Mutig auf dünnem Eis
Das wirklich Erstaunliche an Angela Merkels Entscheidung, im Herbst 2017 noch einmal zum Kampf um das Bundeskanzleramt anzutreten, war nicht der Entschluss als solcher. Damit hatten, wenn sie ehrlich sind, mehrheitlich selbst jene Zeitgenossen gerechnet, die der Berliner Regierungschefin via Facebook oder Pegida-Demonstrationen am liebsten die Krätze an den Leib wünschten. Nein, verblüffend, sogar ein wenig berührend war, dass diese – normalerweise doch fast absolut selbstkontrollierte – Person zu erkennen gab, wie sehr sie im Vorfeld mit sich gerungen hatte. Diese Szene der Bekanntgabe in der CDU-Parteizentrale an der Spree – da war nichts gespielt, da gab es keine einstudierten Gags (für die der Uckermarkerin ohnehin jedes Talent fehlen würde). Wer hinschaute und zuhören wollte, der konnte zweierlei unschwer erkennen: Erstens die Erleichterung, dass die Hängepartie mit eigener Unsicherheit und äusserem Druck endlich zu Ende war. Aber zweitens auch das Wissen um die Schwere der Bürde.
Historisch oder hysterisch?
Seit vielen Monaten schon schwirrt die Behauptung durch Deutschland, es gebe zu Angela Merkel „keine Alternative“. Das galt besonders für die Zeit „vor der Flüchtlingswelle“. Damals gab es – beispielsweise Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig – sogar Sozialdemokraten, die ernsthaft die Frage aufwarfen, ob man denn überhaupt einen Gegenkandidaten aufstellen solle. Seit im lauten Streit um die Flüchtlingspolitik die Beliebtheitswerte der Kanzlerin in der Bevölkerung drastisch gesunken sind, ist Merkel auch in ihrer eigenen Partei (der CDU) ordentlich zerzaust worden. Nicht bloss von den „Freunden“ in der Schwesterpartei CSU. Aber als „Nummer 1“ wirklich in Frage gestellt, hat sie – wenigstens öffentlich – trotzdem niemand.
Dabei ist die These von der Alternativlosigkeit natürlich Unsinn. Es gibt zu allem und damit auch zu jedem immer eine Alternative. Die einzige dahinterstehende, berechtigte Frage kann vielmehr nur lauten: Ist der/die/das Neue besser oder nicht? Und diese Frage zu stellen, hat sich im Falle Merkel eben keiner getraut. Das freilich kann sich bald ändern. Und zwar nicht erst, falls die Wähler im kommenden Herbst bei der Entscheidung um den nächsten Bundestag der CDU/CSU die Mehrheit versagen sollten, um weiterhin an führender Position in Berlin zu regieren. Denn davor sind bereits im Saarland (26. März), Schleswig-Holstein (7. Mai) und – besonders wichtig – im bevölkerungsreichsten Nordrhein-Westfalen (14. Mai) Landtagswahlen. Die Union muss diese nicht unbedingt alle gewinnen. Aber ihr Abschneiden wird zumindest eine Vorentscheidung bringen, ob Angela Merkel überhaupt die Chance auf eine „historische“ vierte Amtszeit bekommt, oder ob bei Christdemokraten und -sozialen im Falle weiterer krachender Niederlagen eine Hysterie ausbricht.
Vision und Wirklichkeit
Das alles weiss die Kanzlerin natürlich selber. Sie ist ja nicht dumm. Ausserdem ist sie in dem mehr als einem Vierteljahrhundert, in dem sie von Helmut Kohls „Mädchen“ zur Vorsitzenden einer schwierigen Volkspartei avancierte, mit allen Tricks und Kniffen im politischen Alltagsgeschäft vertraut geworden. Schon die kommenden Monate werden mehr als schwierig werden – innenpolitisch genauso wie nach aussen. Gerade deswegen war die ruhige, unaufgeregte, aber dennoch problembewusste Art der Bekanntgabe ihrer Entscheidung wohltuend – wenigstens für diejenigen, die sich den Blick für Realitäten und das Machbare nicht haben verkleistern lassen. Na klar, es hagelt auch jetzt wieder Kritik und Vorwürfe. Merkel, heisst es, habe es an „Visionen“ fehlen lassen. Ihr Wort, die Politik müssen sich „der Wirklichkeit anpassen“, sei die „Kapitulation vor dem Gestaltungsauftrag der Politik“.
Man muss sich nun wirklich nicht unbedingt an dem einstigen Bundeskanzler Helmut Schmidt orientieren, der einmal sagte, wer Visionen habe, solle besser zum Psychiater gehen. Aber welche (vielleicht sogar auch noch erfolgversprechenden) Visionen soll denn die Regierungschefin einer Mittelmacht zum Beispiel vor dem Hintergrund des grausigen Kriegsgeschehens im Nahen Osten entwickeln? Gibt es überhaupt eine andere Möglichkeit, mit dem Möchtegern-Sultan Erdogan wenigstens im Gespräch über die Flüchtlingsproblematik zu bleiben, als die politische „Orientierung an der Wirklichkeit“?
„Die letzte liberale Bastion“
Die ja sicher nicht ganz unbedeutende „New York Times“ hat vor ein paar Tagen in einer Überschrift Deutschland und – vor allem auch – dessen Regierungschefin als „vielleicht letzte verbleibende liberale Bastion mit einer offenen Gesellschaft“ bezeichnet. Das klingt schon fast wie ein Angstschrei nach dem Wahlsieg von Donald Trump. Merkel hat diese Stilisierung als „grotesk und absurd“ abgetan. Das ist sie in der Tat auch. Andererseits – stellen wir uns doch einfach einmal die reale wie möglicherweise eintretende Lage (selbst ohne das Sonderproblem Trump) hier auf unserem Kontinent vor, wenn die Kanzlerin angekündigt hätte, im nächsten Jahr nicht noch einmal anzutreten. Der in jeder Hinsicht grossartigste Erfolg der europäischen Politik – die Überwindung von Krieg und Hass sowie die Versöhnung der Völker ohne jegliche neue Gewalt – zeigt gefährliche Risse. Grossbritannien verlässt die EU, in den neuen osteuropäischen Mitgliedländern überborden neue nationalistische Bestrebungen, in Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und auch Deutschland feiern Rechtsextremisten starke Zuläufe.
Das sind alles andere als Hoffnung gebende Aussichten. Und die Vorstellungen, eine einzige Person könne die bösen Geister bändigen, ist natürlich abenteuerlich – insbesondere, wenn diese ein Land vertritt, dem nur allzu gern von seinen Nachbarn unterstellt wird, selbst übermächtig sein zu wollen. Aber und noch einmal: Wie vernichtend wäre wohl das – heimische wie internationale – Echo ausgefallen, hätte Angela Merkel ihren Abschied angekündigt? Hätten sie nicht wahrscheinlich dieselben Kritiker der „Feigheit“ und des „Verrats“ bezichtigt, die jetzt über angebliche Perspektivlosigkeit jammern? Möglicherweise hätten jene Gruppen Triumph empfunden, die sich im neuentdeckten „Wutbürgertum“ sonnen und im „Netz“ und auf den Strassen mit Unflat überbieten. Aber dann?
Kein Ehrenpodest
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen – hier wird der Bundeskanzlerin weder ein Podest errichtet, noch ein Lorbeerkranz gewunden. Auf dem Weg von Angela Merkel liegen eine Menge Trümmer. Vor Jahren, auf dem Parteitag in Leipzig (wenngleich damals noch als Oppositionschefin), hatte sie das hohe Lied der wirtschaftlichen Total-Liberalisierung gesungen – um später von den politischen Härten zu profitieren, die ihr Vorgänger Gerhard Schröder mit der Agenda 2000 vor allem seinen Wählern zugemutet hatte. Sie habe, sagen viele, personalpolitisch „weggebissen“, wer ihr machtpolitisch möglicherweise gefährlich hätte werden können. Diesem Vorwurf, freilich, wäre entgegen zu halten, dass daran immer mindestens zwei beteiligt sind. Warum haben die einstigen CDU-Ehrgeizlinge denn immer so schnell klein beigegeben – die Kochs, Oettingers, Merz' und wie sie alle hiessen? Wer Macht will, muss nun mal auch Machtwillen zeigen. Das Klagen hinterher ist eher peinlich.
Ob das im Zuge der Währungskrise über Griechenland und andere EU-Länder vor allem auf Berliner Druck verhängte Spardiktat wirklich die Lage verschlechtert und nicht zu grösserem Haushaltszwang geführt hat – darüber (und über Merkels Rolle dabei) wird gewiss noch lange gestritten werden. Was allerdings mit Sicherheit noch auf lange Dauer mit dem Namen Angela Merkel verbunden bleiben wird, ist der Begriff „Flüchtlingspolitik“. Der Unmut darüber geht weit hinein in die politische und liberale Mitte der deutschen Gesellschaft. Und es besteht auch kein Zweifel mehr, dass die Kanzlerin das volle Ausmass des Zustroms unterschätzt hat – in Sonderheit die organisatorischen, vor allem aber für die innere Sicherheit relevanten Auswirkungen des zeitweise ja völlig unkontrollierten Massenandrangs über die Grenzen. Dies und die Mühen der Eingliederung werden Politik und Gesellschaft noch lange in Atem halten.
Noch lange nicht gewonnen
Und noch etwas: Die Tatsache, dass Angela Merkel noch einmal ihren Ring in den Kreis geworfen hat, sagt ja noch lange nichts über einen Erfolg aus. Dies umso weniger, als sich die politische Landschaft mit ihrem Parteiengefüge noch immer verändert. Gewiss ist nur eines: Die „bequemen“ Jahre der Koalitionsfindungen sind wohl ein- für allemal vorbei. Jetzt schaut man erst einmal gespannt, wen die SPD gegen Merkel aufstellen wird.
Die Wahlkampfstrategen der CDU produzieren nun fleissig am Fliessband schön Worte, schöne Reden und allgemeine Aussagen. A. Merkel wird präsidial präsentiert mit schönen Bildern. Hinter all den schönen Bildern und blumigen Reden versteckt sich aber eben weiter die Politik von A. Merkel und Co. Und diese Politik kann auf einen Punkt gebracht werden: Der arbeitende Bürger zahlt am Ende alles!
Eine Pyramide der schmalen Basis!
Deutschland hat eine gute Führung! Zweifellos klug, aber trotzdem zu wenig auf die Interessen eines gemeinsamen Europas fixiert. Das könnte sich bald ändern durch Merkel-Steinmeier, sie bedeuten Hoffnung! Flüchtlingswelle nebst humanitärer Hilfe, auch gut gemacht! Zuwanderer füllen die von uns erzeugten Lücken. Zukünftige Renten sichern das Motto. Beispiel Italien, Geburtenrückgang auf 158 Rentner kommen nicht einmal mehr 100 Jugendliche nach. In Deutschland sieht es ähnlich aus. 1,4 dabei sollten es 2,1 sein zum Erhalt. Wir schaffen das, macht so gesehen Sinn, denn wer nicht hören will muss fühlen, so heisst es. Schutzmacht USA? Amerika hat wie wir wissen eigene Interessen. Und Europa? In vorauseilender Unterwürfigkeit schlingert, wackelt es, vor allem durch mangelndes Selbstbewusstsein. Riesige Märkte z. B. im Osten liegen brach und wenn wir nicht auf der Hut bleiben werden andere sie nutzen. China drängt schon in Richtung Sibirien und ein neuer Präsident (ennet dem Teich) macht bereits rechtsumkehrt, sprich Avancen! Für Amerika wäre es kaum auszudenken, wenn wir problemlos Zugang zu diesen Rohstoffquellen und auch diese Märkte einen normalen Zugang hätten. Dass auch Russland eigene Interessen hat ist nicht nur logisch, sondern so selbstverständlich wie die unseren oder die der USA… cathari