Die wirklichen Probleme

Daniel Woker's picture

Die wirklichen Probleme

Von Daniel Woker, 06.07.2015

Europa hat im Vergleich zum Griechenlandthema wichtigere Probleme zu lösen: Ukraine, die illegale Immigration und den Anschluss an den Welthandel.

Die griechische Tragikomödie ist zwar noch lange nicht zu Ende, aber die gemässigte Reaktion der Weltmärkte auf das Volksnein hat deren internationalen Stellenwert aufgezeigt: Weniger als zwei Prozent macht Griechenland aus am gesamten Wirtschaftsaufkommen der Eurozone. Ohne Finanzminister Varoufakis sinkt zudem auch der Unterhaltungswert dieses Lehrstückes, wie eine links- und rechtsnationalistische Koalition ein ohnehin seit Jahrzehnten schlingerndes Staatsschiff vollends zum Kentern bringen wird.

Wunderkiste Geld

Die klassische griechische Tragödie endet bekanntlich mit der schlimmstmöglichsten Variante. Dies wäre hier ein chaotisches Heraustaumeln aus dem Euro und zurück in die Drachme. Das ist keineswegs auszuschliessen, aber für den Euro durchaus verkraftbar. Im Gegensatz zu gewissen Fundamentalkritiken - primär aus dem angelsächsischen Wirtschaftskuchen und dort interessanterweise von rechts (normal, die Hayekaner) und links (Paul Krugman) - war der Euro nicht ein politischer, sondern ein zwangsläufiger ökonomischer Entscheid. Der freie europäische Wirtschaftsraum, dem ja auch die Schweiz angehört, hat zu einem festen Gewebe von so zahlreichen transnationalen Produktions-, Wertschöpfungs- und Vetriebsketten über den ganzen Kontinent hinweg geführt, dass die Schaffung einer einheitlichen Währung zwangsläufig erfolgen musste, um für alle gleichlange Spiesse zu garantieren.

Ja, für alle. Auch für jene, welche wie Griechenland den Euro bei seiner Einführung primär als Wunderkiste voll von billigem Geld verstanden haben. So wie Irland, Portugal und Spanien. Im Gegensatz zu Griechenland haben diese Länder indes ihre bittere Medizin geschluckt und sind damit zu den schärfsten Gegner einer zu nachgiebigen Lösung für Griechenland geworden. Nicht einmal das haben die Populisten von Syriza &Co. verstanden, welche ausgerechnet die definitiv unpreussische deutsche Bundeskanzlerin und ihren Finanzminister als diabolische Hauptfeinde darzustellen trachten. Mit dem Resultat, dass nun das gesamte Europa sich nichts sehnlicher wünscht, als den unberechenbaren hellenischen Kobold im europolitischen Spiel verschwinden zu sehen.

Dilemma der Schweiz

Ausgerechnet die Schweiz würde wohl vom unkoordinierten Austritt Griechenlands aus dem Euro am meisten zu befürchten haben. Ein Fall des Euro und damit weiterer Aufwertungsdruck auf den Franken würde uns, einmal mehr, vor die Wahl zwischen Pech oder Schwefel stellen: Entweder bläht die Nationalbank durch ‘Glättung’ der Spekulationsschwankungen ihre Bilanz auf oder die schweizerische Wirtschaft rutscht via zusammenbrechender Exporte, verlorener Arbeitsplätze und ausbleibender Touristen vollends in eine Rezession ab.

Es bliebe nur eine Lösung: eine feste, durch keine Spekulation in Frage zu stellende Anbindung des Schweizer Frankens an den Euro (wie dies Dänemark mit seiner Krone tut) oder gleich die wirtschaftlich ideale, aber (innen)politisch schwierige Einfügung in die Einheitswährung.

Die Krise um die Ukraine

Gemessen daran sind andere Probleme weit gravierender. Wie der schweizerische, stellvertretende Missionschef der OSZE Alexander Hug nicht müde wird zu betonen, hat sich die Lage an verschiedenen Waffenstillstandslinien zwischen der ukrainischen Regierung und den von Moskau entscheidend gestützten Separatisten in den letzten Wochen wieder stark zugespitzt. Letztes Mittel, vor einer generellen militärischen Auseinandersetzung, welche niemand will, sind wirklich schmerzhafte, westliche Sanktionen gegen die Scharfmacherclique um Putin sowie, leider, auch gegen die russische Wirtschaft generell.

Dies ist zwar kurzfristig schlimm für jene, welche unter solchen Boykotten am meisten leiden, aber immer noch besser als die beiden einzig möglichen Alternativen: militärisches Eingreifen oder die Tolerierung einer gewaltsamen Grenzänderung in Europa, welche von allen Europäern vom Atlantik bis zum Ural 1990 ausdrücklich ausgeschlossen worden ist.

Die Kompromissparameter sind bekannt, an Begegnungs- und Gesprächsmöglichkeiten zwischen allen Kontrahenten besteht keinerlei Mangel. An in der Schweiz so eifrig propagierten Vermittlungsdiensten besteht international kein Bedarf. Das beste, was die Schweiz tun kann, ist, sich möglichst lückenlos in die Sanktionsfront einzureihen. Dies muss allein schon deswegen geschehen, um dem Verdacht zu entgehen - und allfälligen späteren Massnahmen gegen Blockadebrecher - mit Abseitsstehen Konfliktsgewinne anzustreben.

Immigration

Griechenland ist nicht nur ein Opfer seiner Machtcliquen und unfähigen Regierungen, sondern neben Italien auch im Moment das Land mit den höchsten Zahlen illegaler Einwanderer aus der südlichen, und südöstlichen Perpherie von Europa. Was dieses zweite, wirkliche Problem anbelangt, so muss sich Europa bewegen, um den Griechen und den Italienern helfen.

Die gegenwärtige Lage ist aus drei Gründen intolerabel. Weitere menschliche Tragödien im Mittelmeer unterhöhlen den europäischen Anspruch, globaler Hort der Menschenrechte zu sein. Wilde, illegale Einwanderung fördert zweitens die Verunsicherung in weiten Kreisen der Bevölkerung, was sich populistische Scharfmacher auf extrem linker, aber vor allem auf rechter Seite zu Nutze machen.

Drittens braucht Europa eine europäisch geplante und ausgerichtete Immigrationspolitik von ausserhalb des Kontinentes. Dies ist schwierig, muss doch zur selben Zeit die interne Migrationspolitik - eine Kroatin in Irland, ein Pole in London und eine zypriotische Familie in Deutschland sind nicht Immigranten, sondern Teilnehmer am EU-Binnenmarkt mit grundsätzlich europaweiten Sozialregeln - verfeinert und vor allem der eigenen Bevölkerung erklärt werden. Nichtsdestoweniger muss Europa auch klare Regeln für jene aufstellen und durchsetzen, die von ausserhalb kommen. Sei es, weil sie anderswo direkt an Leib und Leben bedroht sind, oder sei es, weil ein alterndes Europa von neuen Arbeitskräften nur profitieren kann.

Globale Perspektive

Bekanntlich ist Europa oft noch eigener Nabelschau verpflichtet, wie im Moment gerade mit Bezug auf Griechenland. Es vergisst dabei die globale Perspektive. Kürzlich wurde in wirtschafts- und handelspolitischer Sicht ein Markstein gesetzt. Dank einem wegweisenden Entscheid im amerikanischen Kongress ist der Abschluss eines transpazifischen Freihandelsvertrages (TPP, Trans- Pacific Partnership), welcher rund ein Drittel des Welthandels regulieren wird, entscheidend näher gerückt.

Dies wiederum muss die EU anspornen, einerseits das seit einiger Zeit in Aushandlung begriffene Transatlantisches Freihandelsabkommen mit den USA (rund ein zweites Drittel der Weltwirtschaftsbeziehungen) entscheidend vorwärts zu treiben und andererseits bilaterale Freihandelsverträge mit der Asean (Südostasien) und mit China substanziell in Angriff zu nehmen. Beides ist für nachhaltiges Wachstum in Europa, welches eben wieder auf einen entsprechenden Pfad zurückgefunden hat, unendlich viel wichtiger, wirtschaftlich und politisch, als der Ausgang des griechischen Kammerspiels.

Für die Schweiz übrigens auch. Mit China haben wir zwar einen bilateralen Freihandelsvertrag, mit den USA , in der Folge des Misserfolges der internationalen Seite schweizerischer Agrarpolitik, aber nicht. Es ist vorauszusehen, dass auf mittlere Sicht die kommenden EU-Verträge sowohl Richtung Westen als auch Osten zum Goldstandard der entsprechenden Wirtschaftsbeziehungen werden. Auch hier bleibt für die Schweiz letztlich nur der autonome Nachvollzug, soll unsere Industrie gegenüber der EU-Konkurrenz nicht hoffnungslos ins Hintertreffen gelangen. Wie viel rationeller, und auch rationaler, wäre ein EU-Beitritt ohne Wenn und Aber.

Ähnliche Artikel

Alles richtig - bis auf den letzten, kleinen aber die schweizer souveraenitaet vernichtenden satz.
Als nicht schweizer und eu buerger muss ich warnen: vor den fatalen konsequenzen die ein eu beitritt nach sich zieht.
Der ukraine sind vom imf und der eu bis dato rund us$ 30 milliarden geschankt worden, mit dem versprechen einen grossen schuldenschnitt durchzufuehren und die allerkleinsten zinsen zu verlangen...bezahlt wird das alles wie ueblich durch die eu steuerzahler...
Die immigration wird von den hier schon ansaessigen muslimen in ihren interesse betrieben bis hin zur politischen einflussnahme auf die staatlichen organe in der eu, darum brauchen wir uns auch nicht zu kuemmern denn der eu buerger hat dazu nichts zu sagen...
Mit der einfuehrung des ttip, der schon jetzt von der eu kommission und den 'parlamentariern' der eu durchgewinkt wurde, wird der eu buerger endgueltig versklavt, verdummt und verkauft...an die grosskonzerne und die usa banken...
Griechenland wird genuegend geld erhalten um deren obere 10000 und die politiker die naechsten drei jahre notduerftig zu ernaehren, dann geht das spiel um geld, nur mehr verstaerkt durch spanien und irland, von vorne los... Bezahlen wird der rest der mittelstaendischen eu buerger, die allerdings auch auf den absteigenden wirtschaftlichen ast sitzen und deren kinder wohl keine glueckliche zukunft mehr haben werden...
Fazit: vergiss die eu, ganz schnell, und sei froh, dass die schweiz so ist wie sie ist: bieder, etwas langsam, solide und mit kompromissbereiten politikern und einigermassen wachen buergern...

Europa könnte das Problem Ukraine lösen, in dem es die finanzielle Unterstützung für das verfaulte Regime in Kiew einstellt. Das sollte nicht schwer sein und erspart den Bürgern in der EU obendrein jede Menge neue Schulden.

Keiner - auch nicht die direktest an den Verhandlungen beteiligten Leute - weiss wie diese Geschichte weitergeht und wie sie endet.
Bis jetzt erkennt man nur das jeder Tag eine neue Halloween- Wundertüte für Brüssel bereit hält. Die Konfusion kennt keine Grenzen. Krisenmanagement geht anders. Tendenziell geht es wohl eher vermehrt um Austritte aus der EU als um Beitritte.

Die EU-Juristen haben von Glühbirne, Bananen-Krümmung,
Staubsauger bis zum Obst-Anbau alles reguliert. Doch
ausgerechnet für den Euro-Crash finden sie in ihren Schränken
und Ordnern keine Verordnung, nach der sie vorgehen könnten:
Griechenland fällt nämlich in zwei Tagen in das Schwarze Loch
zwischen EU und Euro. In diesem Loch wird es sehr unangenehm.
Menschen, die das schon vor Jahren vorhergesagt haben, wurden
als Verschwörungstheoretiker und Pessimisten beschimpft.

Warum werden die frisch geretteten Afrikaner nicht umgehend
gleich mit dem Rettungsschiff nach Afrika in ihre Heimat oder
in benachbarte Länder gebracht? Die Wiederaufnahme oder
die Aufnahme läßt sich mit einer Kürzung oder mit Erhöhung
der Entwicklungshilfe erzwingen oder erreichen.

Bis jetzt konnten die griechischen Rentner ihre arbeitslosen
Kinder unterstützen. Wenn jetzt nichts oder nur 60 EUR von
der gekürzten Rente ausgezahlt wird, dann müssen die jungen
Griechen nach Deutschland arbeiten gehen und ihre Eltern
und Familien von dort unterstützen. Wohnung oder Wohnheim
werden die Griechen in Deutschland kaum finden können,
die sind schon längst mit Wirtschaftsflüchtlingen aus Afrika
überbelegt.

Griechenland steht bald ganz ohne finanzielle Unterstützung von außen da. Die ELA-Notkredite reichen nur noch bis Mittwoch. Danach haben die Banken keine Liquidität mehr und können den Griechen keine einzigen Euro mehr ausgeben. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass sich der eine oder andere mittellos gewordene Grieche zum Geld-Abheben an einen harmlosen Touristen wenden könnte, oder aber sogar die Gucci-Handtasche einer erholungsbedürftigen Dame aus Düsseldorf mit dem Geldautomaten seiner lokalen Alpha-Bank verwechseln könnte.

Die Ukraine ist in der Tat das noch größere Fass ohne Boden. Und auch noch ein paar Nummern korrupter als Griechenland.

Die Schweiz sollte sich mit dem Beitritt zu der EU
beeilen, solange es die EU noch gibt. Die Zukunft
der EU ist unsicher. Bei der hohen Verschuldung,
Arbeitslosigkeit, TTIP, Griechenland-Allimentierung,
Ukraine-Allimentierung, Sanktionen gegen Russland,
US-Diktat zur Sanktionen und Aufrüstung gegen
Russland, Umzug von Millionen von Afrikanern in
die EU sehe ich die Zukunft der EU auch ohne Krieg
gegen Russland dunkelschwarz.

diese neoliberale transatlantische propaganda ist des j21 unwürdig. wer heute noch in die eu will hat wohl demokratietheoretisch sowie ökonomisch wenig sachverstand...

Konfrontation, Taktieren, Hinhalten!
Die GR-Regierung hat weiterhin keinen Plan. Man weiss weder wo genau man hin will, noch was für langfristige Massnahmen für GR sinnvoll wären. Die Europäer belügen, die Deutschen als N@,zis beschimpfen und die Schulden als "illegal" erklären. Das ist alles, was dies Regierung in petto hat. Und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, da braucht man sich gar nichts vor zu machen. Diese Regierung wird in GR definitiv nichts reformieren. Jeder Cent der jetzt noch nach GR geht ist Betrug am europäischen Steuerzahler!

Lieber Herr Woker, herrjeh, seht Ihr denn nicht was in der EU los ist??? Möchte die Schweiz sich wohjl an den....??????......Milliarden beiteiligenu und den Berg mit übernehmen ??? Haben Sie nicht gesehen, wie man gelogen un d betrogen hat, wie war das noch mit Greecs Aufnahme???Wo ist das Verbot von bail-out ??`?Ist Euch denn Euer Geld nicht zu schade für diesen Club? Die Schweiz soll die Schweiz bleiben, um Gottes Willen !!!!!!!!!!!!!!!!!! Sie brauchen diesen Verein nicht, DER bräuichte EUCH !!

SRF Archiv

Newsletter kostenlos abonnieren