Kein Dilemma zwischen Demokratie und Rechtsstaat

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Kein Dilemma zwischen Demokratie und Rechtsstaat

Von Giusep Nay, 15.12.2014

Guisep Nay, früherer Richter am Bundesgericht, spricht in einem Beitrag für Journal21 von einer "gefährlichen populistischen Überhöhung des Volkes".

Demokratie und Rechtsstaat sind untrennbar miteinander verbunden. Das Dilemma, das Teile der Politik zwischen beiden sehen, gibt es daher richtigerweise nicht.

Ins Gesetz zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative nahm der Ständerat, um dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit soweit als absolut notwendig nachzuleben, eine Härtefallklausel auf. Gemäss der NZZ vom 13.12.2014 befinden sich CVP und FDP nun im Hinblick auf die zweite Behandlung dieser Vorlage im Nationalrat in einem Dilemma. Die Fraktionspräsidentin der FDP findet danach, die Lösung des Ständerates sei rechtsstaatlich korrekt, aber demokratiepolitisch problematisch. Nationalrat Kurt Fluri lässt sich zitieren mit: «Wir stecken im Dilemma zwischen Demokratie und Rechtsstaat.» Und die NZZ meint, das Dilemma werde kaum zu lösen sein: stelle sich das Parlament auf die Seite der Rechtsstaatlichkeit, bestehe das Risiko, dass die Stimmbürger dies mit einem Ja zur Durchsetzungsinitiative wieder korrigierten. Dies gehöre allerdings zu den Spielregeln der direkten Demokratie.

Dem muss entschieden widersprochen werden, auch wenn das eine seit einigen Jahren in der Politik - mangels Mut, die gefährliche populistische Überhöhung des Volkes zurechtzurücken, - eine verbreitete Haltung ist. Wer diese vertritt, verkennt das Wesen der Demokratie und die Vorgaben unserer Bundesverfassung dazu.

Der demokratische Staat kann nur ein Rechtsstaat sein

Seit den Zeiten der Aufklärung hat sich die Überzeugung immer mehr durchgesetzt, dass jedem Menschen eine unantastbare Würde zukommt. Auf dieser Erkenntnis beruhen die Menschenrechte, die damit eine vorstaatliche Geltung beanspruchen können. Sie bedeuten für jeden Menschen das Recht, Rechte zu haben (Hannah Arendt). Den demokratischen Staat konstituieren nun Menschen mit dieser Würde und diesem Recht zusammen mit Menschen mit allen der gleichen Würde und dem gleichen Recht. Deshalb sind Demokratie und Menschenrechte untrennbar miteinander verbunden und kann der demokratische Staat nur ein Rechtsstaat sein, der die gleichen Grund-und Menschenrechte allen Menschen auf seinem Gebiet garantiert.

Das legten Volk und Stände auch so in unserer Bundesverfassung fest, indem sie in Art. 5 schrieben: „Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht“. Sie schrieben darin weiter die Verhältnismässigkeit, Treu und Glauben wie auch die Respektierung des Völkerrechts als unsere rechtstaatlichen Grundsätze fest. Könnten diese Grundsätze und die nach den Regeln  unserer Bundesverfassung als für uns verbindlich übernommenen völkerrechtlichen Menschenrechtsgarantien, wie die der Europäischen Menschenrechtskonvention, durch eine Volksmehrheit jederzeit missachtet werden, wären wir keine die gleiche Würde und damit auch die gleichen Grundrechte und –freiheiten aller Mitmenschen achtende Demokratie mehr, sondern eine Diktatur der Mehrheit, die sich in nichts von jeder anderen willkürlich herrschenden Diktatur unterscheiden würde.

Damit wird klar, dass es in der Demokratie, auch in der direkten, kein Dilemma zwischen der demokratischen Entscheidfällung und dem Rechtsstaat gibt. Der Ständerat will die Ausschaffungsinitiative ganz zu Recht nur unter Wahrung des Vehätnismässigkeitsprinzips und damit der Rechtsstaatlichkeit umsetzen.

Teilrevisionen der Bundesverfassung dürfen den Rechtsstaat nicht aushöhlen

Es ist unbestritten, dass das Parlament sich in der Gesetzgebung an die rechtsstaatlichen Vorgaben unserer Bundesverfassung zu halten hat. Jede Gesetzesbestimmung muss verfassungsmässig sein. Das Gleiche muss für Volk und Stände gelten, wenn sie mit Teilrevisionen der Bundesverfassung mangels einer Gesetzesinitiative inhaltlich oft nichts anderes als Gesetzesbestimmungen erlassen wollen. Volk und Stände sind dann nicht der Staat. Sie handeln vielmehr als Organ des Staates und haben sich dabei an die gleichen verfassungsmässigen Grundregeln wie die anderen Organe zu halten. Andernfalls liessen sich die rechtsstaatlichen Grundsätze und die Grund- und Menschenrechte, deren Einschränkung gemäss Art. 36 der Bundesverfassung auch stets verhältnismässig sein müssen, beliebig aushöhlen, womit sie ihren Zweck nicht erfüllen könnten. Unser Rechtsstaat und damit die richtig verstandene Demokratie könnten untergraben werden.

Nach diesen richtigen rechtsstaatlichen Spielregeln dürfte über die Durchsetzungsinitiative, die den zentralen rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismässigkeit bewusst missachtet, nicht abgestimmt werden und dann bestünde auch insoweit kein Dilemma zwischen Demokratie und Rechtsstaat. Dies zumal auch die politischen Rechte ausgehöhlt werden, wenn über Volksinitiativen abgestimmt werden darf, die nicht umgesetzt werden können. Das verletzt die Garantie der unverfälschten Stimmabgabe des Art. 34 der Bundesverfassung, so dass das Volk nur verschaukelt wird, weil sein Wille bei einer Annahme der Initiative gar nicht verwirklicht werden kann. Der Ungültigkeitsgrund der Verletzung zwingenden Völkerrechts bei eidgenössischen Volksinitiativen auf Teilrevision der Bundesverfassung wurde bei der Verabschiedung der neuen Bundesverfassung in einem weiten Sinne verstanden, nämlich so, dass Volksinitiativen auf Teilrevision der Bundesverfassung die unabdingbaren Grundlagen unseres Rechtsstaates nicht aus den Angeln heben dürfen. Die Bundesversammlung müsste sich nur wieder darauf und auch auf die Rolle des Volkes als Organ des Staates, wenn es über Teilrevisionen der Bundesverfassung zu bestimmen hat, besinnen. Dann erscheinen rechtsstaatliche Einschränkungen auch für Volk und Stände in diesem ihrem Zuständigkeitsbereich als gerechtfertigt, ja als notwendig wie bei den anderen Staatsorganen. Politiker hingegen, die das Volk - dessen Willen sie stets zu kennen und zu vertreten anmassen - als allmächtig überhöhen, verkennen dessen dargelegte Rolle als Staatsorgan. Sie sehen so das Volk und wohl auch sich selber als dessen Vertreter stets und allein als der immanente Staat, der alles darf. „L’état c’est moi“ konnte der absolutistische Sonnenkönig Louis XIV im Frankreich des 17. Jahrhunderts noch proklamieren. Heute sollte das vorbei sein.

Dank an den em. Bundesrichter Nay. Die Vergöttlichung des Volkes in Teilen des Rechtsbürgertums (aus durchsichtigen ParteiInteressen heraus) frisst sich mehr und mehr ins Volksbewusstsein hinein unter vielen Alibis ("die fremden Richter" zB.) , die wiederum von Journalisten als bare Münze aufgenommen werden und in ihrer "Verständlichkeit" erklärt und verharmlost werden! Dass so vielen Schweizern noch nicht bewusst geworden ist, was es für unsere Verfassung - immerhin die Rechtsbasis unseres Staates - bedeutet, wenn alle Jahre wieder irgendwelche abstrusen Verschärfungen, erbrütet in der Konkurrenz des Parteien-Streites und des Anspruchs auf Alleinseligmachung, in diese Grundtext hineingeklestert werden.
Unsere Verfassung als Sammelsurium von gepuschten VolKsentscheiden, eben nach dem Motto: das Volk hat IMMER RECHT. Wehret den Anfängen solcher Demokratur!
A.Imhasly Bad Zurzach

Erstaunlich, wie Ihnen alles so "bewusst" ist, Herr Imhasly. Ich weiss nicht, welche bewusstseinserweiternde Droge Sie nehmen; aber geben Sie uns bitte auch etwas davon!
Natürlich hat das Volk nicht immer Recht. Aber das Volk ist der Souverän. Das unterscheidet uns von Bananen- und Bundesrepubliken. Sie sind doch nicht etwa Bundesrichter in spe?! Es lebe die direkte Demokratie.
Fröhliche Weihnacht.

"die gefährliche populistische Überhöhung des Volkes zurechtzurücken"

Herr Nay sie machen mir Angst. Wie kann sich ein einzelner Mensch in einer Demokratie anmassen, seine Ansicht als allwissend über diejenige einer Mehrheit der Bürger zu stellen?
Das Recht ist für das Volk da und nicht das Volk für das Recht. Recht soll dafür sorgen, dass wir in Frieden miteinander und nebeneinander leben können und eine gesellschaftliche Ordnung haben.
Bitte seien Sie nicht so respektlos gegenüber "dem Volk" schliesslich war es auch ein Volk, welches vor 25 Jahren zum Mauerfall (entgegen den Wünschen der entsprechenden Elite) beigetragen hat. "Wir sind das Volk" hiess es damals. Die Elite(n) sollen bitte nie vergessen, über wen sie richten. Schliesslich sind es nicht Volksmehrheiten, die autokratische Systeme errichten, in welchen dann Menschenrechte oftmals nicht eingehalten werden. Volksmehrheiten erschufen Demokratien. Solche Demokratien über die wir im Westen stolz sind. Nun macht es den Anschein, als ob diese Demokratien von einer kleinen Elite geschaffen wurden. Sozusagen als Geschenk an das niedere Volk.

Danke Gilles für das klärende Votum. Frohe Festtage.

Ob Angst wohl ein guter Ratgeber ist?

Wieso setzen Sie sich nicht inhaltlich mit dem Text auseinander? Das wirkt Wunder gegen Ihre Angst. Dann schreiben Sie vielleicht auch nicht solchen, pardon, bezugslosen Unsinn.

Angst ist sicher nie ein guter Ratgeber.

Herr Nay spricht vom Wesen der Demokratie. Er leitet dieses Wesen aus den Menschenrechten her und verbindet dieses untrennbar mit der Demokratie.
Es ist unbestritten, dass jeder Mensch Würdenträger ist und es ist unabdingbar, dass jeder Mensch die gleichen Rechte hat. Die Menschenrechte müssen Grundvoraussetzung für jedes politische System sein (egal in welcher Form des politischen Systems).

Meine Kritik fusst nun darin, dass die Demokratie (wie bereits bemerkt) ein politisches System ist. Übersetzt heisst es nichts weiter als die Herrschaft des Volkes. Es ist also per Definition eine "Diktatur" der Mehrheit. Ob diese "Diktatur" die Menschenrechte beachtet oder nicht ist eine Frage des Inhalts des Rechts, welches sich diese "Diktatur" gibt.
In der Herleitung des "Wesens der Demokratie" wie dies Herr Nay tut, bin ich also nicht der gleichen Ansicht. Weil hier ein politisches System mit Rechtsinhalten gleichgesetzt wird. Es ist z.B. auch denkbar, dass eine Diktatur die Menschenrechte achtet wie kein zweites. Jeder Mensch hätte darin die gleichen Rechte. Nur wäre das politische System, d.h. die Art und Weise wie Recht entsteht ein anderes. Das politische System entscheidet über die Frage "wie entstehen Gesetze" und die Menschenrechte geben die Antwort auf die Frage "was muss in diesem Gesetz stehen".

Es ist nun systematisch denkbar (und wie wir ja sehen ist es sogar eingetreten), dass das Volk einen Entscheid trifft, der in Konflikt mit den Vorgaben der Menschenrechte steht. Was aber tun wir einem solchen Fall?
Es gibt zwei Lösungen:
1) Den Entscheid nicht umsetzen oder 2) Den Entscheid umsetzen.

Die Auswirkungen je nach Lösungsansatz sind nun verschieden.

1. Fall: Die "Diktatur der Mehrheit" wird von der "Diktatur der Minderheit" abgelöst. Entscheide werden nicht mehr demokratisch, also von der Mehrheit des Volkes gefällt.
2. Fall: Die "Diktatur der Mehrheit" bleibt bestehen. Entscheide werden weiterhin von der Mehrheit des Volkes gefällt.

Beide Lösungen sind denkbar. Doch betrifft es die Frage, in was für einem politischen System man Leben möchte. In diesem Entscheid hat jeder seine eigene Ansicht. Man sollte sich einfach bewusst sein, dass, wenn man schon den Begriff "Diktatur" verwenden möchte, die erste Variante der Diktatur näher ist als die Zweite. Und der Begriff ist ja nicht umsonst negativ belastet…

Meine "Angst" (es ist eher eine Befürchtung, sitze also nicht von Angst getrieben und nass vor Schweiss vor dem Laptop) rührt nun daher, dass ich einer "Diktatur der Minderheit" nicht traue. Wenn ich in die Geschichte blicke, so waren tragische Ereignisse immer eine Folge von Entscheidungen von Minderheiten. Einfaches Beispiel: Die Menschenrechte, die ihren Beginn in der Aufklärung nahmen, kamen auch nicht von Versailles. Es war die Mehrheit des Volkes die dafür kämpfte.

Es ist also für mich befremdend, in einer Demokratie zu leben, in welcher sich eine Minderheit dazu berufen fühlt, zu wissen, was richtig und was falsch ist. Diese Einstellung ist sehr gefährlich.

Was hier nicht diskutiert wurde, ist die Frage, ob es den rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht, wenn sich Kriminelle nicht an die Rechtsordnung halten (die ja für alle gilt) und nicht die harten Konsequenzen tragen müssen. Wo ist denn das Recht des Opfers, Gerechtigkeit zu erfahren? Wo ist das Recht, rechtschaffende Bürger vor kriminellen Bürgern zu schützen, dass letztere nicht die Menschenrechte der ersteren bedrohen? Die ganze Diskussion müssen wir nur führen, weil eben genau die Menschenrechte nicht konsequent durchgesetzt werden, weil das Recht zunehmend als Täterschutz verwendet wird. Und dieses Problem sieht die Minderheit nicht, weswegen die Mehrheit korrigierend eingriff.

@Gilles: Das klingt ja schon mal überzeugender, gut geschrieben, jedenfalls offenbar bereit zur sachlicheren Auseinandersetzung.

Dennoch:
1.
Sie verwechseln das Mehrheitsprinzip (Abstimmungen usw.) mit Rechtsstaatlichkeit. Beide zählen zu den wichtigsten Merkmalen einer Demokratie. Sie haben Recht, theoretisch könnte eine Diktatur sogar den Bewohnern Rechte geben. Da es kein Beispiel dazu gibt, können wir das als Theorie ausser Acht lassen. Haben Sie ein brauchbares Bsp.?
Bei der Rechtsstaatlichkeit gäbe es ebenfalls die Theorie, dass es die Demokratie ohne sie gäbe. Auch hier gibt es nur Beispiele, wo das nicht lang anhielt und danach selbst die 2000jährige antik-griechische Vorstellung von Demokratie abgeschafft wurde (neueres Bsp.: Drittes Reich). Also können wir auch das weglassen, oder kennen Sie ein Gegenbeispiel?
Wenn dem so ist, fallen Ihre beiden "Auswirkungen je nach Lösungsansatz" weg. Zugegeben, ansonsten würden Ihre Lösungsansätze auf Anhieb gut klingen.
Warum, so muss man sich also fragen, darf das Mehrheitsprinzip *nichts* mit "Diktatur der Mehrheit" bzw. "Diktatur der Minderheit" zu tun haben?
a) Weil es wie eben erläutert kein Beispiel ohne Rechtsstaatlichkeit gibt. Grauzone ist: mehr oder weniger Rechtsstaatlichkeit, mehr oder weniger "fehlerhafte" Rechte und Pflichten.
b) Wenn Rechtsstaatlichkeit zur Demokratie gehören *muss*, beinhaltet eben genau, dass der Staat an Gesetze gebunden ist UND andersrum in seinem Handeln durch Recht BEGRENZT wird. Damit und nur damit werden, jawohl, auch gerade die Freiheiten des Einzelnen bewahrt und gesichert. U. a. deshalb kann/darf es keine "Diktatur der Mehrheit" geben, denn diese Rechte gelten eben nicht nur für die Mehrheit, sondern ohne Bedingung. Das würde (hoffentlich) heute kein Demokrat bestreiten.
c) Warum Rechtsstaatlichkeit NICHT ausgehebelt werden kann, ist somit eher eine Frage der Logik: ohne b), würde die Demokratie abgeschafft, mehr oder weniger rasch. Darum ist eigentlich egal, wer Rechtsstaatlichkeit abschafft oder einschränkt. Die Grenzen hören bei der Rechtsstaatlichkeit auf, da es ohne sie keine Demokratie geben kann (sonst erhalten Sie den Nobelpreis, wenn Sie anders argumentieren können). Und ja, es gibt Grauzonen. Folglich, auch hier mehr eine Frage der Logik als der Meinung, gibt es "Diktatur der Minderheit" nicht - das hat nichts damit zu tun ("Kategorienfehler"). Nay nennt das gemäss Art. 5 der Verfassung "Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht" und etwas umständlich ".. Organe ... haben sich dabei an ... verfassungsmässigen Grundregeln ... zu halten. Andernfalls liessen sich die rechtsstaatlichen Grundsätze ... aushöhlen".
Zeigt aber auch, dass es nicht um Volkes Stimme geht, d. h. Mehrheitsprinzip und Rechtsstaatlichkeit wird verwechselt. (Ok, nicht einfach, aber fast mathematische Logik, kaum Ansichtssache.)

2.
Ferner: "Täterschutz" ist primär eine Mainstream oder Boulevard-Medien-Floskel. Wieso? Mit diesem Schlagwort wird operiert, wenn man bestenfalls Einzelfälle oder Thesenjournalismus betreibt. Einer ernsthaften Suche nach sowas wie Wahrheit hält es nicht stand. Was die teils mangelhaften Hilfen und Entschädigungen von Opfern betrifft, will bekanntlich die erfolgreiche Beobachter-Initiative ca. 1984 seither zu mindern versuchen. Man könnte immer mehr tun, das Volk will mit dieser Ausnahme meistens nicht, muss man auch sagen.
Wenn Sie das nicht glauben, dass "Täterschutz" fast immer Polemik ist und nicht mehr, dann nehmen Sie sich bitte die Mühe und schauen Sie sich jedes Urteil mit angeblichem "Täterschutz" genau an (meistens öffentlich). Sie werden staunen und mit jeder Garantie "Täterschutz" aus Ihrem Vokabular streichen.
Sie wissen sicher, dass es dazu seriöse Untersuchungen gibt, welche zeigen, das Recht gerade wenn Laien Fälle beurteilen, wenn schon mehr "Täterschutz" betrieben als Gerichte selber.

Wäre schön, wenn Sie bis hierher lesen würden ...

Habe also bis zum Ende gelesen...

Um die Diskussion nicht ausufern zu lassen lediglich folgendes:

1. "Sie verwechseln das Mehrheitsprinzip (Abstimmungen usw.) mit Rechtsstaatlichkeit" können Sie bitte ausführen und aufzeigen (mit Definitionen), wie ich dieses Verwechsle?

2. Meiner Ansicht nach, kann der Rechtsstaatlichkeit nur genüge getan werden, wenn ein getroffener Volksentscheid so umgesetzt wird, wie das Volk ihn getroffen hat. Ich finde es Rechtsstaatlich problematischer, wenn ein Mehrheitsentscheid durch eine Minderheit blockiert wird.

3. Dieser Punkt ist mir besonders Wichtig. Verstehe ich Sie richtig, dass sie das 3. Reich in Verbindung mit Demokratie bringen? ("Bei der Rechtsstaatlichkeit gäbe es ebenfalls die Theorie, dass es die Demokratie ohne sie gäbe." (…) (neueres Bsp.: Drittes Reich))
Also Demokratie ohne Rechtstaatlichkeit? Ich möchte doch stark daran erinnern, dass die NSDAP nicht durch eine Volksmehrheit gewählt wurde! Am 31. Juli 1932 erzielte die NSDAP 37,4 Prozent der abgegebenen Stimmen und wurde die stärkste Fraktion, bei den zweiten Reichtagswahlen desselben Jahres, am 6. November, kam sie nur noch auf 33,1 Prozent der Stimmen. Nichtsdestotrotz wurde AH darauf vom damaligen Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Anschliessend schaffte es AH mithilfe von Gewalt sich als Diktator zu etablieren.
Was anschliessend in der Diktartur passierte hat nichts mehr mit Demokratie zu tun. Vielmehr hat es wieder etwas damit zu tun, dass sich eine Minderheit dazu berufen fühlt, zu wissen was am besten ist.
(Quelle der Daten: https://www.dhm.de/lemo/jahreschronik/1932)

Auch wenn wir unterschiedliche Ansichten in dieser Thematik haben, so wünsche ich Ihnen dennoch frohe Festtage.

Gilt natürlich besonders auch allen mit welchen ich die gleiche Meinung teile!

@ Gilles:

zu 1.
Gleicher Meinung müssen wir nicht sein, aber Punkt 1. oben (siehe "Angst (2)") war schon so sehr ausführlich, dass ich kaum noch mehr ausführen und aufzeigen kann!

Was ist evtl. unklar?

Sonst kürzer:

Wenn Rechtsstaatlichkeit (oder wie man es nennen mag) Voraussetzung oder Teil der Demokratie ist, wie nicht nur Nay behauptet (wir hoffentlich zustimmen), dann kann doch die logische Folgerung nur sein, dass ein Einschnitt in diese Rechtsstaatlichkeit weniger Demokratie bedeutet.
Deshalb hat die Frage der Rechtsstaatlichkeit nichts mit dem Mehrheitsprinzip zu tun.

Weniger Demokratie wäre dann zu verantworten, wenn es ein Abwägen zwischen Demokratie und einem gleich hohen Gut gäbe. Aber das würde ein Demokrat sicher nicht akzeptieren, die Schweizer sowieso nicht, da sie ja bspw. die vergleichsweise gut ausgebauten Volksrechte nicht einschränken wollten. Also würden wir uns mit dem Argument "Mehrheitsprinzip geht immer vor" im Kreis drehen. Oder eben die Demokratie und damit auch das Mehrheitsprinzip, nicht nur Rechtsstaatlichkeit, abschaffen können.

zu 2.
Ich befürchte, hier zeigt sich die "Verwechslung":
Wo blockiert jemand was? Wie? Siehe auch "Angst (2)". Sie meinen nicht etwa das von uns gewählte Parlament, das seine Aufgabe je nach Sicht mehr oder weniger gut macht? Oder von Politikern allgemein? Hier von "Minderheit" zu sprechen, das meinen Sie hoffentlich nicht. Ob man die politischen Prozesse mag oder nicht - man mag sie ja immer dann, wenn sie seiner eigenen Position am Nächsten kommt. Ich würde deshalb Ihre Aussage "die Minderheit blockiert" gerne verstehen können. Ich kann es nicht, weil wie gesagt, Politiker, die ebenfalls vom Volk gewählt sind, als Minderheit wegfallen.

Ihr Einwand müsste man bzgl. der extremen Klassiker betrachten, Mutterschaftsversicherung und Alpeninitiative. Man könnte dem seit 166 Jahren bürgerlichen Parlament, welches das Volk nun mal gewählt hat, nicht verübeln, dass es erstere über 50 Jahre nicht umsetzt oder zweite mit vielen Abstrichen, wozu die Initianten immerhin zu einem "Deal" Hand boten. Klar, damit wurden beide Initiativen eigentlich nicht umgesetzt und sie werden es nie, wortgetreu schon gar nicht. Also immer eine Frage der Position. Oder aber: weshalb stimmt das Volk sehr oft anders als es wählt? Aber auch dazu hat es das Recht.

Ich würde eher sagen, es ist problematisch, wenn ein Volksentscheid nicht umgesetzt werden kann. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das m. E., wenn überhaupt, dann zu tun, wenn Volksinitiativen dazu führen dürfen, dass die Verfassung voller Widersprüche wird. Gäbe es bspw. zuerst eine Abstimmung über die Verfassungsbestimmung, die man abschaffen will, dann über die neue Verfassungsbestimmung, wäre letztere nicht im Widerspruch. Auch das ist aber nicht so einfach wie es scheint.

Initiativen haben über 100 Jahre gut funktioniert, bis v. a. Parteien diese vermehrt für ihre Positionierung oder den Wahlkampf einsetzen. Besonders unglaubwürdig werden Initiativen, wenn die Initianten gar keine Umsetzung (mehr) wünschen* oder wissen, dass sie der Schweiz schaden würde.
(*Bspw. http://www.srf.ch/news/schweiz/blocher-beharrt-nicht-mehr-auf-kontingenten wenn die Quelle stimmt, dasselbe aber in Zeitungen.)

"Volksentscheid so umsetzen wie das Volk ihn getroffen hat" ist ferner dann besonders schwierig, je grösser die Folgen und Folge-Folgen sein können. Die MEI wurde angenommen, das Volk ist aber mehrheitlich für die Bilateralen (ohne zu debattieren, was nun "richtig" oder "falsch" wäre).

Fazit: "Volksentscheid so umsetzen wie das Volk ihn getroffen hat" ist bei allen Leuten eine Frage der eigenen Position: "ja, genau wortgetreu" wenn ich dafür war. "Nein, möglichst verwaschen oder gar nicht", wenn ich dagegen war. Sie wären vermutlich der erste, der das, ganz ehrlich gesagt, anders hätte.

zu 3.
Da bin ich mit Ihnen. Sie müssen ja mein Zeugs nicht lesen, aber sinngemäss ungefähr so habe ich ja geschrieben.
Nur sollte das Extrembeispiel, bei der eine Demokratie sich selber abgeschafft hat, höchstens, aller höchstens, zeigen, dass dies möglich war, ist und bleibt. Nur auf die "bösen" Länder zu zeigen, wo solche Prozesse gerade heute im Gange sind, wäre überheblich, oder?
Es wäre allerdings fatal zu glauben, die "Abschaffung" der Demokratie müsse, erstens, zwingend mit einem Volksentscheid geschehen (abgesehen davon, dass nicht alle Demokratien die gleichen Ausprägungen haben) und, zweitens, auf einen Schlag. Ob das Volk oder die gewählten Volksvertreter, die vom Volk bestätigten demokratischen Befugnisse, Abläufe, Institutionen usw. (ja, das hat das Volk sogar in D, F usw. bestätigt) an der Rechtsstaatlichkeit oder der Demokratie rütteln, ist im Nachhinein, wenn es zu spät ist, leider egal. Deshalb sollte jeder Stimmbürger genau überlegen wie er stimmt, besonders bei emotionalen Themen. Da könnte sich mehr dahinter verstecken, als man glaubt, denn nur im besten Fall lassen sich emotionalisierte Initiativen gut verkaufen oder sind relativ wirkungslos.

Leider doch wieder lange geworden.

@Angst (2) Wir, der Souverän, sind ein Volk von Laien in der Mehrheit. Ihr Herren Philosophen, Politiker, Vielwort-Aufklärer, spitzfindige Anwälte des Rechtsstaates, seid die Minderheit, die dem dumben Volk bestenfalls die wahren Gegebenheiten des Staatsgefüges, folgenschwer, "richtig" zu erklären versucht...

@ pat meyer
Darf Ihr Votum so interpretiert werden, dass Sie zwar kein Interesse am Thema haben, aber dennoch irgend ein Kommentar schreiben müssen, den man eben bei jedem Thema anfügen kann kann? Natürlich nach dem Muster "ich (wir) die Guten, du (ihr) die Bösen", sonst funktioniert's ja nicht.
Sie gingen vielleicht in die Schule, haben einen Beruf? Dann sind Sie zumindest da nicht Laie. Wenn Sie das Thema hier aber nicht interessiert oder Sie nicht mithalten wollen/können wie etwa Gilles, wäre ein ehrlicherer Kommentar angebracht gewesen.

Herzlichen Dank für Beihilfe zur Klarsicht.

Der vorangegeangene Kommentar vom 17.12.2014 02:14 stammt von mir. Habe es versäumt, darin meinen Namen zu hinterlassen. Danke.
Renato Stiefenhofer, Seoul / Korea.

Sehr geehrter Herr Nay. Wo soll ich anfangen... Darf man aus purer EU-Affinität das Gesetz wirklich dermassen verdreht interpretieren, nur um uns tumben Stimmbürgern aufzuzeigen, wie falsch wir angeblich denken? Dass Sie die Schweiz latent mit einer Diktatur vergleichen wollen, bewerte ich als einen schlechten Sursilvaner-Scherz.
Dem Schweizer Volk auch noch das „L’état c’est moi“ aufs Auge zu drücken, ist dann schon eher ein starkes Stück. Geschätzter Herr Nay, wo genau erkennen Sie solche sinistre Tendenzen? Wo leben Sie, mit wem kommunizieren Sie? Kann es sein, dass Sie sich zu lange mit der Juristerei beschäftigt haben und gleichzeitig der Philosophie und dem Stammtischgeschwätz etwas zu wenig Beachtung geschenkt haben? Auf jeden Fall scheint Ihnen der Volkswille ein Graus zu sein. Sehen Sie, Herr Nay, auch Etatisten werden erkannt; selbst wenn Sie in Ihrem Bericht die EU kaum oder eher peripher tangieren. Ihrem Bericht entnehme ich leider über weite Strecken ausschliesslich juristische Binsenwahrheiten.
Das Volk als "Organ des Staates" zu nennen, mag zwar fachlich richtig sein, erhebt aber gleichzeitig Ihren Anspruch, dass die Politik und das Gesetzt über ihm, dem Bürger steht. Das ist falsch.

Sie sagen: "Unser Rechtsstaat und damit die richtig verstandene Demokratie könnten untergraben werden." Damit unterstellen Sie uns Stimmbürgern auch, dass wir die Demokratie nicht verstehen. Ohne despektierlich zu werden zeigt es mir aber auch, in welchen Sphären Sie sich offenbar bewegen, Herr Nay. Der Boden der Realität scheint Sie kaum von Ihrem Drang abzubringen, uns Schweizer mit einem sanften, legalen "Wink mit dem Zaunpfahl" in die kranke EU zu treiben.
Es wird Ihnen nicht gelingen. Noch bevor es in der Schweiz wieder zu EU-Beitrittsdiskussionen kommt, wird die EU in ihrer jetzigen Form auseinanderfallen. Das müssten auch Sie erkennen. Der Zentralismus ist nun wirklich aus einer anderen Zeit. Die Schweiz muss und wird sich als ein adaptierungsfähiger, flinker Sportwagen in der Welt (und auch in der EU) des Business bewegen und mit allen Ländern der Welt bilaterale Verträge aushandeln. So, wie das jeder andere Staat ausserhalb der EU darf. Wir schaffen das!
Dem Bürger muss schliesslich Angst gemacht werden. Diese zu bewirtschaften gehört zum Einmaleins der Politiker und Rechtsgelehrten.
Eine Volksinitiative ist im Grunde genommen
eine spezielle Frage weniger Stimmberechtigten
an alle Stimmberechtigten. Speziell ist die Frage deswegen, weil die Art ihrer Formulierung bereits eine Antwort enthält – jene, welche die Initianten und Fragesteller sich wünschen.

Zuletzt vielleicht noch ein kurzes Zitat von Bertolt Brecht: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“
Salids aus Südkorea.

Gut geschrieben, nur leider anonym. Und sowas hinterlässt immer einen fahlen Geschmack. Für einen Demokraten, der etwas auf Meinungsfreiheit hält...

Habe meinen Namen sehr wohl hinterlassen, Herr Jacob. Etwas weiter oben. Demokratischer Gruss zurück.

Gratuliere Anonymous. Es lebe des Volkes Stimme. Frohe Festtage und Danke.

Gute Erläuterungen, danke. Nur ist das leider nicht so einfach, "rüberzubringen", zumindest nicht, wenn das Interesse, Verständnis oder Basiswissen rund um Rechtsstaatlichkeit fehlen.

Wäre sicher alles schön und gut, aber solange unsere Bundesverfassung wohl immer schon nur eine unverbindliche Absichtserklärung war, kann man sie halt interpretieren, wie man will, und findet immer eine Ausrede, um das, was man will, als eigentlich noch verfassungskonform hinzustellen.

Ohne Verfassungsgericht ist eine Verfassung ein wertloses Stück Papier. Unser heissgeliebter Föderalismus legitimiert uns aber dazu, in jedem Dorf zu machen, was man will. Daher wird es wohl immer so bleiben.

Traditionen? Da gehören wohl die humanitären Maxima genauso dazu wie Jodeln und Kühe von der Alp holen. Solidarität, Menschenrechte, leuchtendes Beispiel sein, bleibt eine unserer wichtigsten Aufgaben in einer zunehmend destabilisierten Welt. Ich staune immer wieder über die seltsame Verklärung bäuerlich-völkischer Gemeinschaften. Nur Tagestouristen können sich so täuschen….cathari

Dieser ex-Bundesrichter hat nichts von der Gewaltenteilung verstanden. Die Justiz sorgt für den Vollzug der Gesetze. Gesetzgeber ist letzlich das Volk.
Die Justiz hat keine Gesetze zu machen.

Schön,dass Sie die Plattform journal21.ch besuchen! Tun Sie es hoffentlich weiterhin, aber greifen Sie bitte nicht pensionierte - oder auch noch amtierende Bundesrichter - persönlich an, sondern setzten sich inhaltlich mit dessen Überlegungen auseinander. Ich wünsche Ihnen besseren Erfolg.

Und Sie, Herr Nussbaumer, greifen Sie bitte nicht andere Forumsteilnehmer persönlich an, sondern setzen Sie sich inhaltlich mit deren Überlegungen auseinander.

Mit Verlaub, das sagen Sie, wer auch immer Sie sind? Ist schon schön arrogant, oder?

Ich vermute auch hier, Sie haben den Text nicht gelesen (oder "nur" nicht verstanden?). Darauf deutet hin, dass Sie den Unterschied von Gesetz und Verfassung und die Argumentationslinie - die kann man akzeptieren oder nicht - zu "jede Gesetzesbestimmung muss verfassungsmässig sein" ganz offensichtlich nicht erfasst haben (oder lesen wollen).

Grrrrrrrr - ganz schön arroganter Kommentar.

Mein ideales Parteiprogramm

Jedermann und jede Frau hat sein/ihr ideales Parteiprogramm im Kopf und im Bauch. Leider sind die bestehenden vielen Parteien auch beim besten Willen nicht in der Lage, diesen vielen Parteiprogrammen gerecht zu werden. So kommt es denn, dass kein Volksvertreter und keine Volksvertreterin in den Parlamenten und Exekutiven meinem eigenen Parteiprogramm zu 100% gerecht werden können. Darum kann man auch bei Wahlen kumulieren und panaschieren. Aber am besten kommen dem Volk in diesem Dilemma die Volksinitiative und das Referendum entgegen. Dort kann man im sachpolitischen Einzelfall seinen persönlichen Prioritäten folgen. Das Ergreifen von Volksinitiativen oder Referenden herablassend als Populismus zu bezeichnen, ist eine Diffamierung des Volkes und indirekt eine Überhöhung des politischen Sachverstandes der gewählten Volksvertreter und Volksvertreterinnen.

Dürfen wir mal annehmen, dass Sie den Text nicht gelesen haben? Wie sonst kommen Sie auf "Diffamierung des Volkes"? Eventuell hilft dreimaliges Lesen.

So lange die Schweizer Politik und das Volk in der Geiselhaft der nationalistischen und in ihren Forderungen schon fast sozialistischen Schweizerischen Volkspartei befindet, wird sich am Weg zur totalitären Volksdiktatur nichts ändern, denn die SVP verkennt ganz bewusst, dass im demokratischen Staat eine Balance der Gewalten unabdingbar ist und zeigt mit ihren Dauerangriffen auf die Richter und den Rechtsstaat ihren totalitären Charakter. Hoffentlich tritt endlich mal jemand diesem selbstherrlichen, fies grinsenden, Oligarchen und Multimilliardär entgegen und befreit unser Land von diesem unehrlichen Despoten!

Danke, dem ist nichts hinzuzufügen

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