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Veröffentlicht: 16.08.2014, 06:18 Uhr

Bayerischer Whisky Ein Koran im Vatikan

Dass die Bayern Bier brauen können, ist weltbekannt. Dass sie aber auch einen hervorragenden Whisky brennen können, wissen die wenigsten. Dabei haben sogar die Schotten Respekt vor ihrer süddeutschen Konkurrenz.

von Jochen Müsssig
© Roeder, Jan Der Meister und seine Schätze: Anton Settner im Keller seiner Destillerie.

Ein bayerischer Whisky deklassiert die schottische und irische Konkurrenz, und das auch noch bei einem Auswärtsspiel auf den Britischen Inseln: Slyrs - Bavarian Single Malt Whisky Destillerie gewinnt die Goldmedaille bei den World Whiskies Awards 2014. Diese Nachricht hat vor kurzem die Whisky-Welt erschüttert - und uns neugierig gemacht.

Wir machen uns auf nach Oberbayern an den Schliersee. Er glitzert im Sonnenlicht, Segelboote dümpeln auf dem Wasser, die Brecherspitze reckt ihren schmalen Grat in die Höhe, ihr zu Füßen Wiesen voller purpurfarbener Wildblumen, umsäumt von majestätischen Föhren, die ihre Kronen in der Brise wiegen. Am Ortsrand von Neuhaus finden wir die Destillerie in einem Neubau aus Holz und werden mit offenen Armen empfangen. Man zeigt uns die Kunst der bayerischen Whiskydestillation. Wir hören das Zischen der Brennkessel, riechen das Aroma des Brandes, tasten die Fasern der Holzfässer ab und werden später natürlich den Whisky kosten. Anton Stetter, der geschäftsführende Gesellschafter, erklärt uns alles. Und es sprudelt nur so aus ihm heraus, wie das Wasser aus der nahen Bannwaldquelle, der Grundlage des bayerischen Whiskys. Sein Bruder Florian sei an allem schuld, hören wir. Denn er hatte in den schottischen Highlands eine Schnapsidee und wettete einen Kasten Weißbier, dass auch er, der Schnapsbrenner vom Schliersee, daheim sehr guten Whisky brennen könne. Die Berge, die Seen, die schottische Freistaaterei, all das erinnerte ihn an seine oberbayerische Heimat. Deshalb kam es auch zu dem Namen Slyrs. Was sich pseudo-gälisch anhört, wird einfach „Schliers“ ausgesprochen. So nennen die Einheimischen ihren Heimatort Schliersee, zu dem Neuhaus gehört.

Whisky im Wert von sieben Millionen Euro

Da der Begriff Whisky - anders als etwa Grappa oder Cognac - nicht gesetzlich geschützt ist, konnte es gleich losgehen. Bayern hat ohnehin alles, was man für einen guten Whisky benötigt: Gerste, Hefe und bestes Quellwasser. Nur statt über Torf räuchern die Slyrseer die Gerste über bayerischem Buchenholz. „Natürlich gab’s erstmal einige Fehlversuche“, sagt Anton Stetter. „Aber heute, fünfzehn Jahre später, verkaufen wir siebzigtausend Liter pro Jahr. Ins KaDeWe nach Berlin, bis nach China und - noch schlimmer - sogar bis Edinburgh.“ Wir stehen in der Lagerhalle, schauen uns um, und Anton Stetter hilft beim Kopfrechnen: „Es sind sechshundert Fässer zu jeweils 225 Liter. Hier lagert Whisky im Wert von sieben Millionen Euro.“ Und jetzt kommt noch die Goldmedaille bei den World Whiskies Awards dazu, gewonnen in Großbritannien! „Wir kamen uns vor wie einer, der den Koran im Vatikan ausstellt“, erzählt Anton Stetter.

Glass of whisky © ddp images Vergrößern Die Bezeichnung Whisky ist nicht geschützt. Deswegen wird er inzwischen in aller Welt destilliert.

Es ist höchste Zeit, das preisgekrönte Destillat zu verkosten. Es ist der dreijährige Slyrs Pedro Ximénez Whisky mit ausgeprägter Sherry-Note. Nicht nur der Jury, auch uns schmeckt er sehr gut, und die Sherry-Note erklärt sich ganz einfach: Neun Monate seiner Lagerzeit verbrachte er in einem vierzig Jahre alten Sherry-Fass. Davon wollen wir für uns und gleichgesinnte gute Freunde gerne ein paar Flaschen mitnehmen. Doch Herr Stetter winkt ab. An jeden Gast wird nur eine Flasche verkauft - wegen der großen Nachfrage.

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