Liebste, was
denkst du,
zu fragen, kommt mir
nicht in den Sinn.
Weil ich solche
Leidenschaften kenne,
selbst schon
in Lüge gekleidet.
Sich die Frau
seines Lebens vorstellen.
Und dann das Leben lieben,
so fest es geht.
06.07.2007 12:51:10
Kommunion nach Seamus Heaney
Mitten in der Nacht ein laufender Motor
und unterm Fenster Gerede, von dem
ich kein Wort verstehe; das war
das nächste, was ich noch wach an Schlaf
je erlebt habe, und mit Schlaf meine
ich, jedes Wort nicht zu verstehen.
01.07.2007 10:34:23
Siebenschläfer nach Elizabeth Bishop
Fast hätte ich einen Unfall gebaut auf der Suche
nach einem Sender, der keine Wetternachrichten bringt.
Der Himmel war so was von monochrom Grau, und über die Wochen
werden mir sicher noch drastischere Worte einfallen zu dem Thema.
28.06.2007 15:24:36
Aus dem Blauen
Und dann allein im Abteil zu sitzen,
und dann dies Genießen
in Fahrtrichtung,
die Landschaft allein mit Blicken
zu wissen und nichts lesen
zu müssen, keine BILD,
vergessen auf den Sitzkissen,
auch wenn ich so für mich
nichts lenke und
auch schon in Schlagzeilen denke: In welcher Welt wollen wir leben.
Man muss den Moment allein bereisen,
um daraus so etwas
wie Realität werden zu lassen,
und wenn einer kommt,
sagen, dass nichts frei ist,
sondern wie Schopenhauer
im Pudel jeden Pudel sehen,
in unbesetzten Sitzen die besetzten.
Und dann den Platz räumen und aussteigen.
22.06.2007 13:08:19
Debütroman
Nirgends ist eine Geschichte in Sicht.
Neulich lief mir ein Reh vor den Wagen,
fast hätte ich das Tier noch erwischt.
„Das ist mir auch passiert“, sagt jemand.
Aber „neulich“ ist als Angabe viel zu vage.
Wieso nicht ein bestimmter Montagabend?
Das Reh symbolisiert eine gewisse Scham.
„Was genau ist daran eigentlich so schlimm?“
18.06.2007 11:58:04
Kindermund, wörtlich
Wir Brüder, drei, unterhielten uns über Geburtstagsessen. Wir hatten an unserem Ehrentag immer einen Wunsch frei. W., der älteste, sagte, er will Hühnchen, daraufhin sagte der mittlere Bruder, er möchte Gans an seinem Geburtstag essen. Ich, jüngstes Kind, überlegte kurz, dann wählte ich Schwan.
14.06.2007 17:53:44
Das dritte Auge
Eiskremkopfschmerz,
kennen Sie das,
genau zwischen den Brauen
wie ein Bolzenschuss,
ich aß zu gierig,
mir fiel der Sohn der Konditorei ein
bei uns im Dorf,
jetzt italienisches Eiscafé,
unter altem Namen.
Er schoss sich in die Schläfe
aus Liebeskummer.
„Zu Gumbold gehen“
war Sonntagsritual,
als es noch Torten gab,
Madeleines.
Als Kind hielt ich die Familie
für eine Art von Kobold.
Jahre später,
längst hatte ich Lesen gelernt,
sah ich, der Name
schrieb sich hugenottisch
korrekt „Gombault“.
Aus der anderen Schläfe
trat der Schuss wieder aus. Spott.
Sonst kein Schaden.
Blind lebte er, verliebt.
06.06.2007 21:10:30
Zweisamkeit
Morgens früh spielen Männer Karten
im Taxifahrertreff über dem Möbelhaus,
"Qualität zum Minipreis".
Im Gemüseladen ist permanent
Neueröffnung im November 2006
seit unserem Einzug.
Die Nachbarn weilen, gemessen
am Zustand der Blumenkästen,
längst nicht mehr
unter uns.
("Ich bin für den einzelnen". RDB)
05.06.2007 17:55:51
Abendgymnasium
Alles, was wir wissen,
heißt es, wissen wir
über andere. Ich weiß nicht,
ist eine Untreue.
Also öffnen wir uns
die Augen. Du warst
der andere, klingt nach
einem Kompliment.
Zeig mir, was er spürt.
Der Rest ist Nacht.
27.05.2007 17:44:54
Der Text wurde autorisiert gelöscht am 21.05.2007 17:46:47.
17.05.2007 14:42:51
Telekolleg
Einmal sah ich einen Film über Beschwichtigung im Tierreich.
Über Demut und indirekte Blicke. Am nächsten Tag griff mich
beim Joggen über Land ein Hofhund an, von der Kette gelassen.
Der Rest war dèja vu, ich hockte mich hin, starrte stur auf die
Flanke und raunte, guter Junge, ganz brav. Das Biest umkreiste
mich ein paar Mal knurrend, dann stand ich langsam auf und ging.
Zwei gewaltige Pfoten legten sich von hinten auf meine Schulter,
Polonaise, er nahm meinen Hinterkopf in den Fang. Fauler Atem.
Irgendwann ließ er ab von der Beute ohne Gegenwehr. Ich sah
mich nie um, ging und verfiel allmählich in Trab. Im Nacken
sträubte sich fiktives Fell. Auf Adrenalin raste ich nach Hause.
Den Rest des Tags widmete ich der Glotze. Zukunftsvision.
14.05.2007 19:34:33
Ultraschallaufnahme
Foto: Kirstin Büttner. Surfer: Henne.
11.05.2007 21:06:49
“You made me love you out of feeling nothing”
Es war vor einigen Jahren an meinem zweiten oder dritten Tag in Baden-Baden. Das Telefon klingelte zum ersten Mal in meiner Wohnung. „Guten Tag, hier Radio Thermal. Wir sind schon live auf Sendung. Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel, einen Augenblick, Aerobic und Gegenliebe. Berichten Sie unseren Hörern doch rasch, was sie beim Lesen erwartet.“ „Guten Tag, lesen die Hörer denn mit?“ „Ach so, neiiiiiin. Aber was für ein Werk ist das denn, was Sportliches?“ „Ja, durchaus. Stellen Sie sich vor, Sie trainieren nach einem imaginären Programm. Der Vorturner trägt weder Body, noch Hotpants, er hat nicht einmal einen Körper, sondern ist ganz entfernte Stimme. Die Texte sind dann Protokolle dieser kaum verstandenen Anweisungen oder Zurufe, über Jahre und Jahre verfasst. Durchhalten, tief einatmen, lang ausatmen …“ „Ja, ach so, danke. Als nächstes hören wir Chain Reaction von Diana Ross.“
09.05.2007 18:22:46
Was nervt
Die Frau vor mir im Flugzeug sagte, was sie verrückt
macht, ist, wie ihr Mann den letzten Rest Müsli
ausschlürft. Wer wählt Musik aus für Warteschleifen?
Manche Weise behaupten, Meisterschaft sei Folge,
beinahe, endlosen Übens. Nicht jetzt oder bald,
sondern im x-ten Leben steht einer da als Genie.
Wie einer das Messer ableckt. Ich verteile Socken
in der Wohnung. Generation 50 plus heißen die,
die keine neuen Geräte mehr kapieren. Neulich
habe ich kurz gedacht, daß ich auf digitalen Fotos
anders aussehe. Irritationen. Damit umzugehen,
eine Prüfung. In der Wohnung über uns spielt jemand
Gitarre, langsam, langsam wird sein Spiel besser.
Nicht am Können liegt es, wie weit man ist, sondern
an der Gewalt, der einer standhält. Ich werde jeden,
der übt, ab jetzt bewundern. Es ist nie zu früh; manche
sagen, verstehste? nach jedem Satz. Aufprallen lernen.
Limitiertes Fluggepäck, Tonleitern. Steigen. Fallen.
25.04.2007 15:51:22
Animiert
War klein gewesen,
großer Junge lockte
mich ins Gebüsch,
sollte Zettel lesen.
Ich: Kann noch nicht.
Er sprachs aus für mich –
wer das liest, ist
doof. Unbetroffen ich:
Du hasts entziffert.
11.04.2007 16:07:19
Against me
...
Constant entertainment for our restless minds.
Constant stimulation for epic appetites.
Is there something wrong with these songs?
Maybe there's something wrong with the audience.
Manipulation in rock music. Fucking Nausea.
Der schwarze Hund,
angebunden mit Tau
an der Leitplanke
neben der Tankstelle,
dreht sich dreimal
um sich selbst und
legt sich ab. Es ist rot.
Der schwarze Hund,
ausgesetzt, denke ich,
während es rot ist,
schwarzer Hund auf
einem Fleck Rasen,
ein Geheimnis umgibt
ihn, neben der Ampel.
Grüner wird es nicht.
22.03.2007 20:59:55
Notiz am Kühlschrank
„Stell dir vor. Vorhin sah ich zwei Autos,
schräg auf der Fahrbahn, so aneinander-
geschmiegt, daß sie wie ein Wagen aussahen,
Prototyp. Es gab keine Verletzten.
Die Fahrer standen neben dem Gefährt, ruhig
im Gespräch. Im Gesicht des einen
so etwas wie Demut, der andere lehnte
lässig an der Karosserie, noch vor Eintreffen
der Polizei. Bitte laß uns reden. Verzeih …“
18.03.2007 10:14:46
Neues aus Bad Zwischenahn
Aristoteles glaubte, Aale würden aus feuchtem Schlamm erwachsen. Lange Zeit konnte ihn niemand widerlegen.
Später mehr
23.02.2007 20:20:42
Hello again
Liebe auf den ersten Blick ist ein bestimmtes Gefühl aus einem früheren gemeinsamen Leben. Diese Seelen liebten sich schon früher.
War es nicht Platon, der sagte, alles Wissen sei Erinnerung? Doch.
Genies, auch die, deren Eltern Deppen oder Normalos waren, haben ihr Talent in früheren Leben erworben, und nun bringen sie es, nach langem, langem Üben, zur Geltung.
Der Körper, oft ein kaputter, ist Vehikel der Seele, des Bewußtseins. Das reist darin mehr oder weniger bequem durch die Zeit. Irgendwann ist dann jeder Wunsch, den man hatte, erfüllt worden, abgearbeitet, und dann setzt Ruhe ein.
Den Tod zu fürchten oder den Tod zu mißachten, wäre gleichermaßen töricht. Er kommt ohnehin. Gut, vorbereitet zu sein, wenn es soweit ist, um aus dem, was war, zu machen, was möglich ist.
Entwickle Hingabe und mach keinen Scheiß. Vielmehr kann man fast nicht tun.