Griechenlands Linke ohne jede Idee

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Griechenlands Linke ohne jede Idee

Von Stephan Wehowsky, 09.06.2015

Die Syriza-Regierung versagt viel dramatischer, als der jetzige Verhandlungsstand anzeigt.

Seit bald sechs Monaten ist die neue Regierung im Amt. Rechnet man die Monate hinzu, die die Partei Syriza hatte, um sich zu formieren und den Wahlkampf zu führen, kommt man auf ein gutes Jahr Zeit für neuartige Entwürfe.

Besserwisserei

Was in dieser Zeit nicht entstanden ist, sind Konzepte für einen Kurswechsel. Diese Konzepte gibt es nur als Gerüchte. Statt dessen belehrt insbesondere der Finanzminister Yanis Varoufakis die Gläubiger Griechenlands über Wirtschaftstheorie. Dahinter stehen die Konzepte des ehrenwerten John Maynard Keynes, die durchaus nicht unbekannt sind.

Anstatt mit eignen Konzepten und Vorschlägen die Gläubiger vor sich herzutreiben, sind es diese, die die Initiative ergreifen und ständig neue Vorschläge und „Kompromisse“ als „allerletzte“ Einigungsmöglichkeiten vorlegen.

Es mag sein, dass die Finanzpolitik der EU und ihrer „Institutionen“ wirtschafts- und finanzpolitisch falsch ist. Aber warum kann Alexis Tsipras nicht einen einzigen Vorschlag zur Sanierung seines Landes vorlegen, der geeignet wäre, wenigsten in Teilen der europäischen Öffentlichkeit Beachtung und Anerkennung zu finden?

Parolen statt Konzepte

Dieser Mangel ist viel dramatischer, als er auf den ersten Blick erscheint. Denn er könnte nicht nur den Staatsbankrott und den Austritt Griechenlands aus der EU zur Folge haben. Noch schlimmer ist die Tatsache, dass eine linke Regierung, für die sich die Vertreter der EU mittlerweile mehr Zeit genommen haben als jemals zuvor für irgendein anderes Land und seine politischen Vertreter, buchstäblich mit leeren Händen dasteht.

Das heisst im Klartext: Zumindest in Griechenland hat eine linke Partei nichts anderes zu bieten als Parolen. Wenn es um Konzepte geht, greift man ins Nichts.

Das ist erbärmlich. Noch erbärmlicher ist es, dass dieselben linken Politiker, anstatt endlich ihre Hausaufgaben zu machen, nichts besseres zu tun haben, als die übrigen Europäer vor dem Staatsbankrott und Zusammenbruch Griechenlands zu warnen. Das ist so jämmerlich wie die Drohung mit seinem Suizid.

Kulturell anschlussfähig?

Es gibt sehr gute Gründe dafür, Griechenland im Euro halten zu wollen. Denn ein Zusammenbruch dieses Landes hätte zur Folge, dass die Griechen noch nicht einmal mehr eine Syriza-Regierung hätten. Das Land käme vom Regen in die Traufe. Europa müsste eine weitere Intensivstation errichten und finanzieren, um sich selbst vor den Folgen der neuen Anarchie zu schützen.

Europa steht aber vor der Frage, ob Griechenland kulturell anschlussfähig ist. Das ist um so bedauerlicher, als es in Griechenland eine breite Schicht von hervorragenden, klugen und hochmotivierten Akademikern und Unternehmern gibt, die zum besten gehören, was die europäische Kultur zu bieten hat.

Aber das Land schafft es immer wieder mit seiner politischen und administrativen Unfähigkeit, diese Leute entweder aus dem Land zu treiben oder sie unter der dicken Decke der Inkompetenz verschwinden zu lassen. Deswegen geht es nach den Monaten der Diskussionen über finanzielle „Hilfen“ gar nicht mehr darum, wer was wie lange mit welcher Erfolgsaussicht noch zu zahlen bereit ist. Die Frage lautet, wie lange sich Europa noch an der Nase herumführen lassen will.

«Die USA brauchen das NATO-Land Griechenland.» Das wird wohl einer der zwingenden Gründen gegen einen Austritt Griechenlands aus €-Zone und Union sein. Dabei gibt es noch psychologische Gründe. Sollten die Spanier und Portugiesen je wieder eine linke Regierung haben, würden sie auch nicht mehr widerspruchslos spuren. Dass der Beitritt zur Union irreversibel ist, spricht weder für die hehren Werte der Union, noch für Demokratie.

Griechenland als Beispiel dafür, wie schwierig es ist, gegen den neoliberalen Wahnsinn anzutreten.
Darüber hätte ich an dieser Stelle gerne gelesen, liebes Journal21.

Von Washington, Brüssel und Berlin wird im wesentlichen eine Erhöhung der Umsatzsteuer gefordert obwohl der Steuersatz mit 23 Prozent bereits außerordentlich hoch ist. Das dadurch ein weiterer Einbruch der Wirtschaft herbei geführt wird und folgerichtig der Schuldenberg und die Arbeitslosigkeit noch schneller wachsen, sollte inzwischen auch dem letzten Besserwisser in Brüssel und beim IWF klar sein. Lieber Herr Wehowsky, Sie sollten der Syriza-Regierung dankbar dafür sein, das sie nicht gewillt ist, diesen geplanten Unfug wider besseres Wissen mitzumachen.

Geld das aus dem Nichts produziert wurde
(Fiat Money), die Zahl im Computer, darf
doch ruhig ins Nichts zurückkehren.

Was soll er denn tun gegen die Troika? Das sind Männer die nicht fassbar sind und ohne jegliche parlamentarische Kontrolle Forderungen stellen.
Geld, dass aus Luft in die Welt kam, sind keine Schulden und müssen nicht zurückbezahlt werden. Die können einfach gestrichen werden. Eine unnötige Grausamkeit, was den Griechen angetan wird.

Griechenland wird weitere Jahre von der EU
alimentiert, egal ob mit EUR oder ohne EUR,
egal wie gut der Aufsatz in der Einsparliste ist.
Deutschland wird weiterere Milliarden nach
Griechenland überweisen, dafür sorgt schon
der Druck oder Erpressung aus den USA. Die
USA brauchen das NATO-Land Griechenland.
Die deutsche Vignette wird im Staatshaushalt
die bisherigen Mittel für die Straßeninstandhaltung
für Griechenland freimachen. Der Autofahrer wird
Griechenland mit der Vignette indirekt finanzieren.

Es ist richtig, dass die Syriza unter der Führung von Tsipras bislang keine tauglichen Konzepte vorgelegt hat. Richtig ist auch, dass die griechische Regierung auf Zeit spielt. Wen wundert das? Tsipras hat einen Funken Anstand, indem er sich gegen einen weiteren Abbau der Renten ausspricht. Bereits jetzt grassiert eine Altersarmut, die beängstigend ist. Und jetzt, im Zuge mörderischer Sparvorgaben durch die Trojka, muss bei den Renten noch mehr gespart werden. Was im Artikel verschwiegen wird, ist, dass 90% der Gelder aus dem EU-Rettungsfonds dazu dienten, deutsche und französische Banken vor dem Bankrott zu retten. Der griechische Bürger hat von diesen Millionen nichts gesehen. Natürlich ist der griechische Staatsapparat aufgebläht und korrupt. Natürlich müssten griechische Oligarchen (Reeder) endlich Steuern bezahlen. Aber hat die Regierung Samaras ein einziges Problem gelöst? Wohl kaum. Die Regierung Samaras hat vor der Trojka gekuscht und so verwedeln können, dass auch sie kein Konzept für ein nachhaltiges Wachstum gehabt hat. Tsipras kann jetzt das Schlamassel ausbaden. Ohne Schuldenschnitt wird Griechenland nie und nimmer gesunden. Sollte es zum Grexit kommen, und das weiss auch die EU, ist Griechenland wohl kaum mehr in der Lage einen demokratischen Rechtsstaat aufrechtzuerhalten. Das wäre dann der Anfang vom Ende.

Ich weiss nicht ob das eine berechtigte Kritik ist, meine Sympathien liegen jedenfalls anders als die des Autors. Was anderes als zuerst und zuvorderst einmal mehr finanziellen Spielraum zu wollen könnte die Regierung denn tun? Die Möglichkeiten einer Regierung (dazu eines kleinen armen Landes in einer Krise und ohne eigene Währung) sind einfach zunehmend beschränkt. Z.B. die Reeder oder allgemein die Reichen stärker besteuern? Die wandern dann einfach ab. Und alle möglichen "Reformen"? Ich weiss nicht ob man die machen kann wenn man am Abgrund steht ohne jede Luft, sowas hat oft erst längerfristig den gewünschten Effekt.

Für mich jedenfalls ist und bleibt es ein Skandal, dass man im reichen Europa solche traurigen Verhältnisse wie in Griechenland zulässt. Und mir scheint es auch klar, dass die ganze "Austeritätspolitik" (für den Süden) nicht im gesamtwirtschaftlichen Interesse Europas ist, sondern höchstens im (kurzfristigen) einiger Länder des Nordens. Europa geht so weiter den Bach runter und wird immer unbedeutender...

Die "traurigen Verhältnisse", eigentlich himmeltraurigen Verhältnisse wird von den reichen Ländern der EU nicht nur zugelassen, sondern sie sind schlicht und einfach durch die gierigen und verantwortungslosen Banken der EU (u.a. mit unserem Herrn Ackermann), eigentlich geschaffen worden.

Bitte an die Redaktion von Journal 21:
Leider habe ich den Beitrag " Anonymous-09.06.2057 18:57" irrtümlicherweise ohne Namensnennung zur Speicherung freigegeben. Ich bitte meinem Beitrag allenfalls unter meinem Namen "Arnold Ganz" freizuschalten. Besten Dank.

Die Ideenlosigkeit der linken Regierung Griechenlands, kann nicht erwähnt werden, ohne gleichzeitig auf die nicht geringere Ideenlosigkeit der EU-Kommission hinzuweisen. Es geht ja nicht nur um die terminliche Einhaltung der vereinbarten Rückzahlungen, sondern auch um die gewollte Vermeidung des befürchteten Grexit. Seit die linke griechische Regierung im Amt ist, dreht sich das Kaleidoskop der Absurditäten, Runde um Runde immer schneller, und dort wo man eigentlich entscheidungskompetente Persönlichkeiten erwarten dürfte, sitzen offenbar Leute welche dem Treiben ideenlos zuschauen und offensichtlich auf ein Wunder hoffen. Wenn es um Milliardenbeträge geht, sollte jedem Zeitgenossen klar sein, dass eine Fristerstreckung von zwei oder drei Wochen nicht zur echten Problemlösung führen kann, weil es einfach an Geldgebern fehlen wird, welche zum vornherein auf zukünftige Rückzahlungen verzichten wollen. Das endlose Hinausschieben, eines Austritt Griechenlands aus der Eurozone, erweckt nicht gerade den Eindruck von Führungsstärke in den Gremien der EU. Die Angst vor einem Kontrollverlust, im immer noch lockeren Verbund der europäischen Mitgliedstaaten der EU, ist zwar berechtigt, doch wird die Situation durch das ständige vor sich herschieben wichtiger Entscheidung nicht besser. Im Gegenteil: Die Bürger der immer noch souveränen EU-Mitgliedstaaten fragen sich zunehmend, wo die Reise dieses steuerlosen Dampfers EU eigentlich hinführen soll, wenn nicht einmal das seit Jahren schwelende und selbstverschuldete Finanzproblem mit Griechenland, einer nachvollziehbaren Lösung entgegengebracht werden kann.

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