Putin sollte in Elmau mit dabei sein

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Putin sollte in Elmau mit dabei sein

Von Reinhard Meier, 05.06.2015

Wegen der Ukraine-Einmischung ist Putin nicht zum G-7-Gipfel im bayerischen Elmau eingeladen worden. Doch solche Treffen müssen keine Verbrüderungs-Veranstaltungen sein.

Am Sonntag und Montag findet im prächtigen oberbayerischen Schlosshotel Elmau das traditionelle Treffen der Staats- und Regierungschefs von sechs grossen Industrie-Nationen statt um über aktuelle globale Probleme zu beraten. Mit dabei bei diesen seit den siebziger Jahren praktizierten Gesprächen in ursprünglich zwanglosem Rahmen sind die Regierungschefs Deutschlands, der USA, Frankreichs, Grossbritanniens, Italiens, Japans und Kanadas – zusammengefasst unter dem Kürzel G-7.  Bis zum letzten Jahr war die G-7-Gruppe lange Zeit durch die zusätzliche Einladung Russlands zur G-8 mutiert.

Nicht der Weisheit letzter Schluss

Im vergangenen Jahr hätte die G-8-Versammlung eigentlich in Sotschi am Schwarzen Meer stattfinden sollen. Wegen der wenige Monate zuvor erfolgten völkerrechtswidrigen Annexion der Krim-Halbinsel und der russischen Intervention in der Ostukraine wurde das Sotschi-Treffen von den Westmächten mit gutem Grund abgesagt. Die ursprünglichen Teilnehmer trafen sich stattdessen ohne Putin in Brüssel unter dem alten Label G-7.

Was vor einem Jahr – schon wegen des damals vorgesehenen Tagungsortes Sotschi – richtig war, ist für das diesjährige Treffen in Elmau nicht der Weisheit letzter Schluss: die Nichteinladung Putins.  In diesem Punkt muss man den beiden deutschen Ex-Kanzlern Schmidt und Schröder, die mit ihren saloppen Urteilen über Putins aggressive Ukraine-Politik sonst weitherum Kopfschütteln hervorgerufen haben, sogar recht geben.

Möglichkeit um Tacheles zu reden

Der Meinungsaustausch im G-7 oder G-8-Kreis sollte ja nicht als gemütliches Picknick-Geplauder oder als konfliktfreies Verbrüderungsritual verstanden werden. Vielmehr wäre das eine gute Gelegenheit, mit dem russischen Präsidenten bei vertiefter Diskussion in Sachen Ukraine  erneut Tacheles zu reden.  Dabei müsste klargestellt werden, dass eine Aufhebung der für Russland keineswegs nebensächlichen Sanktionen nicht in Frage kommt, solange die Umsetzung des Minsker Waffenstillstandsabkommens in der Ostukraine nicht gesichert ist, Russland seine direkte Einmischung in diese Krisenregion nicht  einstellt und Moskau nicht bereit ist, über die Krim-Annexion seriöse Verhandlungen zu führen. Mit andern Worten: mit Russland wird auf der G-8-Ebene ein offener und kritischer Dialog geführt – ohne falsche oder voreilige Harmonie-Vorspiegelungen. 

Solche unverblümten Gespräche zum Ukraine-Thema liegen im tieferen Interesse aller direkt oder indirekt von diesem Konflikt betroffenen Parteien – der G-7-Mitglieder ebenso wie derjenigen Moskaus und Kiews. Dieser Konflikt ist schliesslich der akuteste und gefährlichste kriegerische Brandherd, der auf europäischem Boden mottet.  So gesehen mutet es befremdlich an, dass die G-7-Chef die Möglichkeit nicht nutzen, sich in Elmau mit Putin an den Tisch zu setzen und ihm erneut und gemeinsam die Tragweite und die Konsequenzen seiner Expansionspolitik gegenüber einem Nachbarland  zu verdeutlichen, dessen territoriale Integrität Moskau nach der Auflösung der Sowjetunion vertraglich anerkannt hatte.

Widerspruch zu Merkels Rezept?

Verwunderlich ist der Ausschluss Putins vom diesjährigen G-7-Treffen auch deshalb, weil ja die Elmauer Gastgeberin Angela Merkel das Konzept, mit Putin das Gespräch intensiv zu pflegen und dabei die Ukraine-Krise und deren mögliche Langzeitfolgen für das europäisch-russische Verhältnis unmissverständlich in den Mittelpunkt zu stellen, bisher mit vorbildlicher Hartnäckigkeit praktiziert hat. Weshalb sie für den bevorstehenden Gipfel in Oberbayern darauf verzichtet hat, von diesem Rezept Gebrauch zu machen, bleibt vorläufig undurchsichtig.

Sollte Putin, der ja gerne mit der Pose des gekränkten und angeblich vom Westen zu wenig respektierten Machthabers spielt, im Vorfeld  die Möglichkeit einer Einladung nach Elmau selber zurückgewiesen haben? Oder waren es andere Mitglieder aus dem G-7-Kreis,  die Merkel nahelegten, eine solche Einladung gar nicht erst in Betracht zu ziehen?  Sicher ist so viel: Ohne eine konzentrierte  Auseinandersetzung mit der Ukraine-Krise und glaubwürdigen Bemühungen, den politisch-wirtschaftlichen Druck auf Russland ebenso aufrecht zu erhalten, wie den Dialog mit Putin,  werden die Erinnerungen an den G-7-Gipfel  im schönen Elmau schnell verwehen.

 

«Die Möglichkeit um (mit Russland) Tacheles zu reden.» (Reinhard Meier) Das klingt doch reichlich arrogant und bedient das Cliché des bösen Russland und der hehren Wertegemeinschaft des Westens. Des Westens, der immer gerne auf "Regime-Changes" hinarbeitet.
"Europa darf nicht wegen eines geopolitisch, strategischen Machtkampfs nach zwei Weltkriegen in einen Dritten hinein manipuliert werden." Die USA sind weit weg. Zerrieben würden die Europäer und Russland.

Hier wurde beim kerzenmachen zu viel Wachs verbraucht.

V. Putin hat bei diesem Konflikt nicht die Absicht einzulenken. Er hat andere Ziele. Die Ukraine ist dabei nur ein Mittel zum Zweck. Hier kann er seine Macht zeigen und Angst und Schrecken verbreiten. Das ist ihm auch bereits gelungen.
Er will auch keine Hilfestellung um wieder in die richtige Spur zu kommen. Er will Russland zu einer Gegenkultur, einem Gegenentwurf weiterentwickeln. Er betreibt die Spaltung des Westens. Erst Amerika als Hauptfeind, danach will er die EU knacken. Griechenland, Ungarn, Bulgarien!
Er will keine Freihandelzone, weder bis Lissabon, noch bis Vancouver. Es geht hier nur um Macht und Einfluss und da gibt es nichts zu verhandeln. Am russischen Gemüt und Wesen soll Eurasien genesen!
Seine Ziele wird er nicht mit Krieg und Waffen erreichen wollen, das wahrscheinlich nicht. Dafür aber mit Propaganda, Drohungen und auch Schmeicheleien. Er ist aus seiner Sicht auf einem Guten Weg.
Der Westen muss auf der Hut sein und offensiv und selbstbewusst für seine Werte einstehen.

Der Herr Kerzenmacher will den armen Russen Aggression
vorwerfen? Am besten Russland gleich präventiv bestrafen.
Russland wurde schon zweimal von Deutschland überfallen.
Russland hat halb Europa in die Freiheit entlassen und so
die strategischen Positionen ohne Gegenleistung an den
Westen verschenkt. Der Klügere gibt so lange nach, bis er
am Ende der Dumme ist. Merkel ist mit ihren Sanktionen
noch aggressiver als die USA von ihr verlangen. Das ist
nach den zwei Kriegen gegen Russland eine Schande.
Deutschland hat dem jüdischen Volk schlimmes angetan,
deswegen wird dem Staate Israel geholfen. Genauso
solide müßte Deutschland mit Russland umgehen.

Name des Spiels: Bär in die Enge treiben!
Holzfällen und Auslöschung, diesmal nicht von Thomas Bernhard.

17 Minuten bis zum gegenseiteigen Auslöschen, meinte ein Russischer General und wollte damit sagen, diesmal wird es ein Ursachen-Kampf und keine Wirkungskosmetik. In Wirklichkeit wären wir ja an einer Freihandelszone mit der EU interessiert. Präsident Putin hat vor geraumer Zeit den Griechen mitgeteilt, wir werden die Sanktionen nicht umgehen, das würde ja Europa spalten, das liegt nicht in unserem Interesse. Westliche Medien haben diese Aussage leider unterschlagen. Die USA betreiben 12 Stützpunkte allein in Asien, 8 in Europa, 5 in Südamerika, 5 in Mittelamerika und Bond- Steel im Kosovo. Der einzig wintersichere Hafen-Stützpunkt Russlands ist der Schwarzmeerhafen auf der Krim, hat man noch Fragen? Europa darf nicht wegen eines geopolitisch, strategischen Machtkampf der 3 Giganten nach zwei Weltkriegen in einen Dritten manipuliert werden. Die nächste Frage: Wer bezahlt den 300 Milliardenkredit den das nicht EU-Land Ukraine in den nächsten 5 Jahren braucht, wenn nicht einmal sicher ist, dass dieses marode Griechenland gerettet werden kann? Alles ein Hochrisikospiel für steuerzahlende EU-Bürger und zudem beschämend wie die Politik mit der Sicherheit unserer Kinder, Frauen und Männer umgeht…von Portugal bis Estland! Anständige Verhandlungen wären nun angesagt! Europa kann das! Wirklich wünschenswert!.. cathari

Tja das liebe Geld ... da haben sie absolut recht, wer soll das Alles am Ende bezahlen? Die Ukraine ist ein Riesenland. Die Hauptindustrie war im umkämpften Donzekbecken, das nun teilweise zerbombt ist.

Ist ja schön, dass viele Ukraine in die EU möchten, wer möchte das nicht, insbesondere bei den ärmlichen Verhältnissen dort. Aber was den Demonstranten anscheinend nicht klar war, ist, dass eine Ukraine ein leichtes Opfer für westliche Konzerne wäre. Wie es läuft sah man ja bei der EU-Osterweiterung. Der polnische Zeitungsmarkt? In deutscher Hand. Die rumänische Bau- und Abfallwirtschaft? Wird von der österreichischen Strabag dominiert. Die DDR-Kombinate nach der Wiedervereinigung? Wurden platt gemacht, wäre schließlich nur lästige Konkurrenz gewesen. Bestes Beispiel dafür ist der FCKW-freie Foronkühlschrank, gegen den wurde von Bosch, Siemens und Co. eine Kampagne gefahren, dass das enthaltene Butangas explodieren könne und der Stromverbrauch viel höher wäre.
Die westliche Industrie ist auf Wachstum, Wachstum und Wachstum ausgelegt, wenn der heimische Markt gesättigt ist, muss ein neuer her. Jetzt wäre halt die Ukraine an der Reihe gewesen, sicher ein leichtes Opfer, unfähige Politiker samt armer und damit leicht manipulierbarer Bevölkerung.

Rein nüchtern betrachtet wäre es aus Industriesicht aber besser gewesen, wenn die UA mit Russland zusammengearbeitet hätte. Im Gegensatz zum europäischen Markt wären ukrainische Produkte auf dem russ. Markt konkurrenzfähig, da könnte die Ukraine Geschäfte machen und sich quasi am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Poroschenko verkaufte seine Schokolade z.B. ja nicht zufällig in Russland..

Aber jetzt aus dem nichts Produkte für den komplizierte, hochregulierten und - reglementierten EU-Markt mit all seinen Normen und Bestimmungen herstellen zu wollen, ist für die Ukraine utopisch. Die letzten Reste der ukrainische Wirtschaft würde zusammenfallen wie ein Soufflé, die Menschen würden noch ärmer werden, weil sie noch weniger Arbeit hätten, die Energiepreise aber auf Westniveau liegen, da Subventionen abgebaut werden bzw. schon wurden ... das nähme kein gutes Ende, Flüchtlingswellen wären die Folge, schon jetzt gibt es viele ukrainischen Gastarbeiter im Osten Polens.

Das aktuell Beste wäre wäre die Ukraine über den Umweg von Putins Zollunion in die EU zu bringen, aber wie schon erwähnt - das würde relativ starke Konkurrenz bedeuten. Aus globaler Sicht wäre das aber auch schon egal, die deutsche Bahn eröffnete gerade ein Büro in China, man wolle demnächst eventuell Züge in China bestellen. In 10 Jahren gibts das gleiche mit Flugzeugen und anderer Technologie. Da kann man das auch den Ukrainern und Russen zugestehen, ein weiterer Konkurrent neben den Chinesen wäre auch schon egal. Als Bonus gäbs noch Zugriff auf russische Ressourcen (Öl+Gas), womit Europa unabhängig von dem Chaos im mittleren Osten wäre.

Im Hinblick auf versiegende Nordseeölquellen wäre das eine kluge EU-Strategie, aber so langfristig denkt kein Politiker.

Lieber Herr Meier, es schaut so aus, als ob die Sanktionen dazu dienen, wirtschaftlichen Druck auf die eigene Wirtschaft aufzubauen. Siemens und Alstom können zum Beispiel mit ihren verlorenen Milliardenaufträgen im russischen Eisenbahngeschäft ein Lied davon singen.

Das Gehabe der G7 zeigt, das es sich bei den Teilnehmern um selbstgefällige Wichtigtuer handelt. Greifbare Ergebnisse sind daher niemals zu erwarten. Lediglich die gewaltige Steuergeldverschwendung ist Fakt. Wer erinnert sich zum Beispiel noch daran, was in Heiligendamm beschlossen wurde. Ein Schelm ist, wer daran glaubt, das diese Gipfel nicht bloßer Schall und Rauch sind.

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