Post für Eveline Widmer-Schlumpf

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Post für Eveline Widmer-Schlumpf

Von Beat Allenbach, 07.04.2012

Vor der Volksabstimmung über die Unternehmenssteuerreform II im Jahr 2008 wurden die Steuerausfälle vom damaligen Finanzminister Hans Rudolf Merz als bescheiden bezeichnet. Nach dem äusserst knappen Ja zu dieser Reform zeigte sich allmählich, dass in den nächsten Jahren Steuerausfälle von gesamthaft vielen Milliarden zu erwarten sind.

Bundesrat und Parlament haben jedoch bisher eine Korrektur der Vorlage abgelehnt. Das hat uns keine Ruhe gelassen, und deshalb haben der Wirtschaftsjournalist Werner Vontobel und Beat Allenbach den hier veröffentlichten Brief an die Bundespräsidentin geschrieben und abgeschickt.

Es wäre nützlich, wenn eine möglichst grosse Zahl Bürgerinnen und Bürger diesen Brief - oder eine leicht abgeänderte Fassung – unterschrieben an die Bundespräsidentin weiterleiten würden, per Mail (eveline.widmer-schlumpf@gs-efd.admin.ch) oder noch besser als Brief per Post. Die italienische Übersetzung des Briefs ist inzwischen auch an Tessinerinnen und Tessiner übermittelt worden in der Hoffnung, sie würden ihn unterschrieben nach Bern schicken. Die Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf soll sehen, dass viele Schweizerinnen und Schweizer die zuvor verheimlichten oder nicht vorausgesehenen Folgen der Steuerreform nicht einfach schlucken wollen.

Frau Bundespräsidentin
Eveline Widmer-Schlumpf Vorsteherin des EFD, Bernerhof 3003 Bern im April 2012 Betrifft Unternehmenssteuerreform II
Sehr geehrte Frau Bundespräsidentin,

jetzt sind es schon 700 Milliarden Franken steuerfreie Dividendenreserven. Das ist gut das Zweifache der jährlichen Lohnsumme!

Der frühere Finanzminister Hans Rudolf Merz hat die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger falsch informiert: Er behauptete im Abstimmungskampf, der Bund werde infolge der Unternehmenssteuerreform II nur geringe Steuerausfälle erleiden, und es handle sich um eine Reform zugunsten der kleinen Unternehmer, nicht um „Steuergeschenke für Grossaktionäre“.

Doch ein noch grösserer Skandal liegt darin, dass diese 700 Milliarden nach Auskünften der Eidgenössischen Steuerverwaltung jährlich „bloss“ 400 bis 600 Millionen Franken Steuerausfälle verursachen sollen. Im Klartext heisst das: Kapitaleinkommen werden in der Schweiz kaum besteuert – ganz im Gegensatz zum Einkommen aus ehrlicher Arbeit. Solche Steuergesetze nagen an der Glaubwürdigkeit des Staates.

Wir fordern deshalb den Bundesrat auf, sicher zu stellen, dass Einkommen aus Kapital genau so besteuert wird wie Einkommen aus Arbeit.

Als ersten kleinen Schritt in diese Richtung sollte der Bundesrat mit einer ergänzenden Vorlage das riesige Steuerschlupfloch aus der Unternehmenssteuerreform 2 wenigstens teilweise schliessen. Wann wird er die entsprechende Vorlage dem Parlament unterbreiten?

Schliesslich warten wir immer noch darauf, dass sich der Bundesrat bei den Stimmbürgern dafür entschuldigt, dass er sie – wie das Bundesgericht festgestellt hat – „hinters Licht führte“.

Anstelle eines rücksichtslosen Profitdenkens fordern wir eine Politik des Ausgleichs der Interessen. Der steigende Reichtum soll allen zugute kommen. Eine Gesellschaft, die zulässt, dass für einen Teil der Menschen ihr Lohn trotz vollem Pensum für den Lebensunterhalt nicht ausreicht, wollen wir nicht dulden.

In Erwartung Ihrer Antwort, grüsse ich Sie freundlich

Die alten Demokratien, Schweiz und USA, sind die ersten, die der Lobby völlig zum Opfer fallen. Abstimmungen, Parteien, Kandidaten werden erfolgreich gekauft. Pannen, wie bei der Zweitwohnungs-Initiative, passieren nur, wenn "gespart" wird, weil man den Volkswillen unterschätzt. Für die Lobby ist die Rechnung einfach: Ich setze 1 Million für die Abstimmung/ die Partei/ den Kandidaten ein und spare 10 Millionen (zu Lasten des Bürgers).

Ich danke den beiden Herren bestens für ihr Engagement. Es ist nötiger denn je. Ich werde auch einen Brief an die Bundespräsidentin senden. Wir können nur hoffen, dass mit solchen Aktionen der Widerstand gegenüber einer neuen Feudalherrschaft in die Gänge kommt.

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