Wahlen zum Europäischen Parlament

8.5.2014

Das EP 2014 – mehr Macht, mehr Verantwortung

Wie bereits frühere Verträge hat auch der Vertrag von Lissabon dem EP mehr politische Gestaltungsmacht gegeben. Mehr Zuständigkeit bedeutet aber auch mehr Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, den nationalen Parlamenten und der Europäischen Union insgesamt.

Ein Beispiel ist die Gesetzgebungskompetenz des EP, die seit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1987 kontinuierlich verstärkt wurde. Der Vertrag von Lissabon stellt nun das Parlament auf dieselbe Stufe wie den Ministerrat, mit dem es fortan über die große Mehrheit der europäischen Gesetze entscheidet.
In Zukunft bedürfen alle von der EU geschlossenen internationalen Abkommen – einschließlich der Handelsabkommen – der Zustimmung des EP. Das bedeutet zum Beispiel, dass die EU-Kommission bei der Aushandlung des geplanten Freihandelsabkommens mit den USA auch das Votum des EP berücksichtigen muss, will sie dafür eine Mehrheit bekommen.
Seit dem Lissabonner Vertrag entscheidet das EP außerdem gemeinsam mit dem Ministerrat über den gesamten EU-Haushalt. Bisher war es für nur knapp die Hälfte aller EU-Ausgaben zuständig. Das EP wird nunmehr in allen Politikbereichen mit darüber entscheiden können, wie viel Geld wofür ausgegeben wird.

Auch bei der Auswahl des Führungspersonals wird das EP stärker beteiligt. Es wählt den Präsidenten der Europäischen Kommission auf der Grundlage eines Vorschlags der Staats- und Regierungschefs, wobei diese das Ergebnis der Europawahl zu berücksichtigen haben. Auch der/die neue Hohe Vertreter/ -in für die Außen- und Sicherheitspolitik benötigt als Vize-Präsident/ -in der EU-Kommission die Zustimmung des EP.
Als einzige aus direkten Wahlen hervorgegangene EU-Institution wird das EP durch seine neuen Kompetenzen in die Lage versetzt, die EU insgesamt demokratisch zu kontrollieren und die über 500 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger zu repräsentieren. Das EP versteht sich als Partner der nationalen Parlamente und unterstützt deren Recht, Gesetzgebungsinitiativen der EU zu stoppen, wenn sie nach ihrer Einschätzung Dinge betreffen, die besser auf nationaler Ebene geregelt werden können.

Bei der achten Direktwahl des EP im Mai 2014 werden die großen europäischen Parteifamilien erstmals mit europaweiten Spitzenkandidaten antreten. Für die Sozialdemokraten/Sozialisten kandidiert der bisherige EP-Präsident Martin Schulz, für die Konservativen der langjährige luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker. Als weitere Kandidaten treten an: für die Grünen die Deutsche Ska Keller und der Franzose José Bové, für die Liberalen der Belgier Guy Verhofstadt und der Finne Olli Rehn und für die Linken der Grieche Alexis Tsipras. Damit werden den Wählerinnen und Wählern erkennbare personelle und übernationale Alternativen angeboten.

Dieses neue Verfahren wird von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern befürwortet. Gemäß Eurobarometer – einer halbjährlich durchgeführten Befragung in den Mitgliedsländern – vom 21. August 2013 bejahte eine Mehrheit die Frage, ob sich heute mehr Europäer an den Wahlen beteiligen würden, wenn die wichtigsten politischen Gruppierungen Europas auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms einen Kandidaten für die Position des Kommissionspräsidenten vorschlagen könnten.
Noch stärker fällt die Unterstützung für die Direktwahl des Kommissionspräsidenten in der Zukunft aus. Sieben von zehn Befragten votierten in dieser Frage klar und unmissverständlich mit Ja und begründeten dies mit der Ansicht, dass dadurch die Beschlüsse der EU zusätzlich legitimiert würden und die Demokratie in der EU gestärkt würde.

Auch wenn das Interesse an der Europapolitik zurzeit noch begrenzt ist, dürfte es in der Zukunft wachsen, da immer mehr Herausforderungen nur auf europäischer Ebene gelöst werden können. Ähnlich wie alle Gesetze und Normen nicht gegen das Grundgesetz verstoßen und vor allem keine Grundrechte verletzen dürfen, müssen sie auch im Einklang mit den europäischen Verträgen stehen. Kein Politikbereich ist mehr ohne Bezüge zum EU-Recht, so z. B. alle Aspekte des Binnenmarkts, die Umweltproblematik sowie die Einführung einer PKW-Maut.
Auf die Frage nach der Funktionstüchtigkeit der Demokratie im eigenen Land erklärte sich eine absolute Mehrheit zufrieden, und immerhin mehr als vier von zehn Befragten äußern sich gleichermaßen über die Funktionsweise der Demokratie in der EU. Dass sechs von zehn Befragten sich eher kritisch äußern, belegt allerdings, dass in diesem Bereich weiterhin Reformbedarf besteht. Grundsätzlich sind mehr als sieben von zehn Europäern davon überzeugt, dass das Verbindende in Europa wichtiger als das Trennende sei. Generell wird den europäischen Institutionen wie EP und Kommission mehr Demokratiepraxis zugebilligt als den nationalen Institutionen.

Hinsichtlich des Tempos der Integration ist die Haltung der Befragten zu beinahe gleichen Teilen gespalten. Während ein Teil der Meinung ist, dass die Mitgliedstaaten im selben Tempo voranschreiten müssen, unterstützt der andere Teil der Befragten ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten.
Die achten Direktwahlen haben einen hohen Symbolwert, denn sie zeigen, dass in 28 Ländern des europäischen Kontinents, der Jahrhunderte lang durch den Wechsel von Krieg und Frieden gekennzeichnet war, Konflikte und ihre Regelungen nun auf dem Wege parlamentarischer Auseinandersetzungen, mithin also in einer anderen, zivilisierten Austragungsform stattfinden. Zudem finden sie im 25. Jahr des Endes der Teilung Europas statt.

In der kommenden Wahlperiode sieht sich das Europäische Parlament neuen Herausforderungen gegenüber. So gilt es den Beitrittsprozess weiterhin zu überwachen, der sich im Augenblick auf Verhandlungen mit der Türkei und seit Januar 2014 auch mit Serbien konzentriert.
Auch das Freihandelsabkommen mit den USA dürfte eine wichtige Rolle spielen. Ein starkes, demokratisch legitimiertes Europäisches Parlament kann bei den innereuropäischen Entscheidungsprozessen und bei weiteren Reformvorhaben, insbesondere im Zusammenhang mit der noch nicht überwundenen Finanzkrise der EU-Staaten, am ehesten das Interesse der EU-Bürgerinnen und -Bürger zur Geltung bringen.

Der Zeitplan 2014

14. bis 17. April Das EP der vergangenen Wahlperiode hält seine letzte Plenarsitzung ab.
22. bis 25. Mai Wahlen zum neuen EP. Im Anschluss daran nominiert der Europäische Rat (die Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedstaaten) einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten der EU-Kommission.
1. bis 3. Juli Das neue EP tritt in Straßburg zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Es wählt seinen Präsidenten und die Mitglieder des Präsidiums.
14. bis 17. Juli Plenarsitzung des EP – ab diesem Zeitpunkt kann der neue Präsident der EU-Kommission gewählt werden.
Herbst Der Europäische Rat nimmt im Einvernehmen mit dem gewählten Kommissionspräsidenten die von den Regierungen der Mitgliedstaaten vorgeschlagenen künftigen EU-Kommissare an. Die so gebildete Kommission muss vom EP in Gänze bestätigt werden.
1. November Amtsantritt der neuen EU-Kommission.