“, nie um eine knackige doch schiefe Schlagzeile verlegen, bildet Putin auf der Frontseite ab mit dem Titel „Der Brandstifter“. Chinas autoritärer Staats- und Parteichef Xi Jinping dagegen befindet sich in der veröffentlichten westlichen Meinung schon fast auf der „Achse des Guten“ und wird fast so etwas wie eine Lichtgestalt.

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sg.herr achten,
sie versuchen,und das gelingt ihnen auch,ausgewogen zu schreiben.die situation ist momentan problematisch und unübersichtlich auf einer seite,auf der anderen seite kann man klare muster beim vorgehen in der ukraine erkennen.der vergleich mit lybien wäre angebracht.anfangs wird eine demo organisiert und damit verbundene ausschreitungen,sogar fallen die schüsse,medien sind dabei,grosse entrüstung ,vor allem im westen. diktator und schlächter ist ein gängiger begriff , dann werden die paläste und sich dort befindende teurere sammlung von limousinen etc.gezeigt.ich will dieses szenario nicht weiter beschreiben,steht alles in unseren"medien".die frage,was ist mit unserer zivilisation los, bietet sich dringend an! in medien wird unermüdlich behauptet, dass das vorgehen russlands( auf der krim) völkerrechtswidrig ist.ist jemand fähig diese situation aus der neutralen perspektive zu beschreiben! es liegen auch aussagen von wahlbeobachtern des referendums,von bewohner der krim,von leuten direkt in sewastopol,welche die situation ganz anders beschreiben.hat ein land wie russland nicht das recht russische bevölkerung auf krim zu schützen!?.wer ist jetzt an der macht!?lupenreine demokraten?antwort liefert ihnen gregor gysi,beim wortmeldung im deutschen parlament,zur lage in der ukraine.wie so melden sich nicht zum wort, alle die friedensnobelpreisträger und appelieren an die vernuft und den frieden und gegen den wahnsinn und die angst mit welchen wir ständig konfrontiert sind.haben psychopathen dieser welt im würgegriff!? wenn ja, dann ist die zukunft der menschheit besiegelt!wahrscheinlich sind das die letzten zuckungen des ungerechten,aber noch immer mächtigen finanzsystem auf unserem globus.

Danke für diese besonnenen Betrachtungen die doch Einiges relativieren. Berufserfahrung und eine Distanz, aus der Europa schon recht klein wirkt, helfen da wohl(?).

Es ist eine westliche Taktik den Gegner in den Medien als Hitler darzustellen. Sadam, Gadaffi, die Taliban, Kim Jong-un, Assad, der Iran und nun Putin.
Die Achse des Bösen ist eine reine Erfindung, vermutlich von einer amerikanischen Medienagentur, die sich solchen Schwachsinn ausdenkt um die Menschen zu überzeugen, dass Krieg gegen diese Gegner eine gute Idee ist. Wenn der Spiegel wieder einen neuen Hitler ausfindig macht, weiss man dass die Amis das geschrieben haben.

Klar, war die russische Reaktion auf den von Amerika, England und den Deutschen provozierten Putsch nicht gerade regelkonform. Aber der Westen hat sich darüber auch noch nie Gedanken gemacht, als er seine Uranmunition in Jugoslavien, Irak, Afghanistan, Libyen verteilte. Übrigens zum Schaden der nächsten 500 Millionen Generationen auch an Pflanzen und Tier.
Also diese Sadisten sollen nun nicht so Grosskotzig mit Verträgen daherkommen, an die sie sich selbst auch nicht halten. Überhaupt wäre die Krimkrise nie entstanden, hätten sich die lieben Westkräfte sich in der Ukraine nicht eingemischt.
Dass Putin sich vom Westen nichts mehr sagen lässt und nebenbei mehrere Milliarden US-Dollars abstösst, bevor auch nur Sanktionen ausgesprochen wurden, zeigt mir, dass er zu allem bereit ist.

Wie ich las, zogen auch viele russische Investoren ihr Geld im grossen Stiel (mehrere hundert Milliarden) aus dem Westen ab, was dem kriesengeplagten Westen in die Knie zwingen kann.

Katharina 08.04.1782 Krim –Russisch!
Einziger winterfester Kriegsflottenhafen von Russland.
Von hoher strategische Bedeutung. Wesentlich wichtiger für Russland als der amerikanische Riesenstützpunkt Bond-Steel im Kosovo….Stopp… Henry Kissingers Vernunftplan sollte uns ein Anliegen sein….Stopp… Der Mann ist 90ig und weise geworden….Stopp… Westliche Politiker dürfen nicht ohne die Demokratie zu befragen mit dem Feuer spielen….Stopp… Wir wollen nicht mit unseren Kindern für deren Profitsucht bezahlen….Stopp Telegramm…cathari

Diego Garcia (ind, Ocean)wäre ein möglicher Landeplatz, falls die gesuchte Maschine noch unterwegs ist!..cathari

Ja, als Terrorist mit gestohlenem Flugzeug würde ich unbedingt Diego Garcia anfliegen. Das heisst, wenn ich die ganze Menschheit mitnehmen will. Sonst eher nicht.

Man sollte sich mal auf der Insel umsehen, vielleicht schwimmen einige Leichen im Meer mit je zwei Schuss im Herz und Kopf.
Oder man braucht die Geiseln noch, um die chinesische Regierung zu erpressen oder für einen False Flag in der Ukraine. In Kiew hat es einige Hochhäuser, naja Ihr wisst schon...

Vielleicht werden die neuen geopolitischen Fronten klarer, wenn man sich diesen Kommentar von Immanuel Wallerstein zu Gemüte führt:
www2.binghamton.edu/fbc/commentaries/archive-2014/371en.htm
Kurz: Es könnten neue Allianzen auftauchen:
- Pazifisch USA+China+Satelliten
- Eurasisch: EU(D/F)+Russland+Satelliten
Keineswegs beruhigend! Aber NATO gegen SCO is es noch weniger.
Vorläufig scheinen die USA aber (siehe Madame "Fuck the EU") nochmals die Fronten des alten kalten Kriegs zu bemühen.
Und die Schweizer Zeitungen (NZZ, TAM voran) gebärden sich so US-hörig, dass man das Land geoideologisch eher in Osteuropa lokalisieren müsste..
Dabei könnte Herr Burkhalter heute erstmals seit langem die FORMALE Nichtbindung der Schweiz zwischen USA, EU, Russland, China und den direkt betroffenen Staaten/Regionen zum maneuvrieren ausnutzen. Bei seinem Talent scheint er aber daran zu sein, sich alle nach und nach separat zu Feinden zu machen.

Denke, die Russen kämpfen nur für sich alleine. Russland ist in den ehemaligen Ostblockstaaten keineswegs beliebt und traut den Chinesen nicht so richtig über den Weg. Weiss man doch, dass China gerne grosse Teile Sibiriens gerne annektieren möchte, und muss Stärke demonstrieren. Trotzdem sind die beiden Länder näher befreundet, als es die EU mit Russland ist.
Ich hoffe, unser Bundespräsident vertritt unsere völlige Neutralität, wie auch die der OECD und distanziert sich von den reisserischen einseitigen US-Hörigen Massenmedien. Die bei ihnen nicht genehmen Themen sehr gerne Gedächtnisschwäche haben. Bestes Beispiel siehe weiter unten.

Tendenziell versuche ich eine Krise immer global zu sehen. Sa sieht man, dass eine Abspaltung wie auf der Krim keine Seltenheit ist, auch wenn sie hier von einem anderen Land gewissermassen erzwungen wird.
In Venedig stimmt man aktuell ebenfalls über eine Abspaltung von Italien ab, eine Tatsache, worüber die Schweizer Medien praktisch nie berichteten, auch die Italiener nicht!!! Die Schweiz wäre aber definitive betroffen von einer veränderten Situation in Italien, die möglicherweise sogar gefährlich werden könnte, z.B. Bürgerkrieg, da der obere Teil Italiens der reichere Teil darstellt.

In Schottland will man auch nicht mehr von London regiert werden. Ähnliche Tendenzen sehe ich in den USA, wo sich eine Minderheit vom Süden abspalten wollten, was aber misslang. In ein paar Jahren versucht man es bestimmt erneut. In Belgien gibt es ebenfalls gewaltige Spannungen unter den beiden Bevölkerungsteilen. Das Thema Spaltung wird oft genannt. China hat Spannungen durch Tibet und soviel ich informiert bin, wollen die Uiguren auch eine Abspaltung.
In Spanien stimmen die Katalonier im November ab. Die Korsen wollten sich auch schon von den Franzosen trennen. Auch im ehemaligen jugoslavischen Raum gibt es immer wieder Spannungen. Im eroberten Libyen sowieso. In der Schweiz gab es Jurassier oder Walliser, die sich abspalten wollten.
Es zeigt sich also, dass viele Menschen mit den aktuellen Landesgrenzen und dem Grad der der Mitbestimmung nicht zufrieden sind. Oder man identifiziert sich einfach nicht mit dem restlichen Land. Man darf nicht vergessen, dass viele Landesgrenzen nicht gerade friedlich entstanden sind und uralte Konflikte oft nicht gelöst werden konnten. Gerade wenn man die italienische Geschichte betrachtet, war die Gründung des Landes unter äusserst merkwürdigen Vorgängen entstanden.
Bei den EU Ländern kommt noch dazu, dass die Leute durch die jahrelange Wirtschaftskrise kein Vertrauen mehr in die EU besitzen und sich stärker ohne EU sehen.

http://german.ruvr.ru/news/2014_03_16/Venedig-Referendum-uber-Abspaltung...

http://www.schweizmagazin.ch/nachrichten/ausland/18620-Venedig-stimmt-be...

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