Zusätzliche sechs Jahre Gefängnis für Chodorkowski
Mit dem Strafmass von insgesamt 14 Jahren Gefängnis hat der Moskauer Richter dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprochen. Einige Beobachter hatten spekuliert, dass der frühere Ölmagnat Chodorkowski im zweiten Prozess zwar für schuldig erklärt, dann aber ein „mildes“ zusätzliches Strafmass von ein oder zwei Jahren bekommen würde. Das hätte bedeutet, dass der Verurteilte nach Ablauf der ersten achtjährigen Frist im Jahr 2011 möglicherweise nach den Präsidentenwahlen im Jahr 2012 freigelassen werden könnte.
Juristische Groteske
Diese „milde“ Variante hat das Gericht nun klar durchkreuzt. Und niemand bezweifelt im ernst, dass auch über das Strafmass in diesem kafkaesken Prozess nicht das Richtergremium, sondern die oberste Moskauer Machtetage entschieden hat – in diesem Fall nicht diejenige im Kreml, wo Präsident Medwedew amtiert, sondern die Befehlszentrale im Weisse Haus an der Moskwa, wo Ministerpräsident Putin, das Kommando gibt.
Die juristische Absurdität dieses zweiten Prozesses gegen Chodorkowski und Lebedew wird zusätzlich durch den Umstand unterstrichen, dass das Strafmass von insgesamt 14 Jahren mit dem ersten Verfahren verknüpft wurde. Damit wird unterstrichen, dass die beiden Prozesse, in dem es um angebliche Straftaten im Zusammenhang mit Chodorkowskis früherem Yukos-Konzern (Steuerhinterziehung und angeblicher Öldiebstahl aus dem eigenen Unternehmen) geht, eng zusammengehören. Auch das russische Recht kennt jedoch den Grundsatz, dass niemand wegen der gleichen Straftaten ein zweites Mal verurteilt werden kann. Schon wegen dieses Grundsatzes hätte dieser Prozess gegen einen Gefangenen gar nie beginnen dürfen.
Warum Putin ein solches Willkürurteil unbedingt durchdrücken wollte, ist für den Aussenstehenden schwer verständlich. War er tatsächlich von der Befürchtung getrieben, Chodorkowski könnte ihm bei der Präsidentschaftswahl 2012 ernsthaft in die Quere kommen? Rational betrachtet ist das wenig überzeugend. Wer sich in russischen Stimmungslagen ein wenig auskennt, weiss, dass Chodorkowski schon wegen seiner jüdischen Abstimmung keine Chance hätte, je eine Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Möglicherweise könnte in der Opposition eine gewisse Führungsrolle übernehmen. Aber erstens geniesst Putin und sein Protégé Medwedew in der breiten Bevölkerung nach wie vor hohe Popularität. Und zweitens hätte selbst eine halbwegs kohärente Opposition im heutigen Russland gegen das Machtsystems Putins keine Chance. Oder ist sich Putin seiner Sache doch nicht so sicher?
Medwedew als Verlierer
Wahrscheinlicher ist wohl, dass Russlands starker Mann mit dem zweiten Prozess gegen Chodorkowski noch einmal allen Grossunternehmern und Milliardären im eigenen Lande unmissverständlich klar machen wollte, welche Risiken sie eingehen, falls sie – wie das der einst reichste Mann im Lande getan hatte – politisch nicht nach der Pfeife der staatlichen Machtvertikale und ihrer Geschäftsinteressen tanzen.
Verlierer bei dieser knallharten Machtdemonstration ist nicht nur das ohnehin schwache Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit im postsowjetischen Russland. Verlierer ist auch Putins Protégé, Präsident Dimitri Medwedew. Die zuvor schon häufiger in Frage gestellte Glaubwürdigkeit seines Kampfes gegen den „Rechtsnihilismus“ in Russland ist mit dem zweiten Chodorkowski-Prozess und dessen offenkundig von oben manipulierten Ergebnis aufs schwerste angeschlagen.
Die mit diesem Fall demonstrierte Schwäche der Justiz und ihre Abhängigkeit von politischen Machtgruppen ist ausserdem ein ungutes Omen für die Entwicklung privater Investitionen in Russland, die das Land und seine bisher wenig innovative Wirtschaft dringend nötig hat. Eklatante Beispiele von Willkür und fehlender Rechtssicherheit wie im Fall Chodorkowski sind kaum geeignet, ausländische und inländische Investoren dazu zu ermutigen, ihr Geld in Russland anzulegen. Laut dem „Economist“ sind in den ersten 10 Monaten dieses Jahres 21 Milliarden Dollar aus Russland abgeflossen – eine völlig gegenläufige Bewegung zur Entwicklung in andern Ländern der sogenannten BRIC-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China).
Richtig ist wohl der Hinweis, dass das Willkürurteil im zweiten Chodorkowski-Prozess die grosse Masse der russischen Bevölkerung wenig bewegt. Neureichen Aufsteigern, bringt man in Russland traditionell mehr Misstrauen entgegen als anderswo – was im Falle vieler russischer Miliardäre und der Geschichte ihres Reichtums ja nicht unbegründet ist.
Sowjetische und postsowjetische Verhältnisse
Dennoch kann die scheinbare Gleichgültigkeit, mit der russische Durchschnittsbürger auf die Justizfarce im Fall Chodorkowski reagieren, trügerisch sein. Als das Sowjetregime Andrei Sacharow und andere politische Dissidente mit Gewalt und einer gegängelten Justiz zum Schweigen brachte, gab auch es keine Massenproteste. Aber wie sich später beim Zerfall des Sowjetsystems zeigte, war dies keineswegs ein Beweis dafür, dass breite Teile des Volkes mit den politischen Verhältnissen einverstanden waren und die Mächtigen im Kreml sich auf einen soliden Konsens mit dem Volk verlassen konnten.
Damit sollen die heutigen politischen Zustände in Russland nicht mit den sowjetischen Verhältnissen gleichgesetzt, werden. Auch zählt Chodorkwoski nicht zum Rang eines Sacharow oder Solschenizyn. Doch Putin, der ja in der Sowjetperiode gross geworden und Geheimdienstkarriere gemacht hat, sollte sich erinnern, dass man mit selektiver Willkür gegen politische Abweichler und unbequeme Kritiker ein Machtsystem auf die Dauer nicht stabilisieren kann.
Was regt ihr euch so auf? George H.W. Bush war sogar Chef der CIA ( auch das ist ein Geheimdienst ) und was haben die nicht alles getan oder tun es immer noch? Jedes Land versucht sich zu schützen. Die Mittel gleichen sich.z.B.Guantanamo ist doch auch ein total rechtsfreier Raum und von Abu Graib oder Bagram will scheinbar niemand reden.Wie war das genau mit Spitzer und wer wurde später zufällig tot in der Hauptstadt gefunden. Aha! Also! Zwischen Investitionen für eine Zukunft oder den Versuch ein Land auszurauben besteht doch noch ein Unterschied.Der Westen hat eben die Chance, schnell eine junge Demokratie zu unterstützen leider verpasst. Jetzt braucht es mehr Zeit und einen starken Mann um das ohne Schaden für so ein heruntergewirtschaftetes Land zu erreichen.Seid offen gegenüber Russland es wird eines Tages als Mitglied der EU Europa zur dritten Weltmacht verhelfen. Ehrlich gesagt hab ich auch Mitleid mit Chodorkowski aber noch mehr mit den vielen Unschuldigen in aller Welt die aus politischen Gründen gefangen gehalten werden. Ein gutes neues Jahr wünscht Euch trotz aller Politik Cathari.