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16. Februar 2021

Ist das eh falsch?

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Ist das eh falsch?

Von Reinhard Meier, 18.01.2018

Müssen wir in der schweizerischen Schriftsprache eine «Verteidigung organisieren» gegen die Überflutung mit sprachlichen Importen aus Deutschland?

Ein sprachbewusster NZZ-Leser hat unlängst in einem Leserbrief beklagt, dass sich in der schweizerischen Schriftsprache immer mehr neue Importe aus dem nördlichen Nachbarland die altvertrauten Helvetismen verdrängten. Dagegen müsse, so der besorgte Leser, eine «Verteidigung organisiert» werden. Zum Beispiel werde hierzulande zunehmend das Adverb «eh» statt das bisher gebräuchliche «sowieso» verwendet. Also etwa: Er kann das eh nicht bezahlen, statt helvetisch korrekter: Er kann das sowieso nicht bezahlen.

Überflutung?

Die Beobachtung, dass der Ausdruck «eh» anstelle von «sowieso» öfter zu lesen und zu hören ist, ist zwar zutreffend.  Aber ist das schon falsch oder läuft das gar auf eine sprachliche «Überflutung» hinaus? Laut Duden stammt das Adverb «eh» aus dem süddeutschen und österreichischen Sprachraum. Das sind geographisch gesehen immerhin die nächsten sprachlichen Verwandten zu uns Deutschschweizern.

Mit denen haben wir ja wohl auch den intensivsten Austausch. Und deshalb ist es ja nicht verwunderlich, wenn das eine oder andere Wort aus dieser Nachbarschaft häufiger in der helvetischen Schriftsprache auftaucht. Von einer «Überflutung» zu reden, scheint mir reichlich übertrieben. Zumal das traditionellere Parallelwort «sowieso» noch keineswegs den Eindruck macht, es sei bereits vom Aussterben bedroht. Ausserdem ist das angeblich aus dem Ausland importierte «eh» im Ausdruck «seit eh und je» schon seit Generationen (also seit eh und je) im helvetischen Sprachgebrauch heimisch.

«In Rente gehen» und «Urlaub»

Problematischer ist der Ausdruck «in Rente gehen», der laut dem zitierten Leserbriefschreiber ebenfalls vermehrt das helvetische «pensioniert werden» ersetze. Für helvetische Ohren und Leser klingt das tatsächlich eher fremd und aufgesetzt. Nur: Wie oft findet man diese Wendung in hiesigen Zeitungen oder im Radio? Wird da nicht falscher Alarm geschlagen? Und wegen ein paar seltenen Ausreissern wird den viel geliebten, viel belächelten Helvetismen im schweizerischen Schriftsprache-Gebrauch keineswegs schon der Garaus gemacht.

Anders verhält es sich bei der Verwendung von «Urlaub» als vermeintliche Variante für «Ferien». Im helvetischen Sprachverständnis haben die beiden Vokabeln nicht die gleiche inhaltliche Bedeutung. Urlaub wird hierzulande als «Abwesenheit vom Dienst» verstanden – für die meisten Schweizer ist damit in erster Linie der Militärdienst gemeint. Der Begriff Ferien ist dagegen im helvetischen Verständnis wesentlich breiter gefasst. Ferien kann man sich auch auf eigene Faust genehmigen, ohne obrigkeitliche Genehmigung.

Ersatz für «Autonome»

Kritikwürdig bleibt das im schweizerischen Sprachgebrauch seit längerem eingenistete Wort «Autonome» für radikale, gewalttätige Anarchisten, das offenbar ebenfalls aus dem bundesdeutschen Sprachraum übernommen wird. Der Begriff läuft unabhängig von der Sprachregion auf eine Verharmlosung von Krawallmachern hinaus, die sich auf destruktive Gewaltakte kaprizieren.  

Weshalb die Täter bei solchen asozialen Aktionen mit einem Terminus bezeichnet werden, der höhere philosophische Motive suggerriert, entzieht sich logischer Begründung. Der Duden kennt immerhin den mit dem Wortfeld «Autonome» verwandten Ausdruck «Saubannerzug», allerdings wird er nur auf den schweizerischen Sprachgebrauch eingeschränkt. Sollten wir Schweizer unseren deutschen Nachbarn nicht einen prägnanten Ersatz für den windelweichen und vernebelnden Begriff «Autonome» vorschlagen?  Man könnte ja bei entsprechenden Vorkommnissen – vom G-20-Gipfel in Hamburg bis zu sogenannten Nachdemonstrationen bei den Feiern zum 1. Mai – gemeinsam von «Saubanner-Aktivisten» sprechen und schreiben.

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Für „eh“ und „sowieso“ brauche im Dialekt das Wort „einewāg“.
Und das prāgnante Wort „Saubannerzug“ exportieren wir gerne nach Norden, wo vernebelnd von „Autonomen“ gesprochen wird. Aber da mūssen wir uns auch hierzulande an der Nase nehmen, das machen wir nāmlich auch.

Gleich am Anfang des Artikels: Ich würde "ohnehin" als normaler und besser empfinden als "eh" und "sowieso"

Das Wort "eh" war mir zwar bekannt als österreichischer Ausdruck, ich hörte ihn hierzulande aber das erste Mal nach meinem Aufenthalt im angelsächsischen Sprachraum von 1976 bis 1985. "Eh" hat sich in dieser Zeit hier eingenistet. Es stört mich heute noch. Ebenso das "lecker".

Herr Meier, diesen Beispielen können wir Autochthone einige Dutzend anfügen: dort oder an Ort und Stelle, statt vor Ort; oder an Ort und Stelle; Guten Tag oder Grüss Gott, statt Hallo; Analytiker statt Analist, Redaktor statt Redakteur; Volk statt Bevölkerung (gibt es eine Bevölkerungswahl, einen Bevölkerungwillen, Bevölkerungslied?) usw.

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