Lackmustest für die Kirche

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Lackmustest für die Kirche

Von Klara Obermüller, 05.03.2015

Die Umfrage zu Ehe und Familie vom Herbst letzten Jahres hat gezeigt, wie tief in der katholischen Kirche die Kluft zwischen Basis und Obrigkeit ist. Der Fall Bürglen bestätigt den Befund.

Zum Trauerspiel um den Pfarrer von Bürglen n ist schon fast alles gesagt. Das Verhalten einer Kirche, die ihren Geistlichen das Segnen von Tieren,  Autos und Waffen erlaubt, das Segnen zweier sich liebender Frauen hingegen verbietet, ist und bleibt ein Skandal. Fast noch skandalöser als das Vorgehen selbst sind jedoch die Begründungen, die das Bistum Chur im nachhinein vorlegt. Davon soll hier die Rede sein:

1. Die Kirche könne nicht anders, heisst es. Das stimmt nicht. Rom hat in der Vergangenheit immer mal wieder Irrtümer korrigiert und Positionen verändert.

2. Pfarrer Bucheli hätte diskreter vorgehen sollen. Das ist verlogen und zeigt einmal mehr, dass in dieser Institution alles geht, es darf nur nicht publik werden. Und schliesslich

3. die Absetzung des Seelsorgers geschehe zum Schutz verunsicherter Gläubiger, die von Priestern eine klare Haltung hinsichtlich der Lehre der Kirche erwarteten.

Mit Verlaub, auch dieses Argument trifft daneben. Geschützt werden müssen die Gläubigen nicht vor einem Pfarrer, der die kirchliche Familienlehre „verunklärt“, wie es im Churer Hirtenbrief vom vergangen Sonntag hiess. Geschützt werden müssen sie vielmehr vor einer kirchlichen Obrigkeit, die ob ihrer vermeintlich gültigen Lehre die Sorge um den konkreten Menschen aus den Augen verloren hat. Das Verhalten gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren ist gleichsam die Lackmusprobe, an der kirchliche Morallehre sich künftig bewähren muss.

Dies hat die Basis klar erkannt und sich entsprechend über den Entscheid des Churer Bischofs empört. Dort müsste man sich einmal überlegen, von welcher Basis, von welchen Gläubigen man eigentlich spricht: von dem kleinen Kreis Ewiggestriger, die alles nachbeten, was von oben kommt, oder aber von all jenen, die gelernt haben, ihren Kopf zu gebrauchen und in Fragen der Moral das eigene Gewissen zu befragen.

Ihre Haltung in Sachen Ehe und Familie ist längst klar, nur stimmt sie eben in vielem nicht mehr mit der Lehre der Kirche überein. Das hat die weltweite Umfrage vom vergangenen Herbst deutlich gezeigt – und die Glaubenshüter entsprechend nervös gemacht.    

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Also, als "Ewiggestrige" würde ich mich nun wirklich nicht bezeichnen. Und meinen Kopf bzw. Verstand weiss ich sehr wohl auch kritisch einzusetzen. Gerade eben deshalb gehe ich mit der kirchlichen Lehre eins, dass eine homosexuelle BEZIEHUNG nicht gesegnet werden kann (wohl aber die einzelnen Personen); die kirchliche Lehre, abgeleitet von der Heiligen Schrift, hält an der Mann/Frau Beziehung fest. Ich bin auch "die Basis" , noch ist es nicht so weit, dass die ganze Basis nicht mehr mit der "Obrigkeit" in Glaubensfragen übereinstimmt.
Allmählich stehe ich unter dem Eindruck dass ich mich als Gläubige fast entschuldigen muss, wenn ich bspw.in Sachen Familie/Ehe nach wie vor an der kirchlichen Lehre festhalte.

Nein, werte Frau Hofmann, Sie müssen sich nicht entschuldigen, weil sie glauben. Ich "glaube" ja derzeit auch noch fest daran, dass YB dieses Jahr wieder mal Schweizermeister wird. Aber heilig oder unantastbar ist an diesem Klub rein gar nichts. Was nun allerdings die Mann/Frau Beziehung angeht, die sie aus Ihrer "heiligen" Schrift ableiten wollen, muss leider wieder mal der frauenverachtende Blödsinn wörtlich zitiert werden, der in diesem Buch dazu steht: "Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin schaffen, die um ihn sei." (1. Mose, 2,18) Mit diesem krassen Unfug würden eventuell heute noch ein paar islamische, jüdische oder christliche Extremisten einverstanden sein, die "Ihre" Frauen daheim einsperren oder sie gar in schwarze Säcke einnähen (textile Käfighaltung). Vernünftigeren Leuten könnte er hingegen wurstegal sein. Weil der zitierte Satz jedoch von jenen Männern, die ihn sich ausgedacht und aufgeschrieben haben, direkt "Gott dem Herrn" (sic!) angedichtet wurde, prallte währen Jahrtausenden jeglicher "kritische Verstand" daran ab. Mit fatalen Folgen: Millionen von Frauen (mithin die Hälfte der Menschheit ) wurden als "Hilfsmenschen" deklassiert, unterdrück, benachteiligt, und ausgebeutet – teils bis heute. Vernünftigen Frauen (und Männern) rate ich darum dringlichst, von derlei gefährlichem uraltem Unsinn Abstand zu nehmen und ja nicht daran zu "glauben". Und wer seine Lebensmaximen von der zitierten "heiligen Schrift" ableitet, der oder die müsste konsequenterweise nicht nur Schwule und Lesben totschlagen (Paulusbrief an die Römer, siehe unten), sondern auch die Wiedereinführung des Mannes als Oberhaupt der Familie in unserem Eherecht fordern – mitsamt "ehelicher Pflicht", sprich Recht auf Vergewaltigung von Ehefrauen. So, Frau Hofmann, jetzt sind Sie mit ihrem kritischen Verstand wieder dran. Niklaus Ramseyer

Das Problem ist leider nicht nur "die Kirche" oder ihre Oberen oder "Rom". Das Problem ist das Wesen auch dieser Religion grundsätzlich. Und die Grundlage des Christentums ist die Bibel. Es ist ein uraltes Buch in dem sehr viel Interessantes aber auch sehr viel Unfug und gefährlicher Blödsinn drin steht. Heute ist das meiste davon überholt und unbrauchbar. Das Problem dabei: Schon dieser Satz ist "Sünde" und "Blasphemie". Weil nämlich die Anhänger der Bibel-Ideologie dieses ihr Leitbuch zur "heiligen Schrift" erklärt haben. Und darüber lassen die religiösen Schwärmer nicht vernünftig reflektieren, debattieren und argumentieren. Sie "glauben". Punkt. Auch diese Verirrung wäre ihnen unbenommen, hätten sie es nicht geschafft, ihren Unfug politisch und rechtlich quasi unter Schutz zu stellen. Gefährlicher Unfug? Zum Thema Schwule und Lesben mit Sicherheit. Dazu schreibt nämlich der "heilige Apostel" Paulus (Obacht: Erhöhte Glaubwürdigkeit...) an die Römer (!) wörtlich: "Denn ihre Weiber haben verwandelt den natürlichen Brauch in den unnatürlichen. Desgleichen auch die Männer haben verlassen den natürlichen Brauch des Weibes und sind untereinander erhitzt in ihren Lüsten und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihres Irrtums (wie es denn sein sollte) an sich selbst empfangen.(...) Sie wissen, Gottes Gerechtigkeit, dass, die solches tun des Todes würdig sind." (1. Kap. Verse26 bis 31) Dieser publizistische Unfug hat zur Verfolgung und Ermordung von unzähligen Homosexuellen bis heute geführt. Weil aber der zitierte Aufruf zu Gewalt an Schwulen in der "Heiligen Schrift" steht "nach der deutschen Übersetzung Luthers" (Württembergische Bibelanstalt), kann niemand, nicht mal der Papst diesen gefährlichen und unverantwortlichen Blödsinn korrigieren oder ersatzlos streichen. So geht das! Und es zeigt nebenbei, dass zwar der Komiker Andreas Thiel sehr zu recht auf ähnliche Aufrufe zu Gewalttaten im Koran hinweist. Dass er aber brandschwarz lügt, wenn er bei Schawinski (der ihn ahnungslos gewähren lässt) frech behauptet, diesbezüglich sei eben die Bibel ganz anders, da gebe es nur einen "liebenden Gott". Fakt bleibt: Alle diese undiskutablen, weil "heilig" erklärten alten Bücher rufen zu Gewalt und Todschlag gegen Abweichler auf. Sie sind in diesem Sinne totalitär und wer den Unfug darin "glaubt", kann gefährlich werden. Wer klug ist, nimmt sich vor solchen Leuten inacht! Niklaus Ramseyer

Auf den Punkt gebracht. Danke.

Bischöfe sind gegen die Segnung von homosexuellen Paaren, seien es nun Männer oder seien es nun Frauen. Man muss sich aber auch fragen, warum wollen sich überhaupt Homosexuelle von einem Priester segnen lassen? Die katholische Kirche ist auch gegen die Pille usw.

Auch ein Lackmuster für Kirchen sind die Feldprediger: Pfarrer „arbeiten“ immer noch in Armeen als Feldprediger. Sie geben dort Armeen den Segen Gottes, hüben wie drüben. Mit dem Pfarrer in Uniform sollen die Soldaten wissen: „Gott ist mit uns“. In Deutschland gibt es sogar Militärbischöfe, die im Krieg der Bundesrepublik auf dem Balkan und in Afghanistan im Einsatz waren.

Ein Pfarrer in Biel, der sich vor Jahren mit dem Kriegsdienstgegner Arthur Villard solidarisierte, war dann in der Kirchgemeinde Biel-Madretsch nicht mehr tragbar. Auch ein Pfarrer in Friedrichshafen, der die Rüstungsindustrie rund um den Bodensee dokumentierte, wurde vor nicht zu langer Zeit weit in den Norden versetzt. (www.waffenvombodensee.com) Friedrichshafen, das heute wieder grosse Fabriken beherbergt die für den Krieg produzieren, wurde im Zweiten Weltkrieg durch die Alliierten vollständig zerstört wurde, weil das Dritte Reich dort grosse Rüstungsbetriebe hatte.

Hans Heinrich Zürrer wurde 1943 vom Kirchenrat in Zürich zum Pfarramt ordiniert. Zürrer war damals Wachtmeister der Schweizer Armee. Für das Rote Kreuz war Zürrer dann bis zum Einmarsch der Roten Armee in Danzig im Einsatz. Er erlebte dort die Schrecken des Krieges. Zurückgekehrt, zu Fuss durch das kriegszerstörte Deutschland, verweigerte er in der Schweiz den Kriegsdienst. 1959 nach 12-jähriger Arbeit als Bauhandlanger und Maurer bewarb er sich um eine Stelle im Dienste der Kirche. Sein Gesuch wurde mit der Begründung abgewiesen, ein Pfarrer, der im Jahre 1947 zwei militärische Aufgebote und die Bezahlung des Militärpflichtersatzes verweigerte und somit eine Gefängnisstrafe absitzen musste, könne in einer Zürcher Kirche nicht mehr auf die Kanzel steigen. (https://www.uzh.ch/cosmov/edition/ssl-dir/V4/XML-Files/XML/ZM_1057_MS.xml) Später hätte Zürrer als Pfarrer arbeiten können, er konnte sich aber nicht mehr vorstellen auf einer Kanzel zu stehen.

Auf einem Wanderweg oberhalb von Grächen (VS) las ich in Graffiti auf einem grossen Stein den verheissungsvollen Spruch: "Nichts ist gewisser als die Gewissheit des Gewissens". Ich schaute lange hin und dachte an Papst Johannes XXIII, der das Fenster weit öffnete, um frische Luft herein zu lassen.

"Rom hat in der Vergangenheit immer mal wieder Irrtümer korrigiert und Positionen verändert."

In Bern sagt man: Nume nid gsprängt. (Nur keine Eile.)
Für die Rehabilitation von Galileo Galilei brauchte die katholische Kirche 359 Jahre.
Im Jahr 2000 sagte Papst JP II., die Verbrennung von Giordano Bruno sei nicht rechtens gewesen. Seine Rehabilitation steht noch aus (seit etwa 400 Jahren).

Amtsanmasung:
Ich vertrete den Gott auf Erden.
Wer keine Probleme mit dem
Gott haben will, der muß mir
die Kirchensteuer bezahlen.
Die Gegenleistung für die
Kirchensteuern sind Verbote
und Gebote.

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