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Alpstein Säntis so&so

Kein Gedicht, auch keine Ausreden

                            Ich werde nie auf dem Säntis, 2485 Meter,                                    gewesen sein,

– weil ich nur in Träumen Schwebebahn fahre, und
    meine Träume sind immer Horror;

– weil ich mein Eigengewicht nicht auf kaputten Füßen
    einen Berg hochstemme, um alles auf kaputten Knien
    wieder herunterzutragen;

– weil meine Mutter eine so lebenslängliche Bergsteigerin war und
    ihre Leidenschaft – welche wie sie selbst nicht kopiert werden kann – für
    Generationen ihrer Nachkommen ausreicht;

– weil ich in meiner Jugend zu oft am Sonntag mit der Familie
    auf den Berg Stockhorn, 2190 Meter, hinauf rennen
    musste anstatt mit den Kollegen zum Fußball zu dürfen;

– weil ich Bergen nicht an die Haut gehe, sondern
    sie gerne betrachte: im Film, aus dem Flugzeug, von unten der Ebene, am
    liebsten aus der Gartenwirtschaft;

– weil ich als Bub die Begriffe «Säntis» und «Alpstein» sehr körperlich interpretierte:
    Alpstein war die ferne Konkurrenz zu unsern Berner Alpen;
    im Vergeich zu diesen nur ein Müsterchen und zudem
    eine Alp voll Steine;
    Säntis tönt mir immer noch nach Senf (berndeutsch Sänf oder Sämf), und
    obendrauf steckte eine Wetterstation, die uns erzählte, wie
    bei uns im Westen das Wetter vor Stunden oder gestern
    gewesen war bevor es nach Osten weitergeschoben ward;

– weil ich das lange Gedicht Die Alpen von Albrecht von Haller ziemlich
    mühsam finde und trotzdem seit 30 Jahren Drang spüre,
    die Hymne irgendwann
    in lesbares Deutsch zu übersetzen;

– weil ich jedesmal, wenn ich nach München
    zu meiner Geliebten fahre und 
    von München zurückkomme,
    dem Alpstein Säntis freundlich zuwinke, als
            Gruß vom vergänglichen Tag zum Urgestein.

                       

18. Juni 2009