Gesucht: Konzept zur Lösung der Koreakrise
So geschlossen trat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen noch selten auf. Gemeinsam verabschiedeten seine 15 Mitglieder am Mittwoch eine Erklärung, in der sie die jüngsten Raketentests Nordkoreas „streng verurteilen“. Die am Sonntag in Richtung Japan abgefeuerte Salve von vier ballistischen Flugkörpern sei eine „schwere Verletzung der internationalen Verpflichtungen Nordkoreas“, heisst es in dem Papier.
Abfuhr aus Washington
Konkrete Schritte zeitigte die Dringlichkeitssitzung des für die Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit zuständigen Organs nicht. Alle sind sich einig, dass Nordkorea auf dem Weg zu einer unberechenbaren Atommacht gestoppt werden muss, doch niemand weiss wie. Einen vernünftigen Vorschlag zur Deeskalation legte China auf den Tisch: Nordkorea soll sein Atomwaffenprogramm aussetzen, regte der chinesische Aussenminister Wang Yi an. Gleichzeitig müssten die USA ihre mit Südkorea durchgeführten Grossmanöver abblasen.
Washington erteilte den Chinesen umgehend eine Abfuhr. Zuerst müssten die Nordkoreaner „irgend eine positive Handlung bekunden“, antwortete die neue US-Botschafterin bei der Uno, Nikki Haley. „Alle Optionen liegen jetzt auf dem Tisch“, führte Haley aus, ohne zu präzisieren, ob damit auch ein militärischer Schlag gemeint ist.
Demonstrative Einigkeit
Präsident Donald Trump hat offenbar auch kein Rezept. Immerhin könnte seine Zurückhaltung bedeuten, dass er eine diplomatische Lösung nicht ausschliesst. Konsequent abgelehnt wird der chinesische Vorschlag von Japan. Nicht ein militärisches Stillhalteabkommen sei das Ziel, sondern die nukleare Abrüstung Nordkoreas, erklärte der japanische Uno-Botschafter Koro Bessho.
Die demonstrative Einigkeit des Weltsicherheitsrats bei der Abfassung eines Papiers verschleiert das Fehlen eines Gesamtkonzepts. Allen ist klar, dass die Einstellung des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms nur auf dem Verhandlungsweg zu erreichen ist. Die einzige Alternative dazu wäre ein Krieg mit unabsehbaren Folgen.
Kündigung des Atom-Abkommens
Es ist in Vergessenheit geraten, dass Washington und Pjöngjang schon einmal handelseinig waren. 1994 einigten sich die USA und Nordkorea in Genf auf einen Atomdeal. Der nordkoreanische Diktator und Staatsgründer Kim Il-Sung verpflichtete sich kurz vor seinem Tod, alle Nuklearanlagen unter internationaler Kontrolle zu verschrotten. Als Gegenleistung versprach US-Präsident Bill Clinton, in Nordkorea zwei militärisch unbedenkliche Leichtwasserreaktoren zur Stromgewinnung zu bauen und während der Überbrückungszeit Erdöl zu liefern. Dieses Abkommen hielt bis 2002. Die Nordkoreaner traten dem Atomwaffensperrvertrag bei und zerstörten ihre beiden Reaktoren, aus denen sie früher waffenfähiges Plutonium abgezweigt hatten.
Der Deal kippte nach dem Amtsantritt von George W. Bush. Der neue US-Präsident kündigte das Abkommen, nachdem sich beide Seiten des Vertragsbruchs bezichtigt hatten. Kim Il-Sungs Sohn Kim Jong-Il baute die zerstörten Reaktoren wieder auf, vertrieb die Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Organisation und zog sich aus dem Atomwaffensperrvertrag zurück. Verhandlungen zwischen sechs betroffenen Staaten (Nord- und Südkorea, China, USA, Russland, Japan) in Peking über eine „Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel“ verliefen im Sand.
Eine Chance?
Der dritte Gewaltherrscher aus der Kim-Dynastie, Jong-Un, führt das Atomwaffenprogramm seines Vaters weiter. Seit 2006 testete Nordkorea fünf Atomsprengsätze und 26 ballistische Raketen. Ob die Nordkoreaner in der Lage sind, diese Flugkörper mit miniaturisierten Gefechtsköpfen zu bestücken, ist umstritten. Es ist relativ einfach, auf festem Boden einen Atomsprengsatz zu zünden. Hingegen braucht es enorme Fähigkeiten in den Bereichen der Feinmechanik und der Elektronik, um auf einer Trägerwaffe nach dem Wiedereintritt in die Atmosphäre genau über dem Ziel in Hunderstelsekunden eine nukleare Kettenreaktion auszulösen.
Womit will Pjöngjang solchen Aufwand bezahlen? Die grosse Kostenlawine droht über die Nordkoreaner hereinzubrechen, falls sie Ernst mit dem Aufbau einer glaubhaften Atomstreitmacht machen. Ihre wirtschaftliche Basis ist schwach. China kauft ihnen keine Kohle mehr ab, die Uno wird die Sanktionen verschärfen. Vielleicht birgt gerade diese Krise die Chance einer tragfähigen Verhandlungslösung.
Während Südkorea sich anschickt die Weltmärkte zu erobern und längst wirtschaftliches Westniveau erreicht hat, verpulvert der nordkoreanische Feldherr die Milliarden. In einem Länderbericht im Juni 2012 hatten die Vereinten Nationen noch festgestellt, dass rund zwei Drittel der 24,1 Millionen Nordkoreaner nicht genug zu essen hätten. Kim Jong-un und sein Clan lassen es sich derweil weiterhin gut gehen.
China akzeptiert nur ein wiedervereinigtes Korea als chinesischen Vasallen, was es übrigens unter der Mandschu-Dynastie jahrhundertelang war. Es darf durchaus kapitalistisch sein, aber nicht zu sehr demokratisch. Diese Vorstellung ist nicht die der Südkoreaner, Wiedervereinigung ja, aber die Demokratie muss bleiben. Vasall von China nein, mit Neutralität zwischen China und den USA könnte man leben. Die Amerikaner und Japaner wollen keine Veränderung des Status Quo, wenn Wiedervereinigung nur als Verbündeter der USA, gleich wie Deutschland 1989. Jede Veränderung bedeutet für die nord-koreanische Machtelite, dass sie von der eigenen Bevölkerung am nächsten Laternenpfahl aufgehängt wird, dies mussten Honecker und Co. nie fürchten. Krenz, der Mauerschütze, lebt heute unbehelligt in Deutschland.