Subtile Diskriminierung
Die Schwierigkeiten mit dem „Frühfranzösischen“ stellen der Volksschule in einem viersprachigen Land ein schlechtes Zeugnis aus. Auf die Note drückt bereits die Bezeichnung „Frühfranzösisch“. Nach diesem Muster müsste jedes in den Primarklassen unterrichtete Fach unsinnigerweise mit „Früh-“ ergänzt werden: Frühlesen, Frühschreiben, Frührechnen, Frühzeichnen, Frühturnen.
„Früh“ heisst „bei Tagesbeginn“, „vor der gewohnten Zeit“ oder „bevor das üblicherweise Erwartete geschieht“. In „früh“ steckt eine Aussergewöhnlichkeit. Die „Frühgeburt“ ruft einem besonderen Mitleiden, der „Frühtod“ auch, der „Frühstart“ einem Tadel, der „Frühschoppen“ einer leisen Missbilligung der Frugalisten und die „Frühmesse“ einem milden Lächeln der Spätaufsteher.
Diese Bezeugungen färben auf „Frühfranzösisch“ ab. Es ragt als technokratisches Unwort irritierend aus den übrigen Fächern heraus und stört als abweichend von der Normalität. So sehr, dass es zum Schimpfwort erniedrigt wurde. Die Sprache unserer stärksten Minderheit wird verachtet. Die Subtilität verschärft die Diskriminierung.
Höchste Zeit, in aller Selbstverständlichkeit von „Französisch“ zu reden, egal, in welcher Klasse der Unterricht beginnt.
"Frūhfranzōsisch" und "Frūhenglisch". Ich hege den Verdacht, dass Lehrerinnen und Lehrer sehr wohl englisch sprechen - was für Deutschschweizer nicht so schwierig ist -, aber dass sie kaum fliessend franzõsisch sprechen. Mag sein, ich liege falsch mit dem Verdacht, aber fliessend franzōsisch als Fremdsprache zu sprechen, ist so einfach nicht.
Fast immer wenn Worte zu Unworten werden, steckt dahinter die Politik einer ganz bestimmten Partei, deren Besitzer Millionen dafür ausgab, die verbale Schweiz mit diffamierenden Wortschöpfungen wie "Scheininvalide", "Gutmenschen", "Weichsinnige" und jetzt in diesem Fall mit "Frühfranzösich" zu "beglücken", die ganz in der Tradition der totalitären Polemik versuchen, Gräben zwischen den Menschen zu aufzutun.
Es wäre eine Masterarbeit, zu untersuchen, wie sehr diese eine Partei und deren Werber mit unserer Sprache Schindluder trieben, denn solche Unworte finden immer den Weg in die Alltagssprache, wie zum Beispiel das Wort "Cüpli-Sozialist", einem diffamierenden Kampfbegriff, der inzwischen sogar von Wählern der SP für ihre eigenen Leute benutzt wird.