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Von Israel, Italien und Heslach

Presseschau vom 30. Januar 2008

© Die Berliner Literaturkritik, 30.01.08

 

BERLIN (BLK) – Einen schalen Eindruck hinterlasse Kader Abdolahs „Das Haus an der Moschee“, meint die „FAZ“. Als ethnografisch und autobiographisch bezeichnet die „NZZ“ Ulf Stolterfohts neuen Gedichtband. Die „SZ“ bespricht unter anderem Ron Leshems aufwühlendes „Wenn es ein Paradies gibt“. Außerdem in der Presseschau: Louis de Bonald, Sigrid Weigel und „Italien seit 1945“.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“

Der Roman „Das Haus an der Moschee“ zeichne ein farbiges Bild von der Heimat des iranischen Autors Kader Abdolah, schreibt die „FAZ“. Manchmal tue er aber des Guten zuviel. Abdolah, der 1988 aus seiner Heimat floh, habe eine Elegie eines aus Land und Sprache Exilierten geschrieben, in einem für ihn eher untypischen, konventionellen Erzählstil, meint die Rezensentin. Des Weiteren würden die politischen und psychologischen Handlungsmotive der Figuren nebulös bleiben. Bei aller orientalischen Opulenz und anrührender Tragik hinterlasse die Lektüre einen etwas schalen Eindruck, urteilt die Rezensentin.

Roberto Zapperi, von der „FAZ“ als „Altmeister der investigativen Kunstgeschichte „in eroticis“ bezeichnet, habe ein neues Werk zur Renaissance vorgelegt. In „Das Bildnis der Geliebten“ reihe er die Auftritte berühmter Liebespaare aneinander. Das Porträt sei das Zeugnis der Liebesbeziehung, welches diese überdauere. Der Leser erfreue sich durchaus an dem außerordentlich hübsch ausgestatteten Band, meint die „FAZ“. Bis zum Schluss verborgen bleibe dem Leser allerdings ein tiefer gehender Erkenntnisgewinn, beispielsweise für das Verständnis der Bildnisse Leonardos oder Tizians.

Die britische Fotografin Vanessa Winship hätte für ihren Fotoband „Schwarzes Meer“ jene Länder bereist, die an das Gewässer angrenzen, informiert die „FAZ“ in einer Kurzrezension. Entstanden seien eindrucksvolle Schwarzweißfotos, die das Meer rau, aufgewühlt, abweisend und selten von der versöhnlichen Seite zeigten. Man sehe darin auch russische Matrosen der Schwarzmeerflotte oder ein älteres, Angeln aufspulendes Ehepaar. Diese festgehaltenen Augenblicke, in denen die Objekte nicht arrangiert seien, hätten eine scheinbare Beiläufigkeit, schreibt die „FAZ“.

Vom Phänomen der als Märtyrer inszenierten Selbstmordattentäter nehme der Sammelband „Märtyrer-Porträts“ von Sigrid Weigel seinen Ausgang. Porträtiert werden unter anderem Ignaz Semmelweis (1818-1865), Lessings Emilia Galotti und Kafkas Hungerkünstler. Die Stücke seien kurz (drei bis vier Seiten) und seien durch knapp gehaltene Literaturangaben ergänzt, schreibt die „FAZ“. Erwartbares und Überraschendes lägen da oft beieinander und Funde ließen sich machen, meint die „FAZ“.

„Neue Zürcher Zeitung“

Wer der experimentellen Literatur vorwerfe, sie liefere eine anämische Variante der Welt, könne sich durch Ulf Stolterfoths neuen Gedichtband vom Gegenteil überzeugen lassen, schreibt die „NZZ“. „holzrauch über heslach“ sei ein großes ethnografisches, aber auch autobiographisches Gedicht. Es gehe um den Soziolekt einer speziellen Stuttgarter Szene und um den Stadtteil Heslach, in dem Stolterfoht aufgewachsen sei. Er skizziere in den neun thematisch gegliederten Kapiteln auf subtile Weise ein Milieu. Auch spiele er mit der Sprache anderer Dichter wie zum Beispiel der Oskar Pastiors (1927-2006), informiert die „NZZ“.

„Süddeutsche Zeitung“

Der junge israelische Journalist Ron Leshem habe mit „Wenn es ein Paradies gibt“ den ersten israelischen Kriegsroman geschrieben, urteilt die „SZ“. Eigentlich hätte Leshem eine Reportage über die israelische Einheit zu machen gehabt. Er hätte dort einen Offizier getroffen, den er schließlich zum Krieg interviewte. Aus diesen „Hotel-Monologen“ sei das Buch entstanden. Es sei ein merkwürdiger Kriegsroman, ein Buch über das Warten und die Zeit als stehender Sturmlauf und eine literarische Studie über asymmetrische Kriegsführung, meint die „SZ“.

„Essais und Einfälle“ biete einen schmalen Ausschnitt aus dem großen Oeuvre Louis de Bonalds (1754-1840), berichtet die „SZ“. Dieses Werk des Staatstheoretikers sei das einzig Greifbare im deutschen Buchhandel und zugleich eine Endeckung ersten Ranges. Darin sei nicht eine Spur „rasenden Gefasels“, welches der Zeit der Gegenaufklärung bescheinigt werden müsse, schreibt die „SZ“. De Bonald gönne in seiner Prosa dem Nebulösen keinen Raum. Auch die Übertragung ins Deutsche von Peter Weiß sei vorzüglich, weniger dagegen die Nachworte vom Nachfahren Jean Vicomte de Bonald und dem Herausgeber Langendorf.

Edgar Hilsenraths 1979 erstmals erschienenes Buch „Moskauer Orgasmus“ ist nun als dritter Band der von Helmut Braun herausgegebenen Werkausgabe neu aufgelegt, wie die „SZ“ informiert. Das Buch sei ein ziemlich vulgärer Spaß, den man nur dann goutieren könne, wenn man daran andere Maßstäbe ansetze als sonst bei Produktionen Hilsenraths, meint der Rezensent. Um es zu mögen, müsse man alle kritischen Reserven fahren lassen. Hinter dem Titel könne man sich indes etwas Subtileres, Politischeres und Erotischeres vorstellen, jedoch sei bei dem Buch nur Klamauk oder besser gleich Klamotte angesagt, urteilt der Rezensent.

Sobald es nicht um Kulinarisches oder den Zauber italienischer Städte gehe, sondern um die Politik und Gesellschaft des Landes, werde das Bücherangebot knapp, behauptet die „SZ“. Daher verdiene „Italien seit 1945“ von Christian Jansen Aufmerksamkeit. Er erkläre das Land anhand von Schwerpunkten – von der Kirche bis zur Außenpolitik, von der Mafia bis hin zum Lebensstil – als Exportschlager. So manch plastisches, überraschendes Beispiel halte Jansen bereit. Das große Rätsel, warum Italien trotz seiner eklatanten Schwächen weiterhin so ein attraktives Land sei, könne der Autor jedoch nicht lösen, wie die „SZ“ anmerkt. (wag/wip)

Literaturangaben:
ABDOLAH, KADER: Das Haus an der Moschee. Roman. Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby. Claassen Verlag, Berlin 2007. 400 S., 19,90 €.
BONALD, LOUIS DE: Essais und Einfälle. Übersetzt von Peter Weiß. Karolinger Verlag, Wien und Leipzig 2007. 107 S., 19 €.
HILSENRATH, EDGAR: Moskauer Orgasmus. Roman. Gesammelte Werke Band 3. Herausgegeben von Helmut Braun. Dittrich Verlag, Berlin 2007. 312 S., 22,80 €.
JANSEN, CHRISTIAN: Italien seit 1945. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2007. 255 S., 16,90 €.
LESHEM, RON: Wenn es ein Paradies gibt. Aus dem Hebräischen von Markus Lemke. Rowohlt Verlag, Hamburg 2008. 352 S., 19,90 €.
STOLTERFOHT, ULF: holzrauch über heslach. Urs Engeler Editor, Basel 2007. 124 S., 19 €.
WEIGEL, SIGRID: Märtyrer-Porträts. Von Opfertod, Blutzeugen und heiligen Kriegern. Wilhelm Fink Verlag, München 2007. 319 S., Abb., 29,90 €.
WINSHIP, VANESSA: Schwarzes Meer. Georgien, Türkei, Bulgarien, Rumänien, Ukraine, Russland. Herausgegeben von Nikolaus Gelpke. Text von Karl J. Spurzem. Marebuchverlag, Hamburg 2007. 136 S., Schwarzweißabbildungen, 49 €.
ZAPPERI, ROBERTO / WALTER, INGEBORG: Das Bildnis der Geliebten. Geschichten der Liebe über Petrarca bis Tizian. Verlag C.H. Beck, München 2007. 160 S., 18 Farb- und Schwarzweißabbildungen, 19,90 €.

Presseschau vom 29. Januar 2008

Andere Stimme

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