Wer profitiert von der Krise?

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Wer profitiert von der Krise?

Von Daniel Funk, 03.10.2015

Deutschland ist zwar nicht schuld an der Krise in Griechenland, hat aber davon enorm profitiert.

Selbst wenn sie die griechischen Staatsschulden komplett ans Bein streichen müssen, sind die deutschen Steuerzahler gemäss einer Studie die grossen Gewinner der griechischen Pleite. Wie das?

Seit 2010 habe der deutsche Finanzminister wegen der durch die Krise gedrückten Zinsen mehr als 100 Milliarden Euro gespart, heisst es in einer Untersuchung des unverdächtigen Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle (Saale). Dies sind mehr als die rund 90 Milliarden Euro, die Griechenland Deutschland direkt schuldet oder für die Deutschland über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Garantien abgab. «Diese Einsparungen übertreffen die Kosten der Krise – selbst dann, wenn Griechenland seine Schulden komplett nicht bedienen würde», heisst es in einer Mitteilung des Forschungsinstituts. «Deutschland hat also in jedem Fall von der Griechenlandkrise profitiert.»

Tiefe Zinsen machen’s möglich

Wie kommt dieses auf den ersten Blick nicht plausible Ergebnis zustande: Mit der Krise suchten Investoren aus aller Welt besonders sichere Anlagen. Deutsche Staatsschulden (Bunds), Schweizer Eidgenossen, usw. Ausserdem flutete die Europäische Zentralbank (EZB) die Geldmärkte und drückte so die Renditen. Deutschland konnte auslaufende Staatsanleihen praktisch zum Nulltarif refinanzieren.

Was wäre ohne Krise passiert? Die Forscher aus Halle kommen mit zwei Methoden praktisch zum gleichen Ergebnis: Einmal rechneten sie mit den vor der Krise üblichen Zinssätzen. Bei der zweiten Methode schätzten sie die Zinssätze, wie sie ohne Krise wahrscheinlich gewesen wären.

Schlecht für den einen, gut für den anderen

Die sogenannte Flucht in die sicheren Häfen ist ein an den Märkten oft beobachtetes Phänomen – deshalb der starke Aufwertungsdruck auf den Franken wenn die Welt im Krisenmodus ist. Die Ökonomen erkannten auch hier einen Zusammenhang: «Schlechte Nachrichten in Griechenland waren gute Nachrichten in Deutschland und umgekehrt», heisst es in der Mitteilung des Instituts. Und damit nicht genug: Da sich die Verwerfungen an den Märkten nicht gelegt haben und da die Zinsen weiterhin massiv künstlich gedrückt werden, sind die Aussichten für Deutschland weiterhin glänzend.

Natürlich hat die Studie auch Haken – die Auswirkungen der Krise auf die Gesamtwirtschaft wurden nicht berücksichtigt – nur diejenigen auf den Finanzhaushalt. Hat die Unsicherheit die Auslandsnachfrage gedämpft? Hat der schwache Euro die Exporte beflügelt? Sind die Investitionen krisenbedingt gesunken? Wurde die Wirtschaft durch Einwanderung gestärkt? Hatten die tiefen Zinsen negative Ergebnisse auf die deutschen Sparer? Das blieb alles unberücksichtigt. Aber trotzdem: Die Finanzen des deutschen Staates wurden enorm entlastet.

Deutschland hat seine guten Produkte billig produziert (zu tiefe Löhne im Verhältnis zur Produktivität) den Kunden billig finanziert (Banken) und seine Kunden (chancenlosen Konkurrenten) auch noch an die Wand gefahren. Das geht in einer Währungsunion nicht.

Das IFO Institut in München, sprich Hans-Werner Sinn, kann genau das Gegenteil belegen. Welches Institut ist glaubwürdinger? Wir meinen mit Bestimmtheit: das IFO Institut.

Was belegt denn Hans-Werner Sinn genau?

Sehr richtig. Das Problem ist andersherum zu sehen: Der Euro bzw. die unterliegende Garantie der Deutschen (der deutschen Steuerzahler, um genau zu sein) hat es den Griechen und Spaniern erlaubt, sich sehr viel billiger zu verschulden als es sonst der Fall gewesen wäre. Das hat zu der enormen Verschuldung und dem heutigen desolaten Zustand der Südstaaten geführt. Natürlich haben auch daran die Deutschen Schuld, und sie profitieren durch den zu tief bewerteten Euro. Aber die Kausalkette im Artikel ist Unsinn.

Ich habe gar keine Kausalkette aufgebaut. An anderer Stelle habe ich ebenfalls darauf hingewiesen, dass sich die Griechen billig verschulden konnten, weil als Folge der Währungsunion die Risikoprämien stark gesunden sind. Die Deutschen tragen da insofern eine Verantwortung, als sie den Griechen geholfen haben, dem Überwachungsmechanismus zu entrinnen - weil sie damals selber ihre Staatsfinanzen nicht in Ordnung hatten.
Ich weise einfach darauf hin, dass Deutschland von der Krise in Hellas profitiert - und zwar massiv. Ich will damit etwas der Tonalität entgegentreten, die in Deutschland vorherrscht: Wir müssen immer bezahlen, wir arbeiten, die anderen bereichern sich auf unsere Kosten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Je mehr Zentralismus (Euro, EZB) und je mehr Interventionismus (FED, Q, Keynesianismus, Transferunion, "Primat der Politik"), desto verzerrter werden die Prozesse und Allokationen der Menschen, sprich die Märkte. Eines Tages muss das alles wieder aufgelöst werden, bevor die Demokratie völlig dahin ist. Das wird teuer, aber die Rückkehr zur Vernunft in Europa - zu nationalen Währungen, sprich dezentralen Mechanismen - ist kaum zu vermeiden.

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