FIXPOETRY weiterempfehlen

 


Link: http://www.fixpoetry.com

Autorenbuch Annette Hagemann SUBTROPISCHES LAND – FIXPOETRY.com

Gewählter Autor: Annette Hagemann

Sollte Ihr Browser kein Flash unterstützen:

SUBTROPISCHES LAND


nicht die vollen busse
gut für anekdoten aller weltreisenden
erschütterten mich

sondern es war die klebrigkeit des landes
in einer mischung aus dreck und süßigkeiten nämlich
wendeten wir uns durch den tag

sunil besuchte uns er wollte kinder
von einer deutschen namens susie die nicht da war
„first child: a girl“ sagte er und zum beweis
(so dass wirs kaum verstanden): „schild-krö-te“
vom arbeitselefanten seines vaters sprach er und
dass die mutter eines nachts die haare
die langen haare ihm geschnitten habe
von da an brachte er uns jedentag
von seiner schwester was zu essen
die schwester sahn wir nie doch hat sie
kokospfannekuchen uns gebacken

dann wollte er uns griffe seiner ölmassage zeigen
vielleicht tat es paolo gut er zuckte beim massieren
und war doch noch so gar nicht angekommen
hatte seit tagen etwas düsteres in sich wie einen
splitter stecken und ist fast jede nacht zum heulen aufgewacht
das öl roch komisch – wie gebratenes gewürztes fleisch –
und nachher wusch ich tagelang die laken
weil wir den duft nicht mehr ertragen konnten

man ging vom meer über das gras
(wo eine schlange die ich selbst gesehn
hab zwischen palmen wohnte) bis zu dem zaun

kaum ging die pforte auf so wars dahinter schwül –
suptropisch lag die rußgeschwärzte bude vor mir
an den lehm der straße angelehnt

zwischen der gischt unseres meeres
und der monsungetränkten luft an land
schwammen wir hin und her und
her und hin und jeden morgen
holte ich aus dieser rußgeschwärzten bude
bananen zigaretten und die kekse:
horlicks für ihn – krackjacks für mich
und die verkäuferin war schwanger und riet mir ernsthaft
mit dem rauchen aufzuhörn
ich war verschwitzt von gerade zwanzig metern weg
und hatte kleberige hände: von allem
von wirklich allem hier

und nicht das meer gab uns das ferngefühl
sondern die bude mit den schwarzen wänden    
wo wir dann tschai mit zuckermilch aus gelben gläschen tranken
ein alter mann der schielte gab uns rat in andern sprachen
und jede einzelne minute zog ein ochsenkarren
mit king coconuts beladen übern lehm
und dieser mann mit seinem bettgestell:
an schweren schulterriemen wippte es um ihn
wie ein skurril-barockes kleid er lachte nicht

mein erstes durchfalln hier
nach sunils schwesters curryfish
war schwer
paolo lag im fieber und ich hab niemals vorher
so heiß und drachenähnlich chilipfeffer ausgekotzt
und gerade in der nacht hörte ich plötzlich
mitten im krach der meeresbrandung schritte
die schritte der tamilenkämpfer die noch letztes jahr
dem sohn unseres wirts die kehle durchgeschnitten
und wieder mal wie durch ein wunder
ließen sie uns – wurden wir über nacht
gesund

und dann es gab sogar momente in denen
ich meine zimtzickigkeit ablegte
und mich ihm ganz und gläubig anvertraute

und der rulang cake klumpte mir im mund
und die haarbürste klebte vom feuchten salz
und ich erkannte es nicht mehr als dreck

doch schon als wir auf gleis numero fünf
saßen und auf den sechs-uhr-zug nach süden
warteten und zusahn wie der morgen
in gestalt von immer mehr sarong- und sari-leuten
einzug hielt auf diesem gleis
und zwar bevor es noch die helligkeit des tages tat
(denn so stockdunkel war es dass man noch nicht einen
der sonst überall herumhüpfenden krähenvögel sah)
ich war betäubt von vierundzwanzig stunden reise
da hielt ich so ein tschaiglas in der hand und weiß genau
das war der erste meiner eindrücke des fremden lebens:
es war die klebrigkeit!
und er – er kraulte meinen nacken
er rieb mir zimt in meinen tee und kardamom und nelke
und ich roch nichts
ich saß wie eine witwe auf der bank und dacht an früher
dachte an mich selbst jahrzehntelang

weiterempfehlen

zurück

Autorenarchiv

  1. A
  2. B
  3. C
  4. D
  5. E
  6. F
  7. G
  8. H
  9. I
  10. J
  11. K
  12. L
  13. M
  14. N
  15. O
  16. P
  17. Q
  18. R
  19. S
  20. T
  21. U
  22. V
  23. W
  24. X
  25. Y
  26. Z