Zwei Wahlsieger in der Ukraine
Kein Land in Europa ist in diesem Jahr derart von dramatischen politischen Stürmen aufgewühlt und erschüttert worden wie die Ukraine: Zuerst die Massenproteste gegen den Aufschub eines geplanten Assoziierungsabkommens mit der EU durch das korrupte Janukowitsch-Regime, die Flucht des Präsidenten im Februar, die Annexion der Krim durch Russland, separatistische und von Moskau unterstützte Aufstandsbewegungen in der Ostukraine, im Mai die Wahl von Petro Poroschenko zum neuen Präsidenten, brüchiger Waffenstillstand in der Ostukraine, anhaltend akute Wirtschaftskrise.
Erstaunlich ruhig und korrekt
Nach all diesen Aufwallungen, kriegerischen Konfrontationen und Umwälzungen, deren Folgen und Erschütterungen noch längst nicht abgeklungen sind, haben am Wochenende die Parlamentswahlen unter erstaunlich ruhigen und korrekten Bedingungen stattgefunden. Das wird auch von den Wahlbeobachtern der OSZE bestätigt. Dies unabhängig von der Tatsache, dass in den von prorussischen Milizen kontrollierten Gebieten um Donezk und Luganz sowie auf der von Russland einverleibten Krim die Parlamentswahlen nicht durchgeführt werden konnten.
Entgegen den meisten Prognosen ist das von Präsident Poroschenko angeführte Bündnis (Block Poroschenko) nicht als die eindeutig stärkste aus dieser Wahl hervorgegangen. Er muss den Platz des Wahlsiegers mit dem bisherigen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk teilen. Dessen erst vor kurzem gegründete Nationale Front erreichte gemäss bisheriger Auszählung, die noch nicht abgeschlossen ist, rund 21 Prozent der Stimmen – gleich viel wie der Poroschenko-Block. Eine weitere Überraschung ist das starke Ergebnis (rund 12 Prozent) der Partei Samopomitsch (Selbsthilfe), die vom Bürgermeister der westukrainischen Stadt Lwiw (Lemberg), Andri Sadowi, angeführt wird.
Pro-europäische Mehrheit
Diese drei pro-europäischen Parteien werden voraussichtlich im neuen Parlament eine deutlichen Mehrheit besitzen. Auch die Vaterlandspartei (gegen 6 Prozent Stimmenanteil) der früheren Regierungschefin und ehemaligen Oppositionsführerin Julia Timoschenko könnte sich dieser sich abzeichnenden Regierungskoalition anschliessen. Damit würde ein Regierungsbündnis mit einem Stimmenanteil von rund 60 Prozent entstehen.
Der „Oppositionsblock“, eine Nachfolgeorganisation der vom geflüchteten früheren Präsidenten Janukowitsch angeführten „Partei der Regionen,“ dürfte es auf einen Stimmenanteil von etwa 10 Prozent bringen. Nicht mehr im Parlament vertreten sind voraussichtlich die Kommunisten, da sie nach den bisherigen Informationen an der 5-Prozent-Hürde scheitern werden.
Möglicherweise wird das gleiche Schicksal auch die rechtsnationale Swoboda-Partei treffen, die in der Westukraine ihre Wurzeln hat. Das gilt auch für die Formation „Rechter Sektor“. Die „Radikale Partei“, eine neue nationalpopulistische Kraft mit dem schillernden Volkstribun Oleh Ljaschko an der Spitze, könnte hingegen mit einem Stimmenanteil von etwa 6 prozent in die Kiewer Werchowna Rada (Parlament) einziehen.
Ein Partner für Poroschenko
Von einer „faschistischen Gefahr“ oder gar einer rechtsextremen Dominanz unter den politischen Kräften in der Ukraine kann jedenfalls nach dieser Parlamentswahl nicht die Rede sein. Dieses düstere Bild, das die vom Putin-Regime in Moskau gesteuerte Propaganda nach dem Sturz Janukowitschs mit Inbrunst an die Wand gemalt hatte, war schon nach der Wahl des neuen Präsidenten Poroschenko falsch. Nun ist es wohl definitiv widerlegt worden.
Es ist ein ermutigendes Zeichen für die von schweren Problemen bedrängte Ukraine, dass Poroschenko nicht als allein dominierender Sieger bei dem demokratisch organisierten Neuordnungsprozess dieses Landes dasteht. Poroschenko hat zwar seit seiner Wahl zum Präsidenten im Ganzen eine gute Figur gemacht. Selbst Putin sah sich in den letzten Monaten veranlasst, ihn mit einem gewissen Respekt zu behandeln. Aber Poroschenko gehört gleichzeitig zur Klasse der milliardenschweren Oligarchen (wegen seiner Schokoladenfabrik wird er auch Schokoladenkönig genannt), die seit der Gründung der Ukraine als unabhängiger Staat oft genug eine dubiose Rolle gespielt haben. Ausserdem hat er in früheren Jahren schon unter früheren Regierungen, auch während des diskreditierten Janukowitsch-Regimes, viele einflussreiche Ämter bekleidet.
Jazenjuks Profil
Der zweite Wahlsieger Jazenjuk ist trotz seiner Jugendlichkeit (er ist erst vierzig Jahre alt) politisch ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Auch er amtierte schon zuvor auf bedeutenden Posten – so war er unter Präsident Juschtschenko (dem Vorgänger von Janukowitsch) zeitweise Wirtschaftsminister, Aussenminister und dann Parlamentspräsident. Später verbündete er sich vorübergehend mit der Vaterlandspartei von Julia Timoschenko. Als interimistischer Ministerpräsident nach der Flucht Janukowitschs und als gebürtiger Westukrainer (er ist im legendären Czernowitz aufgewachsen), hat Jazenjuk die russische Einverleibung der Krim und die dreiste Einmischung des Putin-Regimes in der Ostukraine rhetorisch härter und aggressiver kritisiert als Poroschenko.
Diese kämpferische Haltung hat ihm und seiner Partei Volksfront wohl bei der jetzigen Parlamentswahl einen überraschend hohen Stimmenanteil beschert. Doch Jazenjuk sollte über genügend politische Erfahrung und Pragmatismus verfügen, um seinen gestärkten Einfluss nicht in fruchtlosen Machtspielen mit andern pro-europäischen Kräften zu verheizen.
„Orange Revolution“ als Mahnung
Genau dies war nach der zunächst glorreichen Orangen Revolution vor zehn Jahren geschehen. Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko, die beiden Identifikationsfiguren jener erfolgreichen Protestbewegung gegen eine betrügerische Präsidentenwahl, hatten in der Folge nichts Gescheiteres zu tun, als sich spinnefeind gegenseitig das Wasser abzugraben und dabei die versprochene Modernisierung des Landes sträflich zu vernachlässigen.
Die ukrainischen Problemberge, die sich vor den Wahlsiegern Poroschenko und Jazenjuk und ihren Verbündeten türmen, sind gewaltig – aber sie sind nicht völlig unüberwindlich. Das Grenzland Ukraine (notabene der flächenmässig grösste Staat innerhalb Europas) muss seine Identität klären und vertiefen. Ingredienzien dieser Identität sind sowohl ausbaufähige Bindungen an das Projekt Europa wie das Bewusstsein einer historisch-kulturellen Erbgemeinschaft mit Russland. Beide Stränge miteinander zu vereinbaren, braucht Geduld und viel staatsmännisches Geschick.
Mässigung in Moskau?
Das misstrauische und reizbare Moskau hat die Gültigkeit der ukrainischen Parlamentswahl immerhin anerkannt. Putin scheint an zumindest partiellen Verständigungen mit den neuen bestimmenden Kräften in Kiew mehr interessiert als noch vor einigen Monaten. Einiges spricht dafür, dass die vom Westen verhängten Wirtschaftssanktionen ihre Wirkung entfalten und den Kreml zu etwas mehr Mässigung in seiner Ukraine-Politik motiviert haben.
Bei der Aufzählung der "dramatischen Stürme" in der Ukraine "vergisst" Herr Meier die Ursache für diese Stürme, nämlich den schon seit einiger Zeit geplanten Sturz der demokratisch gewählten Regierung . Entsprechend wird bei den Meinungsmachern im Mainstream auch nur noch von der "Krim-Krise" gesprochen.
Der Putsch in Kiew wurde lange vorbereitet. Schon vor Jahren gründete Jazenjuk die Stiftung Open Ukraine (Yatsenyuk Foundation). Sponsor dieser Stiftung ist die Renaissance Foundation von Soros. Auf ihrer Homepage nennt Open Ukraine als Partner u.a. Chatham House (internationale strategische Beratung), Black See Trust for Regional Cooperation, National Endowment for Democracy, alles Adressen, die dem gut informierten Leser unserer Qualitätsmedien nicht mehr vorgestellt werden müssten. Jazenjuk ist nichts anderes als der Kandidat der USA.
Vielleicht mal dran denken, dass der frühere Premier Janukowitsch die Assoziation mit der EU unterschreiben wollte und von Putin erpresst wurde, es nicht zu tun. Dies und nichts anderes ist die Ursache der Stürme, resp. des Maidans, weil die Ukrainer (das Volk) mehrheitlich eben in Richtung Europa wollten und immer noch wollen. Alles andere ist Propaganda und Augenwischerei.
Frage mich anhand Ihrer Ausführungen, ob Sie uns weis machen wollen, dass die Ukrainer bei der Wahl Jazenjuks vom CIA oder George Soros ferngesteuert wurden. Vielleicht haben die ja die fraglichen Wähler bestochen? Gibt es dazu in Sankt Petersburg schon neue Erkenntnisse?
Jazenjuk ist der Wunschkandidat der USA. Das hat auch Frau Nuland (F*** the EU) in einem abgehörten Telefonat bestätigt. Wieso das so ist, wird klar, wenn man die Webseite der "Arseniy Yatsenyuk Foundation" durchstöbert. Unter Partner werden u.a. aufgeführt: Chatham House, NATO und das US State Departement.
Mit Herrn Jazenjuk in der Führungsrolle dürfte klar sein, dass die USA im "Spiel" um die Ukraine vorerst gewonnen und die EU verloren hat. Letztere hat auf die "falschen" Kandidaten gesetzt, wird aber als Zahlmeister noch gebraucht.
Apropos Chatham House: Das ist ein transatlantischer Think Tank und Herr Meier ist dort kein Unbekannter. Somit schließt sich der Kreis ;-)
Danke speziell für den letzten Satz, das wusste ich nicht, erklärt aber die Position die Herr Meier zu diesem sehr ernsten Thema hartnäckig einnimmt. Es mutet doch seltsam an, wenn jemand sich so definitiv mit dem deutsch-amerikanischen Mainstream-Journalismus kurzschliesst, obwohl seine Sicht der Dinge hier sehr selten auf Zustimmung stösst. Wie auch, das ganze Netz ist voll von ganz andereren Info's zu den Hintergründen im aktuellen Konflikt und die Aktualitäten überholen den Herrn Meier von allen Seiten. Wenn das alles nicht so gefährlich wäre, könnte man seine Bemühungen die USA/EU sauber und Russland böse aussehen zu lassen sogar komisch finden - tragikomisch!
Wie können ein paar "bedeutungslose Faschisten" innerhalb von 48 Stunden per Ultimatum die Absetzung des Innenministers und des Genrealstaatsanwaltes erzwingen, wenn sie doch laut Herrn Meier völlig bedeutungslos sind? Und wie ist es möglich, das dieser "bedeutungslose Haufen"
per gleichem Ultimatum auch noch die Freilassung einer Horde brutaler brauner Schläger erzwingt? Ich denke, das liegt daran, das die Faschisten in der Ukraine viel bedeutender sind, als der Herr Meier uns mit seinem Obama-Troll-Beitrag weismachen will, weil sie die einzige Ernst zu nehmende bewaffnete Truppe im Restreich der verfaulten Orangen stellen und deshalb jederzeit in der Lage sind, den Herrn Poroschenko und den Herrn Jazenjuk in die Flucht zu schlagen.
[...] Putins Propaganda, in Kiew dominierten die Faschisten, ist klar widerlegt worden [...]
Falsch ich kann Ihnen Bilder zeigen, wo Jazenjuk den Hitlerruss macht. Es mussten schon Personen in der Schweiz auf Druck der Medien wegen so einem Gruss ihren Posten aufgeben, aber wenn es ein von der NATO finanzierter Schwerverbrecher ist, ist es natürlich völlig legitim, dass man dem in den A... kriecht.
Bild, eine Seite die ich zufällig fand.
http://asatue.blogsport.de/2014/03/05/gegendarstellung-ukraine-der-weste...
Herr Meier, kennen Sie den Bestseller "Gekaufte Journalisten"?
Der "Hitlergruss" von Jaz ist eine Täuschung, es gibt ein Video dazu auf dem man sieht, dass er nur jemandem gewunken hat. Daraus wurde der Moment mit ausgestrecktem Arm herausgeschnitten. Beim Bild mit Tiahnybok kenne ich den Hintergrund nicht. Hitler ist nicht unbedingt das Vorbild der heutigen ukrainischen Nationalisten. Er hatte zwar die ungeliebten Sowjets kurzzeitig aus Gallizien und der Westukraine geworfen, aber liess Stepan Bandera daraufhin verhaften. Weder er noch die heutigen Strategen wollen eine allzu unabhängige Ukraine.
Bezüglich Herrn Meier und den gekauften Journalisten gebe ich Ihnen recht. Journal21 bewegt sich da in eine ungute Richtung.
Zum von ihnen erwähnten Buch:
https://krautreporter.de/46--die-wahrheit-uber-die-lugen-der-journalisten
Lügen verkaufen sich offenbar gut.
Naja, die Lügen der Transatlantik-Journalisten verkaufen sich offenbar immer wie weniger gut, nicht um sonst hat die NZZ bislang 40'000 Leser verloren.
Das Buch von Herrn Ulfkotte ist hingegen bestverkauftes Buch auf amazon.de, da kann der Krautreporter noch so Nebensächliches bemängeln.
Danke für diese ermutigende Analyse, Herr Meier
hiermit verabschiede ich mich vom journal21. wenn ich solche propaganda lesen wollte, könnte ich mir ja gleich die nzz abonnieren.
Ausgezeichnete Idee. Wird ihnen gut tun.
Da Sie "ihnen" klein schreiben, meinen Sie damit offenbar nicht den Kommentator, sondern die Journalisten der NZZ, denen ein paar mehr Leser tatsächlich gut täten. Nun, die Wahrheit stirbt zuerst, die Hoffnung zuletzt. Die NZZ illustriert dies ganz gut.
Eine Teilung der Ukraine scheint unausweichlich. Darüber entscheiden wird allerdings nicht Russland und die EU, sondern Russland und Washington. Die EU-Staaten sind nur Statisten. Die Frage ist nur noch, wo die neuen Grenzen verlaufen werden.
Es ist genau dieser neo-imperialistische Geist, der eine friedliches Zusammenleben in Europa zu verunmöglichen sucht. Mittel-Osteuropa ist nicht einfach ein Cordon Sanitaire zwischen West-Europa und Russland, über den, wie zu Zeiten der absolutistischen Herrscher in einem Hinterzimmer verhandelt und entschieden wird. Sondern er wird von verschiedenen Völkern bewohnt, die ein Recht auf Selbstbestimmung haben. Dazu zählen auch die Ukrainer, die, obwohl mit Weissrussen und Russen eng verwandt, nicht einfach eine Spielart des russ. Herrenvolkes sind, sondern etwas Eigenes und dies auch seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion bei jeder Gelegenheit bekräftigen.
Bitte das einfach mal zu Kenntnis zu nehmen, ebenso, dass die Zeit des Kalten Krieges passé ist und die neo-sowjetischen Strategiespielchen und Allmachtsfanstasien der heutigen Welt nicht mehr ganz entsprechen. Am Gezerre um die Ukraine ist neben Russland substantiell die EU beteiligt, und die ist keine militärische, ja vermutlich nicht mal eine politische Macht von Bedeutung, sondern eine wirtschaftliche.
Eine Teilung der Ukraine freut nur Putin, denn der hat ja mutmasslich Krebs und gibt evtl. bald den Löffel ab. Ich sehe die Teilungs-Propaganda der Russentrolle in diesem Licht - der Zar soll vor dem Ableben noch ein paar weitere Krumen angeblich russischer Erde einsammeln, auf dass er selig entschlafe. Hoffe sehr, dass dies nicht gelingt.
Wo informieren Sie sich?