Interview Michael F.P. Huber

“Der eigentliche Sinn von Musik ist für mich Kommunikation”

Es gibt Avantgardisten. Und es gibt Traditionalisten. Michael F.P. Huber ist nichts davon. Vielleicht aber beides zugleich. Er glaubt unter anderem, dass Traditionen, wenn sie neu interpretiert und gekonnt in Szene gesetzt werden, moderner klingen können als es eine strikt "moderne" Komposition je könnte.

AFEU: Mich interessieren noch die doppelten Böden. Auch der Humor spielt ja eine Rolle in deiner Musik. Kannst du die Funktion des Humors in deinen Werken noch näher beschreiben?

F.P. Huber: Mein Humor ist auf jeden Fall kein Schenkelklopf-Humor. Ich glaube es ist ein Unterschied zwischen jemandem, der einen Witz erzählt, über den man kurz lachen kann, oder ob jemand Humor hat. Es gibt einen tiefgründigen Humor, der vielleicht erst entdeckt werden muss. Bestes Beispiel ist Joseph Haydn. Erst nach einer Analyse begreift man, wo der wirkliche Humor steckt.

In meinem Fall ist Humor auch, dass man sich von außen betrachtet. Sich selbst nicht zu ernst nimmt. Bei allem Respekt vor der Arbeit natürlich. Gewisse Dinge müssen reflektiert werden. Ich mag Zitate, versteckte Hinweise. Ich gehe auch mit alten, scheinbar verbrauchten Formen um und fülle diese mit neuen Inhalten.

AFEU: Wie gehst du eigentlich genau mit Tradition und Traditionen um? Kannst du das noch ein wenig genauer ausführen?

F.P. Huber: Ich bin jemand, der sehr neugierig ist und möglichst viel kennenlernen möchte. Ich habe auch eine große Werkkenntnis und eine Kenntnis der Tradition. Das ist es auch, was ich manchen modernen Komponisten unterstelle: Sie leben im „luftleeren Raum“. Sie schirmen sich ab, vielleicht auch bewusst, damit sie nicht mit dem Ballast der Tradition konfrontiert sind.

Aber man muss wissen, gerade was im 20. Jahrhundert bereits passiert ist! Ich kann nicht hergehen und behaupten, etwas wäre neu, dabei ist es schon längst in den 50ern und 60ern gemacht worden. Ich finde das immer wieder bei Avantgarde-Festivals vor und langweile mich zu Tode. Vieles davon wurde bei John Cage oder Pierre Boulez schon längst gemacht und gedacht.

Es geht um meine persönliche Betroffenheit, die ich nicht herausposaunen muss. Das ist mir zu oberflächlich und zu „Marketing-Geil“.

Manchmal kann es absolut neu sein, auf etwas anderes zurückzugreifen und das neu zu reflektieren. Es kann sein, dass meine Musik älter klingt als vieles, das in den 50er Jahren passiert ist. Dann muss man allerdings mit einem anderen Ohr hinhören und feststellen, dass es sehr wohl neue Elemente gibt, die möglicherweise aber versteckter sind.

AFEU: Heute leben wir ja in einem Zeitalter der Pluralität. Ich kann auf 500 Jahre Musikgeschichte und mehr zurückgreifen.

F.P. Huber: Ja. Das darf aber nicht bedeuten, dass es ein Sammelsurium an Stilen werden soll. Allerdings gibt es Komponisten, die das sehr überzeugend gemacht haben, zum Beispiel Alfred Schnittke. Wenn man sich das Viola-Konzert von Schnittke anhört, dann gibt es in diesem plötzlich den Ausbruch eines A-Moll-Dreiklangs. Dieser ist so massiv und wirkt so modern, dass es einen vom Sessel reißt. Das sind Sachen, denen ich auf die Spur kommen möchte. Dieser simple A-Moll-Dreiklang hat eine so erschütternde Wirkung.

AFEU: Das ist möglicherweise auch das Problem der Avantgarde. Das „Konventionelle“ kann im „Unkonventionellen“ an richtiger Stelle gesetzt überaus kraftvoll sein. Das wird da oft übersehen.

F.P. Huber: Eben. Es kommt auf den Zusammenhang an. Schnitttke hat ja auch viele Avantgarde-Techniken probiert. Er hat aber seine ureigene Sprache entwickelt. Das ist immer noch möglich, aber mit der Kenntnis der Tradition. Ich begegne der Tradition mit sehr großen Respekt. Jedes neue Werk ist eine Herausforderung. Es gibt ja schon so viel!

AFEU: Mich würde noch interessieren, wovon du dich beim Komponieren, abgesehen von anderer Musik, inspirieren lässt. Von der Natur? Vom urbanen Raum? Von politischen Ereignissen?

F.P. Huber: Das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Ich habe nicht Zeit jeden Tag in die Natur zu gehen und mich inspirieren zu lassen. Die Natur ist aber schon wichtig. Weg vom Stadtlärm zu kommen. Ich will etwas hören, das ich im normalen Berufsalltag nicht höre. Auch wenn es nur das Rauschen eines Blattes oder eines Baches ist. Es ist so, dass ich dabei auf das Naturgeräusch zurückfinde. Ich bekomme den Kopf frei. Darum geht es. Mich inspirieren schöne Ausblicke und Landschaften. Das mag vielleicht kitschig klingen, aber es ist so.

Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch andere Situationen inspirierend sein können. Ich kann im Kaffeehaus sitzen und das Gerede am Nebentisch kann etwas in mir auslösen.

Ich versuche aber zum Beispiel nicht mich an tagespolitische Themen anzuhängen. Die Welt selbst ist schlecht genug. “Ich möchte nicht die Schlechtigkeit der Welt zum Gegenstand meiner Musik machen.” Das hat ein großer Lehrer von mir so formuliert, Kurt Schwertsik.

AFEU: Würdest du zum Beispiel auf die Anschläge in Paris Bezug nehmen?

F.P. Huber: Das wäre mir ehrlich gesagt zu billig. Die Erschütterung darüber ist so groß, dass einem die Worte fehlen. Es fehlen eigentlich auch die Töne. Es kann aber in meine Arbeit einfließen. Ich erzähle es dann aber niemandem. Es geht um meine persönliche Betroffenheit, die ich nicht herausposaunen muss. Das ist mir zu oberflächlich und zu „Marketing-Geil“.

AFEU: Danke für das Gespräch!

Titelbild: Pressebild Michael F.P. Huber