Textaufgaben. Oder: Die Pest.

Wie man aus der Auswertung der jüngsten Timss und IGLU Erhebungen erfahren kann, rechnet man wohl in Südkorea, Finnland, Japan, Taiwan, Schweden, der Slowakei, den Niederlanden und England wesentlich besser als in den vierten Klassen hierzulande.

Nach einigen Jahren Erfahrung mit aktuellem Grundschulmathematik-unterricht stelle ich mir die Frage, woran das wohl liegen kann. Erinnerungen an die eigene Schulzeit mögen verklärt, verfälscht und eventuell einen Tick romantisiert sein, aber ich erinnere mich deutlich an stundenlanges Üben. Jede Mathestunde wieder neu. Einmaleins und Plus und Minus und Geteiltdurch.

Wir mussten die Reihen auswendig lernen, stur. Irgendwann hat sich dann ein Gefühl eingestellt, dass 6 x 12 vielleicht das Doppelte sein könnte von 3 x 12. Wenn auch nicht bei jedem. Wir wurden abgefragt, wir mussten lange und allerlängste Rechenketten auf unserer Schultafel rechnen (wir hatten keine Hefte, es war 1982), wir mussten Kopfrechnen und vor allem: Textaufgaben.

Solche Textaufgaben wie “Herr Maier kauft ein Auto und bezahlt den Gesamtbetrag von 9600 DM in 48 Raten. Wie hoch ist eine Rate?” Klare Aufgabe, klare Frage. Klare Anweisung, was zu tun ist.

Moderne Pädagogik jedoch sieht vor, dass Schulkinder nicht nur rechnen lernen, sondern die Fragestellungen auch noch selber finden. Damit das leichter fällt, werden Aufgaben aus der Lebensrealität der Kinder genommen. So wie hier (weiter oben auf der betreffenden Aufgabenseite waren die Preise):

Susi ist im Freibad. Sie kauft für ihre Freundinnen drei Würstchen und drei Limonaden. Ihre Mutter gibt ihr 20 Euro.

Kind 1 fragt: Was kostet das?, hat aber dabei den 20 Euro Part der Aufgabe nicht beachtet.
Kind 2 fragt: Warum bekommt Susi nichts?
Kind 1 sagt: Na, Susi hat halt nur 2 Freundinnen!
Kind 2: Da steht aber “für ihre Freundinnen” und nicht “für sich und ihre Freundinnen.”
Kind 1: Vielleicht mag Susi kein Fleisch?
Kind 2: Ist aber voll ungerecht, wenn Susi das Essen für die bezahlen muss.
Kind 3: Genau, die haben doch selber Taschengeld.
Kind 2: Vielleicht sind sie arm?
Kind 1: Und außerdem gibt doch die Mama das Geld.
Kind 3: Ich kann mir nicht vorstellen, dass 20 Euro für vier Kinder reichen, wenn die Essen UND Trinken wollen.

Zugegeben, das war nun eine fast gesellschaftskritische Debatte, die am Hausaufgabentisch entbrannte, allerdings hat keines der Kinder die Aufgabenstellung wirklich erfasst. Alle haben “was kostet das?” hingeschrieben, weil sie “das bei Aufgaben mit Geld immer hinschreiben.”

Eine richtige Pest in der Welt literarischer Mathematikaufgaben sind allerdings unpräzise Aufgabenstellungen. Aufgaben aus Aufgabenpools und Mathebüchern. Und die sind nicht gerade selten, das endet dann unter Umständen so (beispielhafte total ausgedachte Beispielaufgabe):

Eine Schulklasse mit 14 Kindern und 3 Begleitpersonen möchte in den Safaripark. Der Eintritt kostet für alle Kinder 28 € und für die Erwachsenen 12 €.

Kind 1 fragt sich: Welche Tiere gibt es da?
Mutti fragt sich: Wo gibts denn noch so kleine Klassen?
Vati denkt: Hoffentlich haben die einen Bus, sonst müssen wir wieder Fahrgemeinschaften bilden.
Allein Kind 2 hat gerechnet: 14 * 28 + 12, was verständlich, aber dann leider falsch war.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Vergleich mit Südkorea et al beim Mathematikunterricht von 1982 irgendwie anders ausgefallen wäre. Was die Frage aufwirft, was wir uns bei der Entwicklung der Grundschulpädagogik der letzten 30 Jahre gedacht haben. Und ich gehe ja davon aus, dass sich was dabei gedacht wurde.

edit: soeben finde ich den Beitrag von Happyschnitzel. Zum selben Thema. Irgendwo läuft eine große Synchronisierungsaktion. Glaube ich :)


Über das Christkind

Die Sache mit dem Weihnachtsmann. Oder dem Christkind, in manchen Familien teilen sich ja auch beide die Aufgabe, nicht nur an Weihnachten die Geschenke zu bringen, sondern auch im Vorfeld herauszufinden, was die Kinder sich denn eigentlich wünschen. Ganz kleine Kinder tun sich mit dem Wünschen unerwartet schwer, und so stehen manche Eltern von Zwei-


Absolut alles zum LSR – Linktipp

Dem ist nun wirklich nichts mehr hinzuzufügen. “Leistungsschutzrecht: Eine unheilige Scheindebatte” Von Frank Rieger. Heute online auf faz.net, morgen in der Printausgabe. *** Mehr zum Thema haben wir bei D64 zusammengestellt, inklusive wordpress-plugin, das beim klick auf den Link oben aktiv wird. Zum verlinkten Artikel geht es dann so weiter (gelbe Markierung):     Dem


Kürzlich, in Bielefeld

Kürzlich war ich in Bielefeld. Gestern, genaugenommen. Ich war eingeladen, in der niegelnagelneuen Stadtbibliothek zu lesen, und zwar in der Reihe “1000 Zungen, Sprachen und Literaturen der Welt”. 555 km lang war ich durch Nebel und Niesel gefahren, silberne Autos auf silbernem Asphalt, silberne Nieselschweife hinter sich herziehend – überholen Kamikaze. 555 km lang Wetterbericht